„Sevens eröffnet Sanitäranlage der Premiumklasse“, so lautete kürzlich eine Pressemeldung des Düsseldorfer Einkaufszentrums, in dem die neue Sanitäranlage, für die das Aachener Architekturbüro Walter Wiese verantwortlich zeichnet, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Shopping-Center Forum Schwanthalerhöhe in München: durchgängiges Design bis in die Sanitärräume, inspiriert durch den Künstler und Namenspaten Ludwig Schwanthaler

Shopping-Center Forum Schwanthalerhöhe in München: durchgängiges Design bis in die Sanitärräume, inspiriert durch den Künstler und Namenspaten Ludwig Schwanthaler
Foto: Schwitzke

WCs als Titelthema – so weit ist es gekommen. Und das aus guten Gründen: „Wir sind überzeugt, dass es vom Kunden honoriert wird, dem Touchpoint Sanitäranlagen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken“, sagt Markus Kratz, Geschäftsführer von Kplus Konzept aus Düsseldorf. Das Kreativstudio hat ebenfalls bereits einige derartige Projekte geplant. Insgesamt sieht Markus Kratz noch viel Nachholbedarf: „Nach wie vor wird die – oftmals sehr sparsam ausgestattete – Kundentoilette im toten Winkel versteckt, anstatt die Kunden mit einem erweiterten Angebot zu begeistern. Händler sollten darüber nachdenken, ob sie mit einer coolen Sanitärkultur im Haus nicht Traffic generieren, Neukunden locken und digital punkten können, indem sie auf Instagram und in Bewertungsportalen gut besprochen werden.“

Auch Marie Ernst, Geschäftsführerin von Schwitzke & Partner, Düsseldorf, sagt: „Menschen sprechen über Toilettenräume – vor allem, wenn sie besonders schön, originell oder überraschend gestaltet sind. Sie können zur Anekdote werden, die man weitererzählt und vielleicht sogar auf Social Media teilt.“

Die Kehrseite: Vandalismus

Allerdings gibt es auf Seiten der Handelsunternehmen auch berechtigte Bedenken, was Investitionen in hochwertige Sanitärräume betrifft: „Die Kunden gehen nicht ordentlich mit den Räumen um. Vandalismus, Diebstahl und Verunreinigung sind fast normale Erscheinungen“, sagt Walter Wiese, Chef des für die Sevens-Anlage verantwortlichen Architekturbüros. Wiese empfiehlt daher robuste Konstruktionen und Materialien sowie leicht zu reinigende Flächen und Systeme.

Die Reinigung kann an darauf spezialisierte Partner-Unternehmen outgesourct werden. ECE-Shopping-Center beispielsweise arbeiten mit professionellen Reinigungs- Dienstleistern zusammen, die nach festgelegten Kriterien ausgewählt werden. Ein Workshop sorgt vor dem Start für „saubere“ Prozesse, ein Qualitätsmanagement gewährleistet sie auf Dauer. Die Aalener Werbeagentur Studioo entwickelte ein besonderes Konzept, die „Nette Toilette“: Händler stellen ihre sanitären Einrichtungen für die Allgemeinheit zur Verfügung, im Gegenzug beteiligen sich die Kommunen an den Reinigungskosten.

Reinigung und Betrieb outsourcen?

Ein „Rundum-Sorglos-Paket“ bietet das Unternehmen Hering Sanikonzept dem Einzelhandel mit „shop&fresh“ an. Das Unternehmen aus Burbach ist unter dem Namen „rail&fresh“ auch an Bahnhöfen sowie mit „park&fresh“ an Autohöfen aktiv. Alles in allem werden rund 1.000 Toiletten im Bundesgebiet betrieben – in Eigenregie und meist mit eigener CI. Händler können jedoch auch „nur“ die Expertise des Unternehmens in puncto Planung oder Sanierung in Anspruch nehmen. Laut Hering Sanikonzept wird die Generalunternehmer-Funktion inzwischen häufiger nachgefragt.

