Die F-Gase-Verordnung ist ein Beitrag, um die Emissionen des Industriesektors bis zum Jahr 2030 um 70 Prozent (bezogen auf CO2-Äquivalente) gegenüber 1990 zu verringern. Für den Lebensmitteleinzelhandel als Betreiber von Kälte- und Klimaanlagen ergibt sich hieraus ein konkreter Handlungsbedarf. Jeder Lebensmittelkaufmann muss sich fragen: „Wie nachhaltig ist meine Kühlung“ und: „Entspricht meine technische Ausstattung den zukünftigen gesetzlichen Vorgaben?“

Während große Supermarktketten in den letzten Jahren zunehmend auf umweltfreundlichere Kältemittel in Kälteanlagen und Kühlgeräten umgestellt oder zumindest entsprechende Strategien entwickelt haben, ist die Situation bei kleineren Läden oft eine andere. Das Wissen über die technischen Details der Kälteanalagen, zum Beispiel mit welchen Kältemitteln sie betrieben werden, ist bei den Ladeninhabern meistens nicht vorhanden. Sie verlassen sich bei der Investitionsentscheidung in Kälteanlagen stattdessen auf die Empfehlung von Kälte-Klima-Fachfirmen. Zusätzlich sind die Kosten, die bei der Umstellung bzw. Anschaffung neuer Geräte entstehen, eine große Herausforderung für die Betreiber kleinerer Läden. Aber auch die Kunden sind sich der Bedeutung der Kältetechnik und damit einhergehender klimaschädlicher Emissionen bisher kaum bewusst, sodass von dieser Seite wenig Druck ausgeübt wird. Hinzu kommen Sicherheitsbedenken gegenüber klimafreundlichen, natürlichen Kältemitteln.

In Deutschland verursacht der Lebensmitteleinzelhandel etwa 3 Prozent des gesamten Energieverbrauchs (Quelle: Blauer Engel, 2019). Geschäfte mit Lebensmittelverkauf haben einen bis zu circa 60 Prozent höheren Energieverbrauch als andere kommerziell genutzte Gebäude (Quelle: Dena 2016). Dabei ist die Kältetechnik laut Statista mit einem Anteil von circa 40 Prozent der größte Einzelfaktor. Bezogen auf den Quadratmeter Verkaufsfläche weisen kleine Lebensmittelmärkte gegenüber großen Märkten einen höheren Energieverbrauch auf.

Klimafreundliche Kältemittel

Das Projekt-Konsortium von „Refrigerants, Naturally! for LIFE“ besteht aus acht europäischen Partnern, darunter auch der Bundesverband Naturkost Naturwaren. Den Bio-Facheinzelhandel und Betreiber kleiner Lebensmittelläden für den Einsatz klimafreundlicher Technologien zu sensibilisieren, ist ein Hauptziel des Projekts „Refrigerants, Naturally! for LIFE“.„

Biofachhandel

Zu den kleinen Lebensmittelgeschäften zählt auch der deutsche Bio-Facheinzelhandel mit 2.516 Läden und einer durchschnittlichen Verkaufsflächengröße von 259 qm (Quelle: BNN 2017). Die Marktbedeutung der kleinen Lebensmittelgeschäfte inklusive Bio-Facheinzelhandel wird voraussichtlich auch in Zukunft erhalten bleiben aufgrund von Faktoren wie einer zunehmenden Verstädterung und einer zunehmend älteren Gesellschaft, die auf leicht zugängliche Einkaufsmöglichkeiten angewiesen ist. Das EU-finanzierte Projekt „Refrigerants, Naturally! for LIFE“ setzt gezielt bei den Betreibern von Bio-Läden und kleinen Lebensmittelgeschäften an. Die zweite Zielgruppe sind die Kälte-Klima-Fachfirmen, die bei Entscheidungen für neue technische Ausstattungen eine große Rolle spielen.

Eines der Hauptziele des im Juli 2019 gestarteten Projekts besteht in der Sensibilisierung der Betreiber und der Vertriebsorganisationen für klimafreundliche Kältetechnik und natürliche Kältemittel, zum Beispiel durch Konzeptionierung und Durchführung von Schulungen zu klimafreundlichen Alternativen. Des Weiteren sollen klimafreundliche Technologien vorangetrieben und technische Spezifikationen für den Einsatz nicht fluorierter Technologien mit natürlichen Kältemitteln entwickelt werden.

Befragung

Als erste Aktivität des Projektes werden Daten zum Einsatz von Kälte-, Klima- und Wärmepumpensystemen im kleinen LEH und Bio-Fachhandel erhoben, unter anderem durch Befragungen von Ladenbetreibern und Kälte-Klima-Fachfirmen. Ein Bericht mit ersten Ergebnissen wird im Frühjahr 2020 vorliegen und wird auch eine erste Abschätzung der Emissionen aus diesem Sektor beinhalten. Bereits in der Phase der Datenerhebung bestätigt sich für alle beteiligten Länder – neben Deutschland sind dies die Niederlande, Spanien und Portugal – die Annahme, dass viele Ladenbetreiber sehr begrenzte Informationen über die von ihnen betriebenen Kälteanlagen und verwendete Kältemittel haben und bisher noch keine konkreten Maßnahmen ergriffen haben.

Die Fachbetriebe selbst sind in der Regel gut über die Vorgaben der F-Gase-Verordnung informiert. Gleichwohl verfügen sie über sehr unterschiedliche praktische Erfahrung mit natürlichen Kältemitteln. Insbesondere bei älteren Mitarbeitern, die ihre Ausbildung unter anderen Rahmenbedingungen beendet und seither nur mit synthetischen Kältemitteln gearbeitet haben, besteht zurzeit noch ein hoher Schulungsbedarf.

Das „RefNat4LIFE“-Projekt unterstützt sowohl die Betreiber aus dem Handel als auch Kälte-Klima-Fachfirmen gezielt durch die Ausarbeitung von Informations- und Trainingsmaterialien, die online über die Projekt-Webseite zugänglich sein werden. So soll das Bewusstsein für gesetzliche Anforderungen, für vorhandene Trainingsoptionen und klimafreundliche Alternativen für technische Geräte gestärkt werden. Insbesondere im Bereich der steckerfertigen Kühlmöbel, die gerade für kleinere Läden interessant sind, bieten die Hersteller bereits Geräte an, die mit natürlichen Kältemitteln betrieben werden können.

Es ist vorgesehen, im Laufe des Projektes Musterläden in Kooperation mit Herstellern einzurichten, um so anhand von konkreten Praxisbeispielen Lösungsansätze anbieten zu können. So sollen kleine Lebensmittelgeschäfte dabei unterstützt werden, die EU-Klimaziele für 2030 effektiv und rechtzeitig zu erreichen.

Die Autorin ist Projektmanagerin bei der Heat GmbH in Königstein.