Individuelle Migrationspfade | stores+shops
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Saturn gehört zu den wenigen Multichannel-Händlern, bei denen in der Filiale geführte Produkte innerhalb von zwei Stunden abholbereit hinterlegt werden können. (Foto: Saturn)

Individuelle Migrationspfade

Die Aufgabe ist neu und entzieht sich jeglicher Routine, den Königsweg gibt es nicht: Handelsunternehmen arbeiten sich Schritt für Schritt in die Multichannel-Welt vor und setzen dabei, je nach finanziellen und personellen Ressourcen, auf individuelle strategische Prioritäten.

Wird Click & Collect angeboten und funktioniert dieser Service problemlos? Die Wirtschaftszeitung „Internet World“ testete dazu im Frühjahr 2014 insgesamt 12 große Handelsketten. Das Ergebnis: Bei 8 Anbietern konnte im Webshop recherchiert werden, ob eine Filiale in der Nähe das gewünschte Produkt aktuell verfügbar hatte.

Den Kunden freut´s, wenn in einer Filiale verfügbare online bestellte Ware auch dort direkt komissioniert werden kann und die Bestellung nicht noch mal übers Zentrallager läuft. (Foto: Saturn)

Den Kunden freut´s, wenn in einer Filiale verfügbare online bestellte Ware auch dort direkt komissioniert werden kann und die Bestellung nicht noch mal übers Zentrallager läuft. (Foto: Saturn)

Aber lediglich die Elektronikmärkte Saturn und Conrad Electronic sowie die Baumarktkette Hornbach waren in der Lage, in der Filiale geführte Produkte innerhalb von zwei Stunden abholbereit zu hinterlegen. Bei anderen Anbietern setzte ein umständlicher Multichannel-Prozess ein: Die gewünschten Produkte mussten aus einem Zentrallager gepickt und an die Filiale geschickt werden. Das dauerte bei keinem der Testeinkäufe weniger als zwei Tage, so die „Internet World“.

Das Beispiel entspricht dem Ergebnis einer Studie, die das Marktforschungsunternehmen Accenture im Auftrag von Hybris Software durchgeführt hat. Danach sind international bislang 36 Prozent der Retailer in der Lage, ihren Kunden die Filialabholung von im Webshop bestellter Ware zu ermöglichen. Befragt wurden 256 Entscheidungsträger aus Handelsunternehmen in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Veränderung bis ins Mark

Laut dieser Untersuchung ist die Filialabholung von online bestellter Ware ein Schlüsselmerkmal, das Brick & Mortar-Unternehmen ihren Kunden bieten müssen, wenn sie sich gegen reine Online-Anbieter behaupten wollen.

Foto: Accenture / Hybris Software, 2014

Foto: Accenture / Hybris Software, 2014

Das gilt in noch stärkerem Maße für Informationen über Produktverfügbarkeiten, die von 71 Prozent der Kunden gewünscht, jedoch nur von 32 Prozent der Händler geboten werden (siehe Grafik). „Nur wem es gelingt, den digitalen Commerce in alle Aspekte seiner Geschäftstätigkeit zu integrieren, kann darauf hoffen, mit seinen Konkurrenten Schritt zu halten oder sie sogar zu überflügeln“, meint Brian Walker, Chief Strategy Officer bei Hybris.

Leicht gesagt, nicht einfach umzusetzen. „Cross-Channel verändert die Logik der Business-Prozesse komplett“, sagt Torsten Toeller, Chef von Fressnapf, größte Fachmarktkette für Heimtierbedarf in Europa. „Die Transformation eines stationären Händlers zu einem integrierten Mehrkanalhändler verändert diesen bis ins Mark“, meint auch Lutz Spannuth, auf das Thema Multichannel spezialisierter Berater in Hamburg.

Spannuth empfiehlt, sich zuvorderst über die Zielsetzung einer Multichannel-Strategie klar zu werden. Sie kann in den meisten Fällen nur lauten: Erhöhung des „Share of Wallet“, also der „Kundenausschöpfung“. Denn jene Kunden, die sich virtuos über die Kanäle eines Händlers hinweg bewegen, kaufen deutlich öfter und einen größeren Warenkorb als jene, die sich nur in einem der parallel betriebenen Kanäle bewegen. So wies zum Beispiel eine Analyse von Deloitte bei 4 führenden deutschen Omnichannel-Händlern aus dem Bereich Haushaltswaren nach, dass 98 Prozent der Online-Verkäufe „on top“ zum stationären Umsatz erzielt wurden. „Die Anzahl der sogenannten Mehrkanal-Kunden ist als oberste Kennziffer und operationalisierte Zielsetzung einer Multichannel-Strategie zu betrachten“, so Spannuth.

