„Mit Fototapete aus dem Baumarkt hat das Digitalvlies nichts zu tun“, sagt Wolfgang Polarek, Projektleiter bei Stiefel Digitalprint, dem Unternehmen, das die Tapeten im Shopping-Center A10 gedruckt und tapeziert hat – insgesamt 5.000 qm. „Unsere Tapeten sind individuell gefertigt, also Unikate, mit eigens erstellten Motiven und Druckdaten“, so Polarek. Die Motive basieren auf dem vom Betreiber ECE neu entwickelten Branding für das A10-Einkaufszentrum. Die Grundlage für die Motive bildet die örtliche Lage des Projektes: die Nähe zu Berlin sowie die Umgebung mit Dahme-Spreewald, Barnim und Oberhavel. Die für diese Orte stehenden Merkmale wurden zu Grafiken abstrahiert wie etwa Potsdam mit dem Schloss Sanssouci und das Studio Babelsberg.
Stiefel bereitete die Druckdaten für den großformatigen Digitaldruck auf. Bedruckt wurden gleichzeitig, also parallel, drei jeweils 1,50 m breite Bahnen des glatten Digitalvlieses des Herstellers Erfurt. Aus der 5 m breiten Druckmaschine kamen dann die 5 und 9 m langen Bahnen. Um mit den Digitaldrucktapeten vor Ort besser arbeiten zu können, wurden diese vorher in 70 cm breite Bahnen geschnitten. Vor dem Tapezieren haben Handwerker den Untergrund, geputzter Gipskarton der Güte Q3, mehrfach plan geschliffen. Rauer, unsauberer Untergrund hätte Abdrücke im Vlies verursacht, und Unebenheiten oder Verschmutzungen wären sichtbar gewesen. Tapeziert wurde in Wandklebetechnik, bei großer Innenraumwärme wurde zusätzlich auch die Tapete eingekleistert. Die Übergänge wurden im Doppelnahtschnitt mit Spezialklingen durchgeführt. Der extrem feine Schnitt hat exakt im 90-Grad-Winkel zu erfolgen, damit keine weißen Linien an den Übergängen sichtbar sind.
Tapezieren auf 3 Etagen
„Die Oberflächenqualität muss makellos sein, ein beschädigter Gipskarton zieht deshalb einen komplett neuen Trockenbau nach sich“, erläutert Wolfgang Polarek. „Zudem muss die Grundierung so beschaffen sein, dass das Digitalvlies zwar jahrelang hält, es sich aber dennoch in kompletten Bahnen trocken und sauber wieder abziehen lässt. Bei der notwendigen hohen Oberflächenqualität kann man bei einem Motivwechsel nicht mit der Spachtel drangehen.“
Damit die Besucher des Shoppingcenters nicht von herunterfallenden Gegenständen verletzt wurden, fanden die Tapezierarbeiten immer nur abends nach der Schließung statt. Die Hauptarbeitszeit fiel also in die Nacht, und die Tapezierer arbeiteten in bis zu 12 m Höhe. Dabei standen sie auf drei Steigern übereinander, um die 5 bzw. 9 m langen Bahnen sauber und mit exakt passenden Übergängen anzubringen. Selbst bei der 155 m langen Ellipse schloss die letzte Bahn exakt an die erste an. Allein in der Ellipse wurden fast 800 qm Digitalvlies verklebt. Bei den Materialien galt es, die in öffentlichen Gebäuden strengen Brandschutzauflagen einzuhalten. Jeder Stoff für sich und alle Stoffe zusammen mussten genauen Bestimmungen entsprechen, von der Grundierung und dem Kleber über das Digitalvlies mit dem Coating bis zur Farbe und dem Lack.
Hinzu kam, dass der Auftraggeber ECE nachhaltiges Bauen gemäß der Richtlinien der DGNB verlangte. So wurden sämtliche Materialien auf flüchtige Inhaltsstoffe hin untersuchen und darauf, ob sie bestimmte Grenzwerte übersteigen. Der Gehalt flüchtiger organischer Stoffe (VOC), die in die Umwelt gelangen, lag bei allen Einzelmaterialien sowie beim Materialverbund immer im zulässigen Bereich. Für ECE stand die Entscheidung, bei der Gestaltung des Shopping-Centers Tapeten zu verwenden, frühzeitig fest. Mark Gurney, Director Creative Design bei ECE in Hamburg, sagt: „Das bedruckte Digitalvlies kann fünf bis sechs Jahre an den Wänden bleiben. Danach wird neu tapeziert.“ Auch wenn der Digitaldruck grellem Licht und UV-Strahlung ausgesetzt ist, bleibt die Farbintensität laut Stiefel Digitaldruck über diesen Zeitraum erhalten. Die Vliestapete halte mechanischer Belastung stand und könne Risse überbrücken. Wolfgang Polarek: „Es gibt keine Farbverwischungen, und mit einem entsprechenden Schutzlack ausgestattet, hält die Tapete Stößen stand, die auch von harten Gegenständen wie Stühlen oder Koffern stammen können.“ „Werbe- und Marketingkonzepte von heute tendieren immer mehr zu Lokalkolorit“, meint Mark Gurney, „der Kunde möchte einen lokalen Bezug haben.“ Digitaldrucktapete mit Motiven aus der Region stellt eine Alternative zu großen weißen Wandflächen dar. Im A10 sind zum Beispiel der Reichstag, eine Berliner Straßenbahn und der Alexanderplatz zu sehen.
Fotos (3): ECE, A 10 Center, Berlin
Weitere Informationen: www.a10center.de
Tapeten aus Digitalvlies
Laut Hersteller Erfurt enthält das Digitalvlies keine Weichmacher und dünstet keine gesundheitsschädlichen Aromaten und Acrylate aus. Das Vlies wird gefertigt auf der Basis von Zellstoff- und Textilfasern, gemischt mit polymeren Bindemitteln. Laut Hersteller ist das Material PVC-frei. Das Digitalvlies ist bei der Neschen AG erhältlich. Das Vlies erhält ein Coating, damit es im Inkjet-Verfahren bedruckt werden kann.