Wer in der Apotheke nicht gerne Schlange stehen will oder im Umkreis anderer Menschen ungerne nach einem Mittel gegen Fußpilz fragt, der nutzt schon heute die Dienste einer Versandapotheke. Untersuchungen und Umfragen zeigen, dass immer mehr Kund:innen die Anonymität und Diskretion, aber auch das günstige Preisniveau bei der Bestellung per Klick in der Online-Apotheke schätzen. Hinzu kommt, dass Verbraucher:innen digital-affiner werden und rund um die Uhr online einkaufen wollen, weiß man bei der Zur Rose-Gruppe – mit fünf Online-Apotheken (Doc Morris, Apotal, Medpex, Zur Rose und Eurapon) und über 1 Mrd. Euro Jahresumsatz Europas größte E-Commerce-Apotheke.

Damit Übersicht und Lieferfähigkeit nicht verloren gehen, setzen die Online-Pharmazeuten, wie hier die Shop-Apotheke, auf große Verteilzentren mit digitalen Lösungen.
Foto: Bundesverband Deutscher Versandapotheken, BVDVA
Gegenwärtig werden zwar noch 99 Prozent aller Rezepte in stationären Apotheken eingelöst. Die bevorstehende Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland wird aber definitiv ein Gamechanger für den Markt der Versandapotheken sein, heißt es bei der Zur Rose-Gruppe. Denn dann können die Patient:innen ihre Verordnungen über ihr mobiles Endgerät empfangen und an eine (Online-)Apotheke ihrer Wahl weiterleiten.
Bis es so weit ist, fokussiert sich die Zur Rose-Gruppe auf die Weiterentwicklung und den Ausbau von Plattform- bzw. Marketplace-as-a-Service- Modellen – nicht nur für Medikamente, sondern auch bei Telemedizin-Services oder für Produkte aus der Beauty- und Personal- Care-Branche.
Douglas steigt ein
Den umgekehrten Weg geht der Anbieter für Premium-Beauty, -Parfümerie und -Kosmetik, Douglas, welcher sich mit der kürzlichen Übernahme von Disapo.de den wachstumsstarken Online-Apothekenmarkt erschließen will und sein Angebot zunächst auf rezeptfreie Gesundheitsprodukte ausgeweitet hat.
Rezeptpflichtige Arzneimittel sollen nach dem Start des E-Rezepts hinzukommen. Denn auch Versandapotheken müssen stets Vollsortimenter sein, also auch Rezepte annehmen und bedienen sowie verschreibungspflichtige Medikamente vorrätig haben, sagt man bei Douglas. „Im Zuge der zukünftigen Einführung des E-Rezepts in Deutschland ist mit einem enormen Zuwachs im Online- Apothekengeschäft zu rechnen“, glaubt auch Tina Müller, CEO der Douglas Group, und fügt hinzu: „Die Märkte für Schönheit und Gesundheit wachsen zunehmend zusammen.“
Stationär wird’s schwer
Während die Drogerien zumeist profitieren, wenn sie apothekentypische Sortimente führen, gelingt dies anders herum deutlich seltener“, ergänzt Ulrich Zander, einer der Managing Partner bei Sempora. Die Management Beratung aus Bad Homburg hat in ihrer Apothekenmarktstudie 2022 herausgefunden, dass der hiesige Pharmamarkt für neue internationale wie nationale Versandhändler interessant ist. Gleichzeitig gehen die in der Studie befragten Apotheker von einem fortdauernden Apothekensterben aus und erwarten in den nächsten Jahren einen Abbau um rund 2.700 Vor-Ort-Apotheken.

Qualifizierte Beratung gibt es auch für Online-Kund:innen, wie hier über das Servicecenter von Aponeo.
Foto: Aponeo
Das größte Risiko sehen die Studien-Teilnehmer im Einstieg des Versandgiganten Amazon in das hiesige Medikamentenversand-Geschäft. Schon heute nutzen 10 der 16 führenden Pharma-Versender die Reichweite des US-Konzerns und sind auf dem Amazon- Marketplace vertreten. In den USA betreibt der Handelsgigant bereits seine eigene Online-Apotheke „Amazon Pharmacy“. Laut der Sempora-Umfrage können sich bereits heute die Hälfte aller Konsument:innen vorstellen, rezeptfreie Präparate via Amazon zu ordern und 44 Prozent würden Amazon sogar im Vergleich zu anderen Versandapotheken präferieren.
„Dieser Zuspruch zeigt, wie wichtig es ist, dass sich Anbieter zügig Gedanken machen, wie ihre eigene Amazon-Strategie aussieht“, rät Sempora-Manager Zander, der glaubt, dass sich ein Engagement auf Amazon-Marketplace lohnt – jedenfalls wenn das Volumen stimmt. Auch 64 Prozent der klassischen Apotheker sehen die zunehmende Digitalisierung als bedeutende Chance, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern. Schon heute kämpfen dabei verschiedene Plattformen um die Poleposition auf dem Apothekenmarkt. Aus dem Blickwinkel der Pharma- Hersteller und Apotheken werden die Marktplätze von Doc Morris, Gesund.de, Shop Apotheke & Co. auch künftig die größte Bedeutung haben.
Auch wenn aktuell rund 50 Prozent der von Sempora befragten Verbraucher:innen noch keine Online- Apothekenplattformen kennen. „Wer sich in Zukunft einen Spitzenplatz erkämpfen will, sollte dringend in seine Bekanntheit bei Konsumenten und Patienten investieren“, empfiehlt Thomas Golly, Managing Partner bei Sempora. Das sollte die Qualität des Auftritts einschließen. Denn die Stiftung Warentest hat kürzlich ein rundes Dutzend Versandapotheken untersucht und lediglich einen einzigen Anbieter für insgesamt gut befunden: Mal wies die fernmündliche Beratung Schwächen auf, mal empfanden die Tester die Navigation der Webseite als mühsam oder die Lieferzeiten als zu lang.
Gesundheitsplattformen mit Potenzial
In Bezug auf Schnelligkeit etwa will Doc Morris Vorreiter werden und bietet inzwischen per App in zahlreichen Städten Deutschlands die Express-Lieferung an: Einfach die rezeptfreien Medikamente in der Doc Morris App auswählen, Express- Verfügbarkeit und mögliches Zeitfenster prüfen und schon werden Pillen, Tropfen, Salben und Co. von einer der Partner- Apotheken frei Haus geliefert.
Moderne Geschäftsmodelle zielen zudem darauf ab, diverse Gesundheitsleistungen von verschiedensten Akteuren – wie Apotheken, Sanitätshäusern, Krankenhäusern sowie Ärzten – auf einer Plattform zentral zu bündeln. „Es ist absehbar, dass künftig nicht nur Online-Apotheken und stationäre Apotheken um die Aufmerksamkeit und Nachfrage von Patienten und Konsumenten ringen werden, sondern verstärkt auch die sich gerade formierenden Gesundheitsplattformen, die zu einem neuen wichtigen Vertriebs- und Kommunikationskanal für Gesundheitsprodukte werden“, resümiert Sempora-Principal Franziska Bayer.