Was wird aus der Einkaufstüte? | stores+shops

Anzeige
{{{name}}}

Vorgeschlagene Beiträge

Anzeige

Papiertragetaschen werden oft als umweltfreundlichere Alternative zu Plastiktüten gesehen. (Foto: Zeichen & Wunder)

Was wird aus der Einkaufstüte?

Die EU hat eine Richtlinie zur Reduzierung des Plastiktütenverbrauchs erlassen. Wie wirkt sich diese bzw. deren nationale Umsetzung auf das Thema Tragetaschen insgesamt aus? Wie werden sich der Markt, die Konzepte der Händler und das Verhalten der Konsumenten ändern?

Die Verschmutzung der Weltmeere mit Plastikmüll und das sogenannte Littering, also die Unsitte, Abfälle im öffentlichen Raum achtlos wegzuwerfen, zählen zu den Umweltproblemen unserer Zeit. Als eine Maßnahme, diese anzugehen und zugleich Ressourcen zu schonen, haben sich die Mitgliedsstaaten der EU zum Ziel gesetzt, den Konsum von Kunststofftüten deutlich zu reduzieren.

„Maßgeschneiderte“ Papiertasche, hier für Shell (Foto: Bags by Riedle)

„Maßgeschneiderte“ Papiertasche, hier für Shell (Foto: Bags by Riedle)

Zurzeit verbraucht jeder Europäer im Durchschnitt 198 davon im Jahr. Ab 2020 sollen es „nur“ noch 90, ab 2026 pro Kopf 40 sein. Im Ländervergleich ist Irland, wo es eine Steuer auf Plastiktüten gibt, mit aktuell 18 Tüten pro Kopf Primus, Bulgarien mit 421 negatives Schlusslicht. Deutschland steht mit zuletzt ermittelten 71 Tüten je Einwohner recht gut da. Bernhard Sprockamp, Geschäftsführer des Industrieverbandes Papier- und Folienverpackung (IPV) schätzt sogar, „dass es derzeit nur noch 60 sind“. Sprockamp meint: „Allein durch die öffentliche Diskussion ist ein Rückgang des Verbrauchs spürbar.“

So gibt es als nationale Umsetzung der EU-Richtlinie auch lediglich eine Vereinbarung des Handels mit dem Bundesumweltministerium und kein Gesetz (siehe Interview). Ein Grund dafür, dass Deutschland einen vergleichsweise niedrigen Verbrauch hat, wird im „Tütengroschen“ gesehen, der im Lebensmittelhandel bereits seit Jahrzehnten auf freiwilliger Basis etabliert ist. Dieser Weg, Tüten nur gegen ein aus kartellrechtlichen Gründen individuell zu bestimmendes Entgelt abzugeben, soll nun auch im Nonfood-Handel eingeführt werden.

Saubere Weltmeere

Der Outdoor-Ausrüster Globetrotter zum Beispiel gibt Einwegtüten seit dem 1. April nur noch gegen einen Betrag von 20 Cent aus und unterstützt das Projekt „Meere ohne Plastik“ des Naturschutzbundes Deutschland (NA BU). Der Mode-Filialist Tally Weijl hat die Plastiktüte komplett verbannt und gibt jetzt auch Tragetaschen aus Papier nur noch gegen eine Gebühr von 20 Cent aus. 50 Prozent des Erlöses, so heißt es, gehen an das Meeresmüll-Projekt „Seekuh“ der Organisation One Earth– One Ocean. Auch der Modehändler Lengermann + Trieschmann aus Osnabrück führte zum 1. April eine Gebühr für Plastik- und Papiertüten in Höhe von 20 Cent ein und machte ein plakatives Bekenntnis zum Umweltschutz daraus: 4 Wochen lang stand die Schaufenster-Deko unter dem Motto „Saubere Weltmeere“.

