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City-Logistik im Zeitalter des Multichannel-Retailing geht weit über die Belieferung von Handelsfilialen hinaus. (Foto: Fotolia / lassedesignen)

Wer vom Laden her denkt, wird verlieren

Dr. David Bosshart, CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Rüschlikon in der Schweiz, fährt keinen Schmusekurs mit dem stationären Handel, sondern will ihn wachrütteln, sich durch echte Innovationen der Konkurrenz des Online-Handels zu stellen. Das Wichtigste: Immer vom Kunden her denken.

Marktforschungsstudien prognostizieren dem Online-Handel für die nächsten Jahre zweistellige Zuwachsraten zulasten des stationären Handels. Wie beurteilen Sie die künftige Entwicklung des E-Commerce aus Sicht der Konsumentenforschung? Wird der Verbraucher von morgen noch in Ladenlokalen einkaufen?

Es steht nirgendwo geschrieben, dass Händler Läden zu betreiben haben. Gottlieb Duttweiler, einer der wichtigsten europäischen Einzelhandelspioniere, hat vor bald 100 Jahren mit Lastwagen als Verkaufsfläche begonnen, um Kosten zu sparen und Kundennähe besser umzusetzen, indem der Händler selbst in die Quartiere fuhr. Der bei den Konsumenten aktuell beliebteste Anbieter in Deutschland, den USA, Frankreich und England heißt – trotz allem – Amazon. Wer vom Laden her denkt, wird verlieren. Wer von den Konsumentenbedürfnissen her denkt, die sich immer mehr vom individuellen Umgang mit mobilen Geräten ableiten lassen, wird die Komplexität besser verstehen und bessere Konzepte entwickeln. Das heißt nicht, dass es keine Läden mehr braucht.

Was kann der klassische Handel tun, um seine Verkaufsstätten aufzuwerten und für Online-affine Kunden attraktiver zu machen?

Entscheidend ist, wer als Anbieter besser mit den gigantischen Datenmengen umgehen kann, die exponentiell wachsen. Wer besser Daten für seine Konsumenten aggregieren und automatisieren kann, wird überall Vorteile haben, denn er ist schneller, flexibler und hat geringere Kosten. Wer einen Laden hat, muss ihn emotional aufladen und Kunden entweder perfekte Convenience oder perfekte Produkte in einem hochwertigen Ambiente anbieten. Selbstständige Kaufleute, wie etwa im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH), die einen persönlichen und lokalen Kundenkontakt pflegen, haben hier einen schönen Vorteil. Denn sie sind Flexibilität und Anpassung gewohnt.

Wo sehen sie speziell für den Lebensmitteleinzelhandel Ansatzpunkte? Wie kann der LEH Verführung neu definieren?

Wenn heute die deutschen Lebensmittelhändler plötzlich die Gastronomie entdecken, muss ich schmunzeln. Der LEH ist heute in vielen Ländern noch eine „Insel der Glückseligen”, so haben wir es in unserer letzten LEH-Studie mit KPMG bezeichnet. Aber das ändert sich. Anbieter wie Eataly, mit heute international bald 20 großflächigen Läden, machen es vor, wie Handel und Gastronomie zusammen funktionieren können. Ein Prototyp für die Zukunft.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Perspektiven der großflächigen Lebensmittelanbieter wie SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte?

Der Zyklus der traditionellen Großflächenanbieter neigt sich ähnlich wie derjenige der traditionellen Warenhäuser dem Ende zu. Es sind „Zeitvernichtungsmaschinen“ geworden. Frankreich als Ursprungsland der großen Hypermarchés bietet gutes Anschauungsmaterial – daher boomen dort Drive-in-Formate. Etwas drastisch, aber wohl korrekt können wir für die Großflächen die Prognose wagen: Nur noch Leute, die zwar endlos Zeit, aber kein Geld haben, werden darin zu finden sein.

Die zunehmende Digitalisierung stellt viele Handelsunternehmen vor Probleme. Haben Sie eine Empfehlung, wie der Handel mit „Big Data” umgehen soll?

Um ein Zitat von Bill Gates abzuwandeln für den Handel: Wir brauchen keine Banken, wir brauchen Banking. Wir brauchen keine Händler, wir brauchen die Funktion des Handels. Die Mutigen werden in einem komplexen Umfeld eine bessere Lernkurve haben als die, die immer warten, bis dann einmal ein anderer kommt, der etwas wagt, und dem man ja zuerst einmal beweisen will, dass es sowieso nicht geht. Was kommt, hat immer weniger mit dem zu tun, was ist. Nur merken das viele zu spät. Gut für die Innovativen, die heute meist aus anderen Branchen kommen, weil sie unbelastet an die Projekte herangehen. Ich erwarte daher auch keine Revolution von innen, sondern von Quereinsteigern. Große Konzerne machen Innovationen meistens zunichte, bevor sie umgesetzt werden, da der Mindset nicht stimmt. So war Nestlé etwa klug genug zu erkennen, dass Nespresso nur Erfolg haben wird, wenn es außerhalb der Konzernstruktur entwickelt wird.

Neben der Digitalisierung ist die zunehmende Komplexität ein weiterer Mega-Trend im Handel. Sehen Sie Raum beziehungsweise Ansatzpunkte für einen Gegentrend?

Sie sprechen hier vor allem auch das Thema Sortimentsreduktion an: Das ist ein Dauerbrenner, der alle 10 bis 15 Jahre wieder die Fachpresse und die Beratertaschen füllt. Sobald sich niemand mehr Sorgen um sein täglich Brot und ein Dach über dem Kopf machen muss, werden die Wünsche praktisch endlos. Doch leider wachsen mit den Artikelzahlen auch exponentiell die Kosten. Von daher ist der von Götz Werner unermüdlich zitierte Satz „Handel entsteht, wo Mangel und Überfluss ist“ richtig.

Fotos: Fotolia / lassedesignen (1) und Gottlieb Duttweiler Institut (1)

Weitere Informationen: www.gdi.ch/gdi-forscher

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