Ladezeit ist Wartezeit. Das Auftanken von E-Autos dauert selbst an Schnellladesäulen etwa 20 Minuten. Im Endeffekt verschenkte Zeit. So ist es kein Wunder, dass die Betreiber von Tankstellen und Ladeparks sich darüber Gedanken machen, wie sie die Aufenthaltsqualität an Ladeparks für die Kundschaft angenehmer gestalten und gleichzeitig zusätzliche Einnahmen generieren können. Eine Möglichkeit ist das Angebot von Convenience-Produkten, die direkt am Standort in einem 24/7-Smart-Store bereitgestellt werden: zum Beispiel Lebensmittel, Snacks, Getränke, Eis oder Hygieneartikel – rund um die Uhr verfügbar, ganz ohne Personal. Der Zugang erfolgt über den Scan der Bankkarte, bezahlt wird bargeldlos am Self-Checkout oder kassenlos nach dem Grab & Go-Prinzip.
Dass dieses Angebot den Nerv der Zielgruppe trifft, zeigt eine Studie von Bormann & Gordon: Demnach wollen 68 Prozent der Ladekund:innen während der Wartezeit am E-Ladepark etwas essen oder trinken. 39 Prozent wollen etwas einkaufen. Und genau die Hälfte wünscht sich ausdrücklich einen Smart Store am Ladepunkt.
Ein weiterer Treiber der Entwicklung hin zu 24/7-Konzepten ist der Personalmangel an Tankstellen. Betreiber haben zunehmend Probleme, die langen Öffnungszeiten mit Personal abzudecken. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, ist die Umstellung von einer bemannten Tankstelle auf 100 Prozent Selbstbedienung mit Bezahlautomat. Für die Betreiber stellt sich dann allerdings die Frage, wie das bisherige Shop-Angebot noch bereitgestellt werden kann. Eine Möglichkeit, dieses Kundenbedürfnis zu befriedigen, ist die Einrichtung eines unbemannten 24/7-Stores. Ein aktuelles Beispiel ist die kürzlich eröffnete Automatenstation der BK Benzin Kontor im bayerischen Bruckmühl.
Wartezeit nutzen

KI-basierte Smart-Fridge- Technologie im Smart Store von Lekkerland am Ladepark Lichtenau
Foto: Lekkerland/Charlotte Sattler
„Quik24“ heißt der begehbare Container. Er bietet auf neun Metern Länge ein Sortiment aus rund 250 Convenience-Artikeln an, darunter auch alkoholische Getränke, die über eine intelligente Smart Fridge-Funktionalität mit Altersverifikation verkauft werden. Käufer:innen identifizieren sich am Eingang mit ihrer Bankkarte oder dem Smartphone, bezahlt wird an einer Self-Checkout-Kasse. „Quik24“ ist ein Angebot der MCS-Verbundgruppe an ihre Mitglieder aus dem Convenience- und Lebensmittelgroßhandel. Deren Kunden sind u. a. Betreiber von Tankstellen und Ladestationen.
Unbemannte Tankstellen können je nach Standort auf 200 bis 400 Tankungen pro Tag kommen. Eine Frequenz, die ausreichen sollte, einen 24/7-Store wirtschaftlich zu betreiben.
An Schnellladeparks ist die Frequenz derzeit noch ausbaufähig. Mit Blick auf den Vormarsch der E-Mobilität wird sich das aber ändern: Bis 2030 soll die Anzahl öffentlicher Ladepunkte von derzeit 162.000 auf eine Million ansteigen. 24/7- Smart-Store-Konzepte sind für die Betreiber von Ladeparks daher vor allem eine Option auf die Zukunft. Das sieht auch Lekkerland so. „Ladeparks haben das Potenzial, Standorte für die Unterwegsversorgung zu werden,“ sagt Lekkerland-Manager Mehmet Tözge. Aktuell betreibt der Großhändler 24/7-Smart-Stores an fünf Ladeparks – mit unterschiedlichen Lösungen.
20 Testinstallationen
Die DHBW Heilbronn listet in ihrem neusten Whitepaper „Smart Stores 24/7 und Tankstellen/E-Ladeparks“ 20 Test-Installationen auf. Mit Grab & Go, Self-Checkout, RFID, Smart Fridge und Robotics kommen Technologien zum Einsatz, die allesamt von anderen 24/7- Smart-Store-Konzepten bekannt sind. Welche Konzepte sich durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Das Potenzial erscheint auf jeden Fall groß. Hinzu kommt, dass die Diskussion um die Sonntagsöffnung von unbemannten Smart Stores 24/7 für Tankstellen nicht relevant ist, da diese in den Ladenöffnungsgesetzen der Bundesländer als eine Ausnahme angesehen werden. „Die E-Mobilität und die damit verbundene längere Aufenthaltsdauer beim Laden werden die Anforderungen der Kundinnen und Kunden an einen Tankstellenshop der Zukunft signifikant verändern,“ prognostiziert Studienautor Dr. Stephan Rüschen von der DHBW Heilbronn.
Erste Erfahrungen aus den Testinstallationen möchten die Betreiber für sich behalten. Einblicke in das Umsatzranking von „Quik24“ in Bruckmühl gab BK-Tankstellenchef Philip Arner auf den Retail Innovation Days der DHBW Heilbronn. Bestseller sind Fleisch- und Wurstwaren eines lokalen Metzgers, gefolgt von der Biermarke „Augustiner hell“. Ebenfalls interessant: Kondome der Marke „Billy Boy“ erzielten mehr Umsatz als Coca-Cola 0,5 Literflaschen und Schwangerschaftstests wurden öfter verkauft als „Kinder Schoko-Bons“ und Snackprodukte von „Be-Kind“.
Standortspezifische 24/7-Konzepte
Mehmet Tözge, Vice President Smart Stores, Lekkerland
Herr Tözge, Lekkerland betreibt aktuell Smart Stores an fünf Ladeparks. Welche technischen Lösungen kommen zum Einsatz?
Unser Smart Store am EnBW-Ladepark am Kamener Kreuz nutzt die KI-basierte Computer Vision Technologie. Kameras erfassen, welche Produkte die Kund:innen entnehmen, die Bezahlung erfolgt automatisch durch Abbuchung bei Verlassen des Stores. Beim Rewe To Go Smart Store am Aral in Mönchengladbach und am Ladepark Lichtenau in Chemnitz kommt die KI-basierte Smart Fridge-Technologie zum Einsatz. Dazu kommen die beiden Automatenstandorte mit Robotics-Technologie in Bispingen und Rostock.
Warum diese Konzeptvielfalt?
Wir sind überzeugt, dass „One size fits all“ nicht funktioniert. Unterschiedliche Standorte erfordern unterschiedliche Lösungen.
Was sind die wichtigsten Learnings?
Für uns ist entscheidend, dass Smart Stores – unabhängig vom Standort – mindestens drei Kriterien erfüllen: Die Technologie muss zuverlässig sein und von den Konsument:innen akzeptiert werden – und der Betrieb der jeweiligen Lösung muss wirtschaftlich rentabel sein. Daneben berücksichtigen wir auch Faktoren wie zum Beispiel das Diebstahlrisiko an einem Standort.
Wie hoch ist der Erfüllungsgrad?
Bislang erfüllt keiner unserer Smart Stores an Ladeparks alle Kriterien. Vor diesem Hintergrund setzen wir die Entwicklung und Erprobung fort.