Genutzte Plastiktüten pro Einwohner 2010 (Quelle: Europäische Kommission)

Genutzte Plastiktüten pro Einwohner 2010 (Quelle: Europäische Kommission)

Die SB-Warenhauskette Famila-Nordost hat die Selbstverpflichtung des HDE ebenfalls bereits unterzeichnet. Seit Langem sind dort sämtliche Taschen kostenpflichtig. Für Plastiktüten und Papiertragetaschen sind 20 Cent zu entrichten, darüber hinaus stehen Baumwolltragetaschen, Bigbags und Plastik-Klappkörbe zur Wahl. Eine Ausnahme bildeten die frei verfügbaren „Hemdchentragetaschen“ an den Self-Scanning-Kassen. Diese listete man Anfang des Jahres aus und informierte die Kunden per Plakat, dass es der Umwelt zuliebe keine Gratis-Plastiktüten mehr gibt. Parallel wurden die Mitarbeiter geschult. „Wir beobachten bei unseren Kunden ein immer größer werdendes Verständnis für die Thematik. Sie bringen zunehmend Taschen von zu Hause mit und nutzen Modelle, die häufig wiederverwendet werden können“, so Pressereferentin Solveig Hannemann.

Die Elektrofachhändler Media Markt und Saturn haben zunächst in einigen Test-Filialen Gebühren für Tragetaschen eingeführt. Ergebnis: „Der Tüten-Verbrauch reduzierte sich um mehr als 80 Prozent und wir erhielten sehr positives Feedback seitens unserer Kunden“, so eine Sprecherin des Unternehmens. Mittlerweile erheben alle Saturn- und Media Märkte Gebühren auf Plastiktüten, die je nach Markt und Tütengröße zwischen 5 und 50 Cent variieren. Sie sind zudem nur noch auf Nachfrage erhältlich. Zugleich werden den Kunden auch stabile, langlebige Permanenttragetaschen angeboten. Diese bestehen aus Recycling-PET und werden zwischen 1 und 1,50 Euro abgegeben.

Im hochwertigen Bereich sind Papiertragetaschen seit Langem erste Wahl. (Foto: Kröll Verpackung)

Im hochwertigen Bereich sind Papiertragetaschen seit Langem erste Wahl. (Foto: Kröll Verpackung)

Der Warenhauskonzern Galeria Kaufhof führte Anfang Mai eine Bezahlpflicht für Plastiktüten ein, 10 Cent für kleine und mittlere, 25 Cent für große Tüten. „Darüber hinaus wird es Mehrwegtragetaschen für 1,50 Euro und in begrenztem Umfang kostenlose Papiertüten geben“, so Pressesprecher Steffen Kern.

Kurt Schüler, Geschäftsführender Gesellschafter der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, prognostiziert: „Die Kunststofftragetaschen werden zwar merklich zurückgehen, es wird aber weiterhin eine substanzielle Menge im Markt sein. Die wichtigste Material-Verschiebung im Nonfood-Bereich wird die in Richtung Permanenttragetaschen sein. Bei Boutiquen spielt Papier bereits eine große Rolle, diese Tendenz wird sich nochmals verstärken. Endverbraucher werden sich überlegen, ob sie bereit sind, die Entgelte zu zahlen oder mitgebrachte Taschen nutzen. Generell halte ich es für wichtig, den Kunden Wahlfreiheit zu bieten.“

Möglichst ökologisch

Erkennbar ist auch der Trend zu möglichst ökologischen Lösungen. „Aktuell haben wir verstärkt Anfragen nach unseren Tragetaschen aus 100 Prozent Altpapier“, bemerkt Dirk Zeibig, Verkaufsleiter bei Nette Papier, Göttingen. Kröll Verpackung, Neuried, hat Plastiktüten mit „Blauem Engel“ ebenso im Programm wie Tragetaschen aus zertifiziertem FSC -Papier oder GOTS-zertifizierte Biobaumwolltaschen. Bags by Riedle, Langenbrettach, bietet Taschen aus klimaneutraler Produktion und mit FSC-Label an.

Starke Motive erhöhen die Chance auf Wiederverwendung einer Plastiktragetasche. (Foto: Kröll Verpackung)

Starke Motive erhöhen die Chance auf Wiederverwendung einer Plastiktragetasche. (Foto: Kröll Verpackung)

Doch das Thema ist komplex, wie die Deutsche Umwelthilfe auf ihrer Website aufzeigt. Tragetaschen aus Papier sind demnach aus ökologischer Sicht nicht unbedingt besser als solche aus Kunststoff, schon gar nicht, wenn letztere einen hohen Recycling-Anteil enthalten. Biologisch abbaubare Plastiktüten mit Anteilen nachwachsender Rohstoffe schneiden ebenfalls nicht so gut ab, wie man meinen könnte, und Mehrwegtragetaschen auch erst dann, wenn sie wirklich vielfach genutzt werden.