Der Design-Aspekt spielt bei Sanitärräumen im Handel eine immer wichtigere Rolle. Dirk Seyfert, Planer beim Ladenbauunternehmen Dula aus Dortmund sagt: „Das Ambiente der Kundentoiletten sollte das Store-Design aufgreifen und hinsichtlich Qualität und Anspruch konsequent fortführen.“

Marie Ernst von Schwitzke & Partner nennt Kriterien: markante Farben, besondere Material-Optiken, Grafiken, musikalische Untermalung sind nur einige. Ein Beispiel ist das Shopping-Center Forum Schwanthalerhöhe. Namenspate des neuen Münchner Einkaufsquartiers ist der Bildhauer Ludwig von Schwanthaler. Das von Schwitzke & Partner kreierte Gestaltungskonzept des Centers spiegelt das Schaffen und die klassizistische Stilepoche Schwanthalers wider – bis hin zu den Kunden-WCs, wo lebensgroße Grafiken von klassizistischen Statuen die Vorräume zieren. Die WC-Räume selbst sind mit stilisierten Kassettenrahmen, üppigen Blumenmotiven und Farbflächen in Pastelltönen gestaltet.

Teil der Customer Journey

Dass Toilettenräume nicht isoliert betrachtet werden dürfen, unterstreicht auch Markus Kratz: „Ganzheitlich im Rahmen der Customer Journey gedacht, stellen sich Fragen wie: Gibt es ansprechende Sitzgelegenheiten für Begleiter, die nicht auf die Toilette gehen? Brauchen Senioren Haltegriffe und erhöhte Toilettensitze? Sind ausreichend Ablageflächen, Garderobenhaken und genug Bewegungsfreiheit vorhanden? Sind die berührungslose Armatur und der Ausgabeschlitz der Trockentücher für jeden bedienbar? Wie wäre es mit einem Kinderwaschbecken?“

Eingang zur Toilettenanlage im neuen Foodtopia-Teil des Frankfurter Shopping-Centers MyZeil. Auch die Herrentoilette selbst wurde im „Feuerwehr-Design“ ansprechend gestaltet

Eingang zur Toilettenanlage im neuen Foodtopia-Teil des Frankfurter Shopping-Centers MyZeil. Auch die Herrentoilette selbst wurde im „Feuerwehr-Design“ ansprechend gestaltet.
Foto: ECE

Auch Marie Ernst weist auf die bei aller Ästhetik wichtigen praktischen und serviceorientierten Kriterien hin und sagt: „Design follows function. Durchgehende, großformatige Materialien wie Feinsteinzeug oder Mineralwerkstoffe ermöglichen zum Beispiel eine nahezu fugenlose Verarbeitung und verbinden somit wertige Optik und hygienische Funktion.“

Ebenfalls grundsätzlich wichtig: gute Beleuchtung. Walter Wiese: „Zum Putzen sollte die Beleuchtung sehr hell sein, im Normalbetrieb zum Wohlfühlen reduziert.“

Dirk Seyfert von Dula nennt außerdem das Thema gute Belüftung und weist darauf hin, dass es mindestens eine barrierefreie Toilette geben sollte. Der Dula-Planer sagt, dass es für Sanitärräume in Einzelhandelsobjekten keine gesetzliche Richtlinie gibt. Die Regelung für Personaltoiletten sei dagegen in der Arbeitsstättenverordnung festgelegt und die für Gastronomie-Konzepte in der Gaststättenverordnung sowie in Angaben der Industrie- und Handelskammern. Heinz-Herbert Dustmann, Geschäftsführer der Dula-Gruppe, fasst das Thema so zusammen: „Sanitäranlagen gehören zu einem ganzheitlichen Ladenkonzept. Da sie im Einzelhandel bisher nicht verpflichtend sind, ist es ein Service-Angebot, das dazu beitragen kann, sich positiv abzuheben.“

Lukas Nemela, Pressesprecher von ECE Projektmanagement, bringt mit Ergebnissen einer Kundenbefragung die Kundenmeinung ins Spiel: „86 Prozent der Kunden finden die sogenannten ‚Relax- Services‘ wichtig. Saubere Toiletten gehören dabei zu den Top-Five.“