3D-Printing: Drucken statt drechseln? | stores+shops

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Individuelle, außergewöhnliche Möbel: ein Fall für 3-D-Druck (Foto: BigRep)

3D-Printing: Drucken statt drechseln?

Vom 3-D-Printing wird die nächste Technologie-Revolution erwartet. Wie funktioniert es? Inwieweit wird es auch die Storedesign-, Ladenbau- und Visual-Merchandising-Branche verändern? Experten geben Auskunft über Status quo und Perspektiven.

„Future Lounge“ – unter diesem Titel stand ein Teil des diesjährigen EuroShop-Auftritts des Shopfitting-Spezialisten Umdasch, und der Name war Programm: Es wurden Miniatur-Möbel ausgestellt, an denen weder Schreiner noch Modellbauer Hand angelegt hatten. Sie wurden gedruckt. So, wie immer öfter auch Prototypen neuer Umdasch-Systeme oder -Storekonzepte. In Oberhausen, wo die größte Consult-Abteilung des Unternehmens ansässig ist, verfügt Umdasch über einen eigenen 3-D-Drucker („Creatr“ der Firma Leapfrog). Bisheriges Resümee: „Unsere Kunden sind begeistert von der plastischen Darstellung der Anschauungsmodelle.“

Modell des nach Unternehmensangaben größten 3-D-Serien-Druckers der Welt: „BigRep One“ (Foto: BigRep)

Modell des nach Unternehmensangaben größten 3-D-Serien-Druckers der Welt: „BigRep One“ (Foto: BigRep)

Genau das ist der Einsatzbereich, in dem 3-D-Drucker in der Branche heute Anwendung finden. „Architekten präsentieren in zunehmendem Maße 3-D-gedruckte Modelle, also Ausdrucke ihrer mittels CAD-Programm entwickelten Entwürfe. Die Print-Ergebnisse sind exakter und meist preiswerter als die eines Modellbauers“, weiß Martin Schlicht, Head Trainer des Seminar-Anbieters Fabbulos, zu berichten. Fabbulos führt zum Thema 3-D-Printing sowohl allgemein zugängliche Seminare als auch am individuellen Bedarf ausgerichtete Veranstaltungen bei interessierten Betrieben vor Ort durch.

Auch Oliver Voßhenrich, Managing Director der Firma POS Tuning, spezialisiert auf Warenpräsentations-Systeme, sagt: „Wir nutzen den 3-D-Druck zur Erstellung von Prototypen – für die nächsten Jahre sehen wir die Technologie auch noch darauf beschränkt. Kundenspezifische Bauteile beziehungsweise Designstudien können sehr schnell in Form ‚gegossen‘ werden. Die Kunden erhalten ein realitätsgetreues Abbild, mit dem sie im Rahmen von Funktionstests den zukünftigen Einsatz simulieren können. Dies spart Zeit und Geld bei der Entwicklung, da Fehler bereits in dieser Phase gefunden und behoben werden können.“

Den Zug nicht verpassen

Das Ladenbauunternehmen Schemberg setzt 3-D-Druck seit einiger Zeit im Bereich der Produktentwicklung ein – sei es für individuelle Endkappen von Profilen, Spezialteile für Kassentechnik oder Sonderprofile. „Wir erstellen eine detaillierte 3-D-CAD-Zeichnung und lassen diese professionell drucken“, so Geschäftsführer Carsten Schemberg. Drucken lassen bedeutet: Es gibt mittlerweile spezialisierte Dienstleister auf diesem Gebiet (z.B. Blue Production, Paderborn; Citim, Barleben; H & H, Leopoldshöhe). Hochklassige Drucker sind auch hochpreisig, eine Investition, die sich für viele Unternehmen (noch) nicht rechnet.

Jetzt Erfahrungswissen aufbauen!

Dr. Eric Klemp

Commercial Director, DMRC – Direct Manufacturing Research Center

Dr. Eric Klemp, Commercial Director des DMRC – Direct Manufacturing Research Center in Paderborn, das sich im Rahmen von Forschungsprojekten mit der Weiterentwicklung von additiven Fertigungsverfahren beschäftigt, bestätigt: „Meist ist es ratsamer, einen Dienstleister zu finden, der das Know-how und die für den jeweiligen Anwendungsfall richtigen Maschinen hat, als selbst einen günstigen Drucker zu erwerben. Die Erfahrung lehrt: Wer billig kauft, erhält in der Regel nicht das gewünschte Ergebnis – Chancen und Risiken liegen sehr dicht beieinander.“ Dr. Eric Klemp rät den Protagonisten der Branche überdies: „Auch wenn die Entwicklung noch am Anfang steht: Firmen sollten Erfahrungswissen aufbauen und Möglichkeiten eruieren. Macht 3-D-Druck Sinn für das eigene Unternehmen? Welche Fähigkeiten müssen erworben werden? Man muss für dieses neue Verfahren anders konstruieren, um das Potenzial auszuschöpfen. Jetzt ist die richtige Zeit, diese Fragen zu klären und das Handwerkszeug zu erlernen. Auch dafür sind die Dienstleister eine gute Adresse.“