Für den Handel spielen Tragetaschen und Tüten eine wichtige Rolle als Werbeträger. Irmgard Hesse, geschäftsführende Gesellschafterin der „Brand Design Company Zeichen & Wunder“aus München meint: „Tragetaschen sind ein tolles Medium. Mit ihnen werden nicht nur Markenbotschaften kostenlos spazieren getragen, sondern gleichzeitig Erfolgsmeldungen kommuniziert: Schaut her, hier wurde gerade gekauft.“ Im Idealfall sind die werbetreibenden Transporthilfen Bestandteil eines durchgängigen Dachmarkenauftritts.

Die „Coupon Bag“ ermöglicht Cross-Selling-Kooperationen. (Foto: Bags by Riedle)

Die „Coupon Bag“ ermöglicht Cross-Selling-Kooperationen. (Foto: Bags by Riedle)

„Ein starkes Motiv oder die richtige Werbung führen dazu, dass Tüten als Werbeträger effektiv und eben kein Einweg-Wegwerfprodukt sind“, so sieht es Diana Kröll, Geschäftsführerin des Unternehmens Kröll Verpackung. Das Unternehmen Bags by Riedle produziert beispielsweise Tragetaschen in maßgeschneiderten Formen, ob als Blumenstrauß, Auto oder T-Shirt sowie die „Coupon Bag“. An dieser Tasche sind Coupon-Streifen angebracht, die die Kunden abtrennen und zum Beispiel bei Cross-Selling-Partnern einlösen können. Diana Kröll gibt zu bedenken: „Plastiktüten sind nur ein Einzelaspekt. Coffee-to-go, Fast-Food-Essensverpackungen und immer mehr Online-Bestellungen vermehren den Verpackungsverbrauch und den Verpackungsmüll enorm.“

Fotos: Zeichen & Wunder (1), Bags by Riedle (2), Europäische Kommission (1), Kröll Verpackung (2)

Kunststofftüten künftig nicht mehr kostenlos

In Deutschland wird die EU-Richtlinie Nr. 2015/720 durch eine Vereinbarung des Handels mit dem Bundesumweltministerium umgesetzt. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland HDE über Hintergründe und Inhalte.

Warum erachtet der Handelsverband Deutschland es als wichtig, eine gesetzliche Vorschrift zu vermeiden?

Wozu ein Gesetz, wenn wir in Deutschland schon heute weniger Tüten verbrauchen, als es die EU-Richtlinie für 2020 vorsieht? Bundesumweltministerin Hendricks hatte zudem von Anfang an signalisiert, eine freiwillige Lösung des Handels zu bevorzugen. Das deckt sich mit unserem Grundverständnis, unternehmerische Freiheit nicht unnötig durch Gesetze einzuschränken.

Was beinhaltet die Selbstverpflichtungserklärung und wann tritt sie in Kraft?

Die mit dem Bundesumweltministerium geschlossene Vereinbarung tritt zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft. Mit der freiwilligen Vereinbarung verpflichten sich alle teilnehmenden Unternehmen dazu, zukünftig keine Kunststofftüten mehr kostenlos an ihre Kunden abzugeben. Von der Bezahlpflicht ausgenommen bleiben lediglich sogenannten Hemdchenbeutel zum Beispiel für frische Lebensmittel sowie hochwertige Permanenttragetaschen. Teil der Vereinbarung ist überdies ein Monitoring des Tütenaufkommens. Verbräuche werden seitens der Unternehmen transparent gemacht und durch unabhängige Dritte überprüft. Ziel ist, dass innerhalb von zwei Jahren 80 Prozent der Kunststofftüten im Einzelhandel kostenpflichtig sein sollen, vom Start weg sind wir bei etwa 60 Prozent.

Im Lebensmittelhandel ist es seit Jahrzehnten Usus, Tragetaschen nur gegen Gebühr auszugeben. Warum tun sich andere Handelsbranchen schwer damit?

Tragetaschen sind eine wichtige Serviceleistung des Händlers für seine Kunden, von denen viele erwarten, dass sie für ihren Einkauf eine sichere und saubere Transportmöglichkeit zur Verfügung gestellt bekommen. An dieser Stelle einen Bewusstseinswandel herbeizuführen und für die umweltpolitische Weichenstellung zu sensibilisieren, gelingt nicht von heute auf morgen.

Medium Rectangle Technology 1

Anzeige

Produkt-News