Wie sehr werden die digitalen Innovationen künftig den Shopping-Alltag verändern? Was wollen die Menschen in Zukunft? Was sind ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse? Wie muss Kommunikation beschaffen sein, damit sie im Markt erfolgreich ist? Wie spricht der Handel die Sinne des Menschen an, wie wird die Lust zum Kauf geweckt? Kommt der Kunde auch künftig noch ans Regal, oder bedeutet die rasante Entwicklung des Online-Shoppings das Ende des stationären Handels?
Das EHI Retail Institute hat gemeinsam mit führenden Marketingexperten aus Handel, Medien und Dienstleistern ein Szenario aus 8 möglichen Zukunftsbildern entwickelt. Sie lassen die Lebenswelten der Konsumenten von morgen lebendig werden, indem sie alternativ denkbare Shopping- und Kommunikations-Situationen der Zukunft beschreiben aufgrund von wichtigen Schlüsselfaktoren. Dazu zählen die Wertehaltung der Konsumenten, die Mediennutzung, das Einkaufsverhalten und die Markentreue. Welche Konsequenzen all das für die Kommunikation des Handels bis zum Jahr 2025 hat, beschreiben die 8 Szenarien.
Handel als Entertainment
2025 klingt so weit entfernt, dass man versucht ist sich vorzustellen, dass wir den stationären Handel dann höchstens noch im Museum besuchen können. Doch das Jahr 2025 liegt gerade mal 11 Jahre entfernt. Und obwohl sich die Experten einig sind, dass die Digitalisierung den Alltag der Menschen weiterhin nachhaltig verändern wird, zeigen die 8 Szenarien, dass der Handel in den Lebenswelten der Kunden von morgen unterschiedliche Rollen einnehmen kann.
So wird es kritische Verbraucher geben, denen statusorientierte Marken völlig egal sind. Für sie zählt nur das Preis-Leistungsverhältnis. Andere – die Wertorientierten – werden neue Geschäftsmodelle verlangen, weil sie ihre Produkte lieber mieten statt kaufen wollen. Wieder andere, die „Cyberflaneure“, absolvieren einen großen Teil ihrer Shopper-Journey in den digitalen Welten. Während der Cyberflaneur dem Online-Shopping den Vorzug gibt, gibt es wiederum andere Konsumententypologien, die den stationären Handel auch künftig schätzen – wenn der Handel ihre Anforderungen erfüllt, ihnen zum Beispiel Unterhaltung bietet.
Der Genusskäufer ist ein Beispiel dafür. Er liebt die theatralische Inszenierung auf der Fläche genauso wie „seine“ Marke. Kampfpreise lassen diesen Kunden des „Küss mich, berühr mich, verführ mich“ genannten Szenarios kalt. Wofür sie sich jedoch erwärmen, sind Erlebniswelten beim Einkauf, vor allem im Store, aber auch im Internet. Das sinnliche Erleben der Produkte, das Fühlen, Riechen, Ausprobieren steht im Mittelpunkt. Der „Brand Victim“ liebt seine Marke, ob Handelsmarke samt Eigenmarke oder Markenartikel. Einkauf ist für diese Kunden nicht Bedarfsdeckung, sondern Teil der Freizeitgestaltung.
Daraus ergibt sich für den Handel als zentrale Kunden-Botschaft: „Hier könnt ihr was erleben!“ Die Kommunikation zielt darauf ab, das Marken-Image zu stärken. Hier gilt: klotzen statt kleckern. Es gilt, ein einmaliges Einkaufserlebnis zu schaffen und sich damit vom Wettbewerb zu differenzieren. So wie das neue Verkaufshaus von Breuninger in Düsseldorf es exerziert. Auf 5 Etagen bietet er ein besonderes Einkaufserlebnis. Breuninger inszeniert im Kö-Bogen einen Department Store mit hochwertigen Marken und gastronomischen Angeboten. Wer ein Shopping in privater Atmosphäre mit persönlicher Beratung sucht, kann den „Personal Shopping Service“ des Hauses in Anspruch nehmen. Ein anderes Beispiel ist das Bikini Berlin: das „etwas andere“ Shoppingcenter in der Nachbarschaft des Berliner Zoos, das mit seiner eindrucksvollen Dachlandschaft und seinen Freizeit- und Erlebniswelten Menschen überraschen möchte.
Erlebnis-Shopping im LEH
Der Lebensmittelhandel hat ebenfalls beachtliche Beispiele zu bieten: Der Edekaner Niemerszein steht für Liebe zum Detail: Ein historischer Kaufmannsladen aus der Sammlung des Circus-Roncalli-Gründers Bernhard Paul sorgt für besonderes Ambiente im Store – Shoppen wie zu Tante Emmas Zeiten.
Oder Eataly: Der international agierende italienische Feinkosthändler zelebriert in einem ehemaligen Terminal des Bahnhofs Roma Ostiense mit 23 Restaurants und Cafes, einer Kafferösterei und einer Brauerei Leidenschaft für Lebensmittel und Genuss. Einkaufen wird durch emotionale Gestaltung der Verkaufsumgebung als Erlebnis inszeniert und soll der Kundenbindung dienen. Erlebnisarchitektur und ganzheitliche Raumkonzepte schaffen außergewöhnliche Einkaufserlebnisse, die die Seele der Marke lebendig und mit allen Sinnen erfahrbar machen sollen. Für die emotionale Bindung des Kunden ist die stationäre Fläche der ideale Ort.
Der Einsatz „cooler“, dem Zeitgeist entsprechender Technologien ergänzt die Inszenierung der Retail-Welten und hilft, Produkte auf eine neue Art spannend zu inszenieren und sie begehrenswert und kaufenswert zu machen. Händler stellen ihre Kompetenz unter Beweis, indem sie alle Details sinnlich orchestrieren. Bei Burberry in London beispielsweise werden Spiegel zum Verkaufs- und Unterhaltungsscreen, die dem Kunden Empfehlungen wie „Das passt dazu“ oder „Kunden kauften auch“ anbieten oder auch die neuesten Making-of-Videos aktivieren, sobald sich der Kunde mit dem getaggten Produkt nähert.
Die Beispiele aus der Praxis zeigen, dass der Handel sich bereits auf den Weg in die Zukunft der Kommunikation gemacht hat und sich zwischen den Welten bewegt: zwischen Online und Offline. Der Kommunikations- und Shopping-Alltag wird ins Netz verlagert und das Netz in den Alltag integriert. Und so vielfältig die Wege zum Kunden künftig auch sind, eins haben sie gemeinsam: Kommunikation muss immer vom Kunden her gedacht werden. Statt wie bisher den richtigen Kommunikationsmix für die Marke zu suchen, müssen künftig die Lebenswelten und Konsumverfassungen der Kunden berücksichtigt werden, wenn der Handel weiterhin erfolgreich sein will.
Foto: Malte Klauck
Die vollständigen Ergebnisse des Szenario-Projekts sind in der Studie „Zukunftsszenarien zur Kommunikation des Handels 2025“ veröffentlicht: www.ehi.org/geschaeftsbereiche/medien/studien/marketing.html