Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das gilt für alle Verhaltensweisen und so auch für das Einkaufen. „Menschen werden ihre Gewohnheit verteidigen und in Deutschland sogar bis aufs Messer“, sagt Karsten Schaal, Gründer und Geschäftsführer des Online-Supermarkts food.de. Dem 37-Jährigen war daher klar, dass deutsche Verbraucher sich nicht von heute auf morgen überzeugen lassen würden, sich frische Lebensmittel per Direktlieferungsservice bis an die Haustür liefern zu lassen. Doch ließ ihn die Frage nicht los, wie lange es wohl noch dauern wird, bis Kunden ein Lebensmittelangebot im Netz suchen, wenn sie es doch schon schätzen, Bücher übers Internet zu bestellen?
Diese Annahme trügt nicht, denn seit food.de im Jahr 2011 an den Start ging, weiß Schaal anlässlich des Multichannel Management Kongresses in Köln von durchschnittlich 36 Prozent Wachstum im Monat zu berichten. In seinem Online-Supermarkt können Kunden Lebensmittel aus über 10.000 Artikeln auswählen und Fleisch, Milchprodukte, Obst und Drogerieprodukte noch am selben Tag in 26 deutschen Ballungszentren-Städten wie Berlin, Köln und Frankfurt am Main geliefert bekommen. Dabei stehen Kunden werktags von 8 bis 22 Uhr sechs frei wählbare Lieferfenster zur Verfügung. Erfahrungsgemäß bestelle der Durchschnitts-
käufer 2,7 Mal im Monat und ein Einzel-
bestellungs-Warenkorb inklusive Fleisch bringe dem Unternehmen 84 Euro ein. Einen Mindestbestellwert gibt es bei food.de nicht. Bezahlen lässt sich über Guthaben, Sofortüberweisung, PayPal oder EC-Karte.
Bislang werden mit Berlin, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Neuss, Leverkusen und Leipzig sieben deutsche Großstädte beliefert. In Kürze soll das Angebot auf das gesamte Rheinland und auf weitere deutsche Städte ausgedehnt werden. „Aber wir konzentrieren uns weiter auf unsere Nische und werden den klassischen Händler nie ersetzen“, schränkt Schaal ein. Ein Grund dafür sei, dass Lebensmittel auf der Internet-Plattform nicht preisgünstiger sind als im stationären Handel. Online finde der Einkauf aber überlegter statt und es gebe einen erkennbaren Trend zu Käufern, die sich etwas gönnen wollen. Diese akzeptierten auch die Direktlieferungs-Gebühr von 5 Euro, obwohl diese noch nicht alle Kosten für Mitarbeiter und eigene Lieferfahrzeuge decke. „Uns gelingt es mit der Anlieferung durch unsere Fahrer allerdings auch, einen direkten Kundenkontakt herzustellen“, schildert Schaal stolz. Und falls ein Artikel einmal nicht lieferbar ist, bringen Fahrer ein Alternativprodukt mit. Diese Form des Reklamations-Managements führe zu weniger als 1 Prozent Beanstandungen.
Bei Lebensmittel-Lieferung sind Zeitfenster wichtig
Deutsche Post DHL hat das Potenzial im Bereich Lebensmittelversand erkannt, sich Ende 2011 am Internet-Lebensmittelhändler „allyouneed.com“ beteiligt und diesen inzwischen mehrheitlich übernommen. In der Logistik für E-Commerce mit Lebensmitteln sieht Dr. Ole Nordhoff, verantwortlich für die Marktentwicklung Paket bei DHL, sogar ein zusätzliches Wachstumspotenzial in einer etwas größeren Nische: „Wir glauben, dass das Thema ausgerollt werden muss, pilotieren deshalb im Ballungsgebiet Köln momentan mit 10 Versendern, die allerdings nicht nur Lebensmittel im Angebot haben, und wollen sukzessiv weitere Ballungsgebiete aufschalten.“

Lebensmittel online zu bestellen spart Zeit: durchschnittlich zwei Stunden in der Woche - wenn Parkplatz- und Artikelsuche sowie das Tütenschleppen nach Hause wegfallen. (Foto: allyouneed.com/DHL)
Die wichtigste Erkenntnis sei, dass Lebensmittel online zu verkaufen nicht so funktioniert wie der Verkauf von Nonfood-Artikeln. Zum Beispiel sei dafür in einem Webshop keine Preissuchmaschine notwendig, weil wohl kaum ein Verbraucher nach dem günstigsten Joghurtpreis fahndet. Aufgrund einzuhaltenden Mindesthaltbarkeitsdaten komme allerdings auch der Frage „Wie picke und packe ich FMCG?“ eine zentrale Bedeutung zu. Ein dritter unbedingt zu berücksichtigender Punkt für einen Zustelldienst dreht sich um die Frage „Wie liefere ich aus beziehungsweise muss das Produktportfolio erweitert werden?“
Die Abteilung Marktentwicklung Paket DHL fand für sich heraus, dass es Kunden weniger darauf ankommt, ob sie eine Ware sofort zugestellt bekommen. Für Privatpersonen sei vielmehr von Bedeutung, dass planbar ist, in welchem Zeitfenster die Zustellung erfolgen wird. „Für uns ist immens wichtig, dass die Zustellung beim ersten Zustellungsversuch klappt“, unterstreicht Nordhoff. Ein Kernelement des Pilotprojekts – auch um einen kostengünstigen Transport zu gewährleisten – ist daher die sogenannte „Feierabend-Zustellung“.

Was Verpackungslösungen für die Zustellung von Lebensmitteln angeht, ist bereits eine steile Lernkurve sichtbar.
Der Konzern befasse sich mit der Logistik zum E-Commerce unter dem Hauptaugenmerk der Marktentwicklung. Damit daraus keine falschen Schlüsse gezogen werden, stellte Nordhoff gegenüber den Kongressteilnehmern umgehend klar: „Keine Angst, wir wollen nicht Retailer werden.“ Er habe sich mit seinen Mitarbeitern allerdings vorgenommen, durchaus einen langen Atem zu beweisen und wolle nicht in ein bis zwei Jahren wieder damit aufhören, die Grund-
versorgung von vielen Konsumentengruppen sicherzustellen, die sich aus einer breiten Vielfalt von diätetischen oder glutenfreien Lebensmitteln ernähren möchten. Die bisher erhaltenen Rückmeldungen waren auch bei frischen Produkten wie Obst durchaus positiv. „Zudem ist es selbstverständlich angenehm, schwere Artikel wie Wasserflaschen geliefert zu bekommen“, sagt Nordhoff, „weshalb sich Leute bestimmt auch an diesen Komfort gewöhnen werden.“ Spannend bleibt, wer die Chance des Onlinehandels bei Lebensmitteln ebenfalls nutzen wird.
Weitere Informationen: www.food.de und www.allyouneed.com