Voraussetzung für den erstrebten Synergieeffekt ist allerdings, dass der Händler schon über einen ausreichend frequentierten Webshop verfügt. „Cross-Channel ist so lange völlig überschätzt und auch viel zu teuer, bevor es der Händler nicht schafft, nachweisbare Erfolge im Online-Bereich zu erzielen“, sagt Marco Werner, bis vor Kurzem Head of E-Commerce bei Fressnapf.

Übergreifendes Bestandmanagement

Organisation und Prozesse in einem aus der stationären Welt kommenden Handelsunternehmen sind in der Regel von einer parallelen,  kanalspezifischen Aufstellung geprägt. Mit der Migration zum integrierten Multichannel-Händler müssen diese parallelen Welten Schritt für Schritt zusammengeführt werden. Das betrifft im Prinzip alle Kernprozesse des Unternehmens, vor allem die Warenwirtschaft und das Marketing.

Auch beim Baumarkt-Filialisten Hornbach können Produkte innerhalb von zwei Stunden abholbereit hinterlegt werden. (Foto: Hornbach)

Auch beim Baumarkt-Filialisten Hornbach können Produkte innerhalb von zwei Stunden abholbereit hinterlegt werden. (Foto: Hornbach)

Integrierte Warenwirtschaft. Online-Verfügbarkeits-Check, Bestellung im Web und Abholung in der Filiale, Bestellung im Web bei Nichtverfügbarkeit in der Filiale, Zugriff auf die Bestände in anderen Filialen, Rückgabe online bestellter Ware in der Filiale – solche Kundenservices funktionieren nur, wenn die Kanäle warenwirtschaftlich miteinander verbunden sind. Eine solche Verknüpfung sorgt auch für ein kanalübergreifend konsistentes Sortimentsbild. Denn unterschiedliche Abverkaufs-Dynamiken im stationären und im Online-Kanal, die schnell zu Ausverkäufen in einem Kanal führen können, werden damit ausgeglichen. Wie aufwändig die informationstechnische Implementierung der Prozesse ist, kommt auf die jeweilige Ausgangsposition an. Bisher getrennte Bestandsführungen in den Kanälen, eine komplexe und in die Jahre gekommene warenwirtschaftliche Hard- und Software führen zu entsprechend höheren Investitionsausgaben.

Integriertes Marketing. Warenwirtschaftliche Verknüpfung ist Pflicht – seine Kür absolviert der angehende Multichannel-Händler, wenn er sein Kundenwissen aus beiden Kanälen zusammenführen und in ein kanalübergreifendes Marketing überführen kann. Dies setzt voraus, dass alle Kundendaten in einer gemeinsamen Database gehalten werden. Viele Händler allerdings arbeiten mit getrenntem Datenmanagement – weil sie schon länger ein Kundenbindungsprogramm mit dazugehöriger Database betreiben, das Fulfillment des später eröffneten Webshops aber outgesourct haben. In diesem Fall wird es komplex und aufwändig. Der Aufbau und die Pflege der nötigen Infrastruktur erfordert technisch wie personell hohe Anstrengungen, etwa um kanalübergreifende Loyalitätssysteme zu installieren oder um automatisierte und personalisierte Kampagnen auf die Website oder auf das Smartphone des Kunden zu spielen.

Schritt-für-Schritt-Strategie

Das Big Data-Management, der Aufbau eines einheitlichen Kundenbindungssystems, die Neuausrichtung der bestehenden Warenwirtschaftssysteme – darin erkennen rund 60 Prozent der künftigen Multichannel-Händler ihre höchsten operativen Hürden. Insgesamt 76 Prozent der Händler sehen die Entwicklung einer langfristigen Multichannel-Strategie als größte Herausforderung an, so das Ergebnis einer gerade erschienene Studie von Pierre Audoin Consultants, für die 99 Entscheidungsträger im deutschen Handel befragt wurden. (siehe Grafik unten)

Foto: PAC, 2014

Foto: PAC, 2014

Angesichts limitierter Investitionsetats lautet die Strategie in den allermeisten Fällen, schrittweise auf dem Integrationspfad voranzukommen, also die für das Unternehmen individuell wichtigsten Multichannel-Anwendungen zu identifizieren und nach und nach umzusetzen. Dieser Integrationspfad wird von Unternehmen zu Unternehmen verschieden aussehen, je nach Branche, nach Wettbewerbsdruck auf beiden Kanälen, nach finanziellen und personellen Ressourcen. „Den Königsweg hin zum Multichannel-Anbieter gibt es nicht – wir verfahren nach dem Prinzip Try and Error und bezahlen dabei zuweilen auch Lehrgeld“, sagt Jörn Werner, Vorsitzender der Geschäftsführenden Direktoren bei Conrad.

Grafiken (2): PAC (1), Accenture / Hybris (1)

Fotos (3): Saturn (2), Hornbach (1)

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