Trotz der prominenten 1A-Lage würden viele Handelsunternehmen nicht daran denken, ein so „verschnittenