Bei Redaktionsschluss ließ der Frühling weiter auf sich warten. Wohl den Einzelhandelsunternehmen, denen es schon jetzt mittels ihrer Schaufenster- und Instore-Dekorationen gelang, die Sehnsüchte der Verbraucher nach dem Erblühen der Natur und nach warmen Sonnenstrahlen zu befriedigen.
Das Unternehmen Heinrich Woerner zum Beispiel, nach eigenen Angaben Europas größtes Versandhaus und Großhändler für Dekoration, hat Blüten aus Papier in großer Farbvielfalt mit und ohne Majolika-Druck im Programm. „Der Dekorations-Trend geht in diesem Frühjahr/Sommer in Richtung Leichtigkeit, Frische und Transparenz“,
heißt es bei Heinrich Woerner.
Mareike Wittko, Trendscout und Gestalterin für visuelles Marketing bei der Barthelmess Group in Fürth, kündigt an: „Es wird bunt, spaßig, verspielt, überraschend und surreal. Der Konsument hat das Verlangen nach Verführung, Verzauberung und Überraschung, wünscht sich raus aus der teilweise harten Realität. Er erfreut sich an der Erschaffung neuer Welten und möchte im Zeitalter der Reizüberflutung mit allen Sinnen angesprochen werden.“
Dem Alltag entfliehen
Barthelmess setzt als ein zentrales Thema auf „Gaming“. „Es geht darum, Spaß zu haben, die Unbeschwertheit des Spiels zu genießen, mal wieder ein bisschen Kind sein zu können“, erklärt Mareike Wittko.
Und so halten überdimensionale Spiele als Dekorationsmaterial Einzug an die POS: „Scrabble“ oder „Malen nach Zahlen“, mit denen heutige Middle-Ager groß geworden sind, feiern in neuer Optik Renaissance. Auch optische Täuschungen hat Barthelmess im Angebot: Das können Neonfarben und Neonlicht kombiniert mit Schwarz und spiegelnden Oberflächen sein. „Als eine dritte starke Inspirationsquelle der Saison sehen wir das Thema Hippie und Flowerpower – überhaupt die ganze Ästhetik der 70er-Jahre“, sagt Mareike Wittko.
Elke Freudenberg und Nicole Weis, Inhaberinnen der Visual-Merchandising-Agentur VM2 aus Mönchengladbach, bestätigen: „Mittelpunkt des Hippie-Trends ist das Aufleben sozialer Werte wie Teilen, Ehrlichkeit, Liebe und Freundlichkeit. Easy-going ist angesagt, das Leben bewusst genießen. Über Inszenierungen werden Camping-Freiheitsgefühl oder Summer-Party-Atmosphäre geschaffen. Blumenmotive spielen eine große Rolle.“
Schwarz-weiß trifft Farbe
Farblich gibt es in dieser Saison zwei Strömungen, so Tile Neyang, Projektleiterin Visual Merchandising bei Dioma im schweizerischen Bern: „Auf der einen Seite starke Primär- und Pastellfarben, darunter Gelb, Orange, Rot und Blau, auf der anderen Seite geometrische schwarzweiße Op-Art-Muster.“ Elke Freudenberg verweist zudem auf Glanzeffekte in Gold und Silber, „die mit der Sonne um die Wette leuchten“. Die Hauptfarbe in diesem Sommer ist für Tile Neyang „Smaragdgrün. Die Stichworte dazu sind Regenwald, Amazonas, Hochsommer-Feeling. Die Strukturen von Palmen und farbenprächtige Muster aus Flora und Fauna spielen eine große Rolle in den Präsentationen.“
„Back to Nature“ – dieses Motto hat auch die neue Kollektion des Dekorations-Spzialisten Nic Duysens mit Firmensitz in Wiehl maßgeblich beeinflusst. „Wir verkaufen Stimmungen“, so der kreative Großhändler. Die aktuellen Dekorations- und Interieur-Produkte, die von Hölzern, Blattwerk und heimischen Tieren geprägt werden, rufen Assoziationen an einen Waldspaziergang hervor und lassen dem Betrachter „Freiraum für klare Gedanken und Entspannung“. Einfache Formen sowie modernes Design treffen auf handwerkliche Raffinessen und spiegeln die Vielfalt der Natur wider. Ein Trend, der sich bei Nic Duysens auch im kommenden Herbst/Winter fortsetzen wird.
