Pricing: 20 Prozent auf alles? | stores+shops

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Foto: Fotolia / Rolandino

Pricing: 20 Prozent auf alles?

Rabatte und Sonderangebote sind fester Bestandteil der Handelswerbung. Doch viele Preisaktionen verfehlen ihre umsatzfördernde Wirkung und schmälern die Marge. Pricing-Software kann helfen, Umsatz- und Gewinnpotenziale besser auszuschöpfen. In Deutschland wird sie allerdings bisher nur selten genutzt.

„Hier spricht der Preis“ oder „20 Prozent auf alles außer Tiernahrung“ – die preisbetonten Slogans der einstigen Baumarktkette Praktiker sind so etwas wie Werbeklassiker: Blau-gelbe Fun-Shirts mit dem Aufdruck „Alles außer Tiernahrung“ kann man auch heute noch im Internet kaufen. Das Unternehmen selbst ist dagegen vom Markt verschwunden. Die aggressive Billigstrategie trieb den ehemals zweitgrößten DIY-Filialisten Deutschlands 2013 in die Insolvenz.

59 Prozent aller Unternehmen sehen sich in einem Preiskrieg. Fast alle (89 Prozent) geben ihren Wettbewerbern die Schuld daran.

Simon-Kucher

Global Pricing Studie

„Praktiker ist ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie falsche Preispolitik ein Unternehmen zugrunde richten kann“, sagt Professor Hermann Simon, Gründer der auf Marketing, Pricing und Vertrieb spezialisierten Strategieberatung Simon-Kucher & Partners. Erstens sei es gefährlich, seine Positionierung ausschließlich am niedrigen Preis festzumachen. Ohne entsprechende Kostenvorteile bedroht der fortwährende Kampf um die Preisführerschaft früher oder später die Existenz. Für eine Kehrtwende kann es dann aber bereits zu spät sein – so wie bei Praktiker. Die Abkehr von der gewohnten Rabattpolitik habe die Kunden in Scharen weglaufen lassen und das Unternehmen endgültig in den Abgrund geführt, so Preisexperte Simon. Auch bei der US-Warenhauskette J.C. Penney misslang vor zwei Jahren der Versuch, eine margenfreundlichere Preispolitik ohne den Dauereinsatz von Coupons und Rabattaktionen einzuführen.

Natürlich sind Sonderangebote und Aktionspreise ein wichtiges Instrument der Preispolitik. Im Lebensmittelhandel entfallen beispielsweise rund 20 Prozent des Umsatzes ohne Frischware auf Promotions. Durch das Internet und mobile Shopping-Apps ist in den letzten Jahren zudem die Preistransparenz quer durch alle Sortimente enorm gestiegen. Immer mehr Kunden nutzen ihr Smartphone mittlerweile für Preisvergleiche direkt am Regal. Laut Simon-Kucher klagen quer durch alle Industrie- und Dienstleistungsbranchen heute mehr als 80 Prozent der Unternehmen über starken Preisdruck (Global Pricing Studie 2014), fast 60 Prozent sprechen sogar von einem Preiskrieg.

Wert- und Preismanagement

Allerdings warnen die Berater vor einer einseitigen Fixierung auf niedrige Preise der Wettbewerber. Viele Unternehmen schöpften die tatsächliche Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden nur unzureichend aus und verschenken so wertvolles Gewinnpotenzial. Erfolgreiche Betriebe, denen es gelingt, ihre Gewinnziele zu erreichen und Preiserhöhungen durchzusetzen, zeichnen sich laut Studie durch konsequentes Wert- und Preismanagement aus. Unter anderem kommen hier professionelle Methoden und maßgeschneiderte Software zur Preisfindung zum Einsatz. 

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine aktuelle Pricing-Studie der Analysten von Retail Systems Research RSR. Das US-Unternehmen führt im Auftrag von IT-Lösungsanbietern regelmäßig Umfragen und Marktanalysen im Handel mit Schwerpunkt USA durch. Die steigende Preissensibilität der Kunden wird zwar auch dort als derzeit größte Herausforderung für die Preisgestaltung gesehen. Dazu kommen auch in den USA preisaggressive Wettbewerber, der intensive Einsatz von Promotions und die zunehmende Preistransparenz. Die Studie offenbart bemerkenswerte Unterschiede zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Handelsunternehmen. Die sogenannten Winners, also Retailer mit einem überdurchschnittlichen Umsatzwachstum, richten ihre Preispolitik nämlich nicht allein an der Konkurrenz aus. Sie versuchen darüber hinaus, ihr angestammtes Preis-Image zu schützen und den Kunden konsistente Preise über alle verfügbaren Vertriebskanäle zu bieten. Den Nachzüglern (Laggards), die dem Marktwachstum hinterherlaufen, fehlt dagegen oft dieser Blick nach innen. Sie richten ihren Fokus vor allem nach außen auf den Wettbewerb – offenbar zu Lasten von Umsatz und Gewinn.  