Eher Einzelteil als Serie

Denn es wird vielen so gehen wie dem Ladenbauunternehmen Ruppel: „Wir haben Thema und Technologiestand noch nicht zu 100 Prozent erfasst“, gibt Key Account Manager Alexander Metz zu. Er fügt jedoch hinzu: „Wir behalten die Entwicklung im Auge und sehen durchaus Potenzial.“ So beobachtet der Shopfitter aus Lauda-Königshofen beispielsweise den Werdegang des Berliner Start-ups „BigRep“. Zwei Künstler, die keinen ausreichend großen Drucker für ihre Arbeiten fanden, entwickelten in Eigenregie den nach eigenen Angaben größten Serien-3-D-Drucker der Welt. „Großformatiges 3-D-Printing ist bisher nur für Industriekonzerne, beispielsweise im Automobil- oder Maschinenbau, bezahlbar. Dies wollen wir ändern“, erklärt Gründer Lukas Oehmingen. „Mit dem ‚BigRepOne‘ erhalten professionelle Anwender die Möglichkeit, ihr geplantes Objekt, ob Stuhl, Bauteil oder Hausmodell, innerhalb kurzer Zeit in der Größe bis zu knapp einem Kubikmeter selbst auszudrucken beziehungsweise beim Dienstleister ausdrucken zu lassen.“ Das Gerät kostet 29.000 Euro – für vergleichbare Drucker sind bis dato sechsstellige Beträge fällig.

Mit 3-D-Druck lassen sich vor allem komplexe Einzelteile fertigen. (Foto: DMRC)

Mit 3-D-Druck lassen sich vor allem komplexe Einzelteile fertigen. (Foto: DMRC)

Auf lange Sicht wird mit 3-D-Druck vieles möglich sein“, meint Dr. Klemp vom DMRC. „Eine Substitution von konventionellen Verfahren der Serienfertigung ist aber noch nicht abzusehen.“ Die Gründe – abgesehen von den oftmals noch hohen Kosten: Die Druckgeschwindigkeiten sind häufig zu niedrig. Zwar sind die Fortschritte groß – bei Metallprozessen vervielfachte sich die Geschwindigkeit in den letzten Jahren –, aber von einem niedrigen Niveau ausgehend. Außerdem können bislang nicht alle Materialien verwendet werden (siehe Kasten). Zahlreiche Kunststoffe sind heute schon einsetzbar, in der Regel kann zudem mit allen schweißbaren Metallen gearbeitet werden wie Titan, Edelstahl und Aluminium. Holz ist ein noch junges Themengebiet, dem man sich über WPCs (Wood-Plastic-Composits) nähert. In ähnlichen Verfahren wird gemahlener Stein mit Kunststoff zu einer formbaren Masse kombiniert, um Steinoptiken zu erzielen.

Ein weiteres Problem ist die Belastbarkeit. „Den ruppigen Einsatz am POS vertragen 3-D-gedruckte Bauteile nicht“, so die Erfahrung von Oliver Voßhenrich, Firma POS Tuning. Carsten Schemberg erklärt: „Als Kunststoffe werden meist PLA (Polyactide) und ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) eingesetzt. PLA ist einfacher zu verarbeiten, jedoch weniger haltbar als ABS und nicht sehr hitzeresistent. Der Einsatz im Schaufenster kann im Sommer dazu führen, dass das Exponat einfach schmilzt.“ Insgesamt, ist Carsten Schemberg überzeugt, könne das Visual Merchandising aber von den neuen Gestaltungsmöglichkeiten enorm profitieren, zumal die Produkte, die für diese Zwecke zum Einsatz kommen, meist nicht stark physikalisch beansprucht werden. „Durch das 3-D-Drucken sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Ob dekorative Ritterausrüstung, Raumschiff oder exotische Blume – das alles ist problemlos umsetzbar.“

3-D-Druck: So funktioniert’s

Mit 3-D-Druckern wird die Formgebung von Gütern umgekehrt. Ähnlich einem Bildhauer, der einen Marmorblock bearbeitet, wird Material normalerweise abgetragen und passend gemacht. Standardisierte Metall- oder Holzteile werden von Maschinen oder Menschen gefräst, geschliffen, gedreht, gehobelt oder gedrechselt. 3-D-Drucker arbeiten hingegen in einem sogenannten additiven Verfahren, also eher vergleichbar mit Mauern oder Töpfern: Das Produkt wird gefertigt, indem Material schichtweise aufgebaut wird. Zunächst wird am Computer ein virtuelles 3-D-Modell erstellt. Beim Druck der Datei wird der Grundstoff mittels Spritzdüsen auf eine Grundfläche aufgebracht. Diese Fläche wird peu à peu millimeterweise abgesenkt, sodass immer neue Schichten hinzukommen können, bis das räumliche Produkt fertig ist.

Das bisherige Fazit des Schemberg-Geschäftsführers: „Bei 3-D-Druck handelt es sich um ein Produktionsverfahren zur Einzelteilfertigung von komplexen Teilen. Je komplexer, desto besser. Es gibt aber schon lange auch andere Verfahren zur kostengünstigen Einzelteilfertigung wie das CNC-Fräsen zum Beispiel. Insofern glaube ich nicht, dass die 3-D-Drucktechnik die Branche stark verändern wird.“ Auch Dr. Eric Klemp stellt noch einmal heraus: „3-D-Druck ist für Spezialanwendungen interessant, insbesondere für Formen und Funktionen, die bisher nicht denkbar waren und die es deshalb nicht gab: in Bauteile integrierte Gelenke, adaptive Strukturen, bionisch geformte Bauteile oder solche, die die Corporate-ID eines Unternehmens zum Beispiel in Form haptischer Firmenlogos zum Ausdruck bringen. Kleine, hochwertig positionierte Läden lassen sich mittels 3-D-Druck schon heute individuell einrichten. Der industrielle Rollout von Großserien liegt wohl eher in ferner Zukunft.“ Wobei auch das vom Erfindergeist der Firmen abhängen wird.

Fotos: Big Rep (2), DMRC (1)

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