Das Interview führte Winfried Lambertz im Februar 2020.

Herr Schweitzer, wie beurteilen Sie aktuell die Investitionsneigung des Lebensmitteleinzelhandels für Ladenbauprojekte in Europa?

Der Handel hält sich bei Investitionen in den Ladenbau derzeit zurück. Investiert wird zurzeit eher in andere Bereiche wie den Ausbau des Internet-Handels, in die Logistik oder die IT. Wir stellen aber fest, dass zum Beispiel in England, Frankreich, Italien oder in der Schweiz viel Geld investiert wird in besondere Leuchtturmprojekte. Hier geht es unseren Kunden darum, an einem besonderen Standort einmal ganz neue Wege zu gehen. Man will sicherstellen, für die Zukunft gerüstet zu sein.

Wie kann sich der Lebensmittelhandel für die Zukunft rüsten?

Das Schlagwort lautet Flexibilität. Für einen Supermarktbetreiber reicht es heute nicht mehr aus, nur die klassischen Sortimente vorzuhalten, sondern er muss die Voraussetzungen schaffen, in kürzeren Zeitabständen immer wieder neue Sortimente und Produkte aufzunehmen. Supermärkte müssen zum Beispiel in der Lage sein, die Größe der Käse- oder Fleischabteilung zu saisonalen Anlässen zu verdoppeln und danach auch wieder zurückzufahren. Als Händler bin ich gut beraten, mich von starren Layouts zu verabschieden und mein Angebot dynamisch zu gestalten.

Welche Konsequenzen hat das für den Ladenbau?

Die Filiale sollte von vorneherein so gebaut sein, dass immer wieder umgebaut werden kann. Mit steckerfertigen Kühleinrichtungen ist ein Betreiber zum Beispiel in der Lage, in kurzen Zeitabständen das Layout zu verändern. Die Stromleitungen zu den Kühlmöbeln sollten nicht im Boden verlegt sein, sondern von der Decke kommen. Mit Leclerc in Frankreich haben wir 2019 ein Projekt realisiert, bei dem alle gekühlten Warengruppen einschließlich Bedienungstheken steckerfertig sind. Wir sprechen heute ganz massiv von flexiblen Elementen.

Wie gehen Sie bei der Flächenplanung vor?

Die Basis für den Ladenbau ist eine neutrale Box. Eine Bühne, auf der die Einrichtung mit wenigen einfachen Handgriffen aufgestellt werden kann, aufgewertet mit grafischen Elementen. Diese Elemente kann ich in ein paar Monaten wieder verändern, rausnehmen und durch andere ersetzen.

Das setzt voraus, dass der Händler laufend in seine Ladenausstattung investiert. Halten Sie das für realistisch?

Bei Neuinvestitionen in eine Filiale bieten wir unseren Kunden sogenannte dynamische Renovationsbudgets an: Nach der Erstinvestition werden bei einer Großfläche zum Beispiel jedes Jahr 80.000 bis 100.000 Euro neu investiert, um einen Teil des Marktes umzugestalten. Mit wechselnden Dekorations- und Oberflächenmaterialien lassen sich immer wieder neue Akzente setzen. Boden, Decke und Wände werden dabei neutral gehalten.

Lebensmittel-Discounter haben ihr Storedesign aufgewertet. Wie können die Supermärkte nun ihrerseits ihr Profil schärfen?

Je mehr die Discounter versuchen, in die Kernkompetenzen der Supermärkte einzugreifen, umso mehr werden sie Kosten- und Komplexitätsprobleme bekommen. Wir raten den Supermarktbetreibern, jetzt die nächsten Entwicklungsschritte einzuläuten und konsequent in Richtung Home-Meal-Replacement und gastronomische Angebote zu gehen. Bei einem aktuellen Projekt haben wir zusätzlich zu den 40 Laufmetern Frischetheke die gleiche Strecke für HMR-Produkte eingeplant. Das Ernährungsverhalten der Verbraucher hat sich geändert, und dementsprechend sollten die Supermärkte ihre Chance nutzen, mit Gastronomie Geld zu verdienen.

Mit der neu gegründeten Gesellschaft Gastro Intelligence ist Ihr Unternehmen in das Beratungsgeschäft einstiegen. Mit welcher Zielsetzung?

Wir möchten unsere Kunden aus dem Lebensmittelhandel dabei unterstützen, gastronomische Angebote gewinnbringend in den Filialen zu betreiben. Bei Großflächenanbietern ist ein Trend zu beobachten, Teilflächen für andere Zwecke als für den Verkauf zu nutzen. Leclerc in Frankreich zum Beispiel hat verstärkt Dienstleistungen auf die Fläche gebracht wie Reisebüros, Beauty oder Promotion-Flächen für Autohändler. In Kanada planen wir gerade mit einem Kunden eine Filiale, in die ein Ärztehaus integriert ist sowie eine Klinik mit 400 qm Fläche. In den nächsten Jahren wird es für den Handel immer mehr darum gehen, mit den Flächen zu arbeiten, als nur Sortimente zu verkaufen.