Steigende Preistransparenz

Die RSR-Studie belegt: Preisoptimierung ist heute eine komplexe Aufgabe mit inneren und äußeren Einflussfaktoren. Getrieben durch Onlineshops und Omnichannel-Strategien sind Preisänderungen heute weitaus häufiger erforderlich als noch vor einigen Jahren und müssen zeitnah an alle Vertriebskanäle kommuniziert werden. Der Einsatz von Pricing-Software kann Warengruppenverantwortliche und Regional- oder Filialmanager bei der Preisfindung unterstützen.

Mehr als jeder zweite Händler gibt an, dass die Anzahl der durchgeführten Preisänderungen in den letzten drei Jahren zugenommen hat.

RSR

Retail Pricing Benchmark 2014

Laut RSR hat sich der Einsatz von Preismanagement-Software zumindest in den USA vor allem bei erfolgreichen Handelsunternehmen in den letzten Jahren zunehmend etabliert. Neben Tools zur Planung und Optimierung der regulären Preise kommen vielerorts Lösungen zum Einsatz, um Promotions oder Abschriften zu planen und auf Basis historischer Daten und mathematischer Prognosen zu optimieren. Nahezu jeder zweite US-Einzelhändler nutzt oder testet Software für das umfassende Price-Lifecycle-Management über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg oder Pricing Engines für die regelbasierte, automatisierte Preisfindung. Im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt haben 2014 zudem Lösungen, die Preise anhand von aktuellen Bestandsdaten anpassen (Inventory Management) sowie Programme zur Konkurrenzpreisbeobachtung (Competitive Pricing).

Neue kleinere Anbieter

Ausgehend vom angelsächsischen Raum wächst das Angebot an entsprechender Software. Neben Eigenentwicklungen des Handels und mächtigen, aber entsprechend aufwändig zu implementierenden Standardlösungen aus dem ERP-Umfeld wie beispielsweise SAP Demand Management haben sich in Großbritannien und den USA in den letzten Jahren verstärkt SaaS-Anbieter mit innovativen, flexibel einsetzbaren Pricing-Lösungen aus der Cloud etabliert, darunter beispielsweise KSS Retail, ein Unternehmen der Tesco-Tochter Dunnhumby. Andere Anbieter wie Pros, Ugam Solutions oder Predictix haben ihren Ursprung im Big Data-Umfeld und bieten unterschiedliche Analysetools für verschiedene Branchen, darunter auch Pricing-Modelle. Unternehmen wie 360pi, Price2spy oder das französische Start-up Paarly legen den Schwerpunkt auf die Beobachtung von Wettbewerbspreisen. Die Wettbewerbsdaten können mit eigenen Business-Regeln und Artikelinformationen hinterlegt und für automatisierte Preisanpassungen genutzt werden.

Verschiedene Softwarelösungen

Zu den ersten Pricing-Spezialisten, die jetzt aktuell auf dem deutschen Markt antreten, gehört Revionics. Das 2002 in Texas gegründete Unternehmen hat vor Kurzem eine Niederlassung in Düsseldorf eröffnet und stellte seine Software für strategisches Preismanagement im Februar erstmals auf der EuroCIS vor. Im Ausland zählen u.a. Metro, Safeway oder der britische Internethändler Argos zu den Kunden. „US-Unternehmen nutzen Software vor allem, um strategische Entscheidungen zu optimieren“, erklärt Europa-Direktor Florian Strecker die Marktunterschiede.

In Deutschland liege der Fokus der Automatisierung angesichts hoher Personalkosten dagegen traditionell eher im ausführenden Bereich. Nach Angaben von Revionics erzielten Anwender der Preismanagement-Software durch Umsatzsteigerungen und Margenverbesserungen innerhalb von zwei Monaten einen ROI. Die Software kombiniert Daten aus internen und externen Quellen (z.B. eigene Bestands- und Abverkaufsdaten, demografische Daten, zugekaufte oder online ermittelte Wettbewerbs- und Marktdaten) mit internen Regeln (z.B. Margenziele, Preisabstände zu Eigenmarken, Preisleitern und Rundungsregeln) sowie mathematischen Analysemethoden (z.B. Preiselastizität, Kannibalisierungseffekte). Das System kann schrittweise für ausgewählte Filialen, Waren- oder Artikelgruppen getestet und eingeführt werden. Angebote zur „wettbewerbsgestützten Preisfindung“ bieten in Deutschland u.a. das spanische Start-up Minderest oder Tarent Solutions. Der mittelständische IT-Dienstleister aus Bonn entwickelt seit mehr als 20 Jahren Software für große Geschäftskunden. Die webbasierte Standardsoftware „Copio“ stellt Unternehmen Mitbewerberpreise bereit und kann mit einem Web-Tool zur regelbasierten Preisfindung („Rupio“) kombiniert werden.

Foto: Fotolia / Rolandino

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