Natur und Nachhaltigkeit
Da ist das Thema Nachhaltigkeit, mit dem sich inzwischen auch die Dekorations-Branche intensiv beschäftigt, nicht weit: Heinrich Woerner beispielsweise bietet eine umfangreiche Kollektion an sogenannten Global&Fair-Produkten an. Auch Barthelmess ist aktiv: „Die Nachfrage nach nachhaltigen Visual-Merchandising-Lösungen steigt stetig und spürbar. Ein Beispiel: Ein großer Filialist fordert von uns nicht nur unter nachhaltigen Bedingungen gefertigte Produkte, sondern wünscht sich überdies die komplette Abholung und das fachgerechte Recycling der Materialien seiner Kampagnen“, teilt Mareike Wittko mit.
Tile Neyang von Dioma rät angesichts der großen Auswahl an Materialien und Produkten: „Wichtig ist, dass sich Einzelhändler auf das Wesentliche konzentrieren, die visuelle Identität ihres Geschäftes nicht verlieren und ihre Einzigartigkeit hervorheben. Es gilt, eine Handschrift zu entwickeln und diesen roten Faden konsequent weiterzuführen.“ Reduktion auf das Wesentliche, lautet Neyangs Devise. „Anstatt eines visuellen Overkills durch Deko-Requisiten sollte die Ware die Hauptrolle spielen und mit den richtigen Hilfsmitteln emotional und attraktiv präsentiert werden.“
Fotos: Woerner (2), Barthelmess (2), Nic Duysens (1)
Mutiger agieren
Elke Freudenberg, Geschäftsführerin von VM2 aus Mönchengladbach, über die Entwicklung und Potenziale des Visual Merchandisings im Einzelhandel.
Über Jahre hinweg gab es die Tendenz, dass der Handel bei seinen Dekorationsabteilungen einsparte und das Thema mitunter vernachlässigte. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Es findet gerade ein Umdenken statt, was die Bedeutung der Inszenierung angeht – angestoßen durch die Online-Konkurrenz. An erster Stelle steht, die Philosophie der Marke beziehungsweise des Stores erkennbar zu machen. Um Sehnsüchte zu wecken und Wünsche zu erfüllen, bedarf es ausgefallener, faszinierender Schaufenster- und Instore-Konzepte, die eine Story erzählen. Das muss nicht immer mit einem riesigen Budget verbunden sein, vielmehr ist individuelle Kreativität gefragt.
Ist der Handel in dieser Hinsicht bereits engagiert genug?
Die Schaufenster werden oftmals zu stiefmütterlich behandelt, dabei schaffen sie die erste emotionale Verbindung zu den Kunden. Wichtig ist zu vermitteln, dass man nicht nur Produkte, sondern ein Image, respektive einen Lifestyle verkauft.
Welchen Rat geben Sie den Verantwortlichen des stationären Einzelhandels?
Wenn es für große Budgets keinen Spielraum gibt, empfehle ich, lieber langlebigere Inszenierungen vorzunehmen, die aber dann wirklich Aufmerksamkeit wecken, und innerhalb dieser Bühnenbilder immer wieder kleinere Veränderungen vorzunehmen. Das ist besser, als alle zwei Wochen mit komplett neuen, dafür aber lieblosen Dekorationen aufzuwarten. Um aufzufallen und aus dem heutigen Einheitsbrei der Gestaltungen hervorzustechen, sollte insgesamt mutiger agiert werden. Ist intern die Manpower nicht vorhanden, können sich die Retailer an Spezialisten wie uns wenden. Wichtig: Sie sollten zuvor Markenversprechen, Produktaussage und Zielgruppe ihres Stores ganz genau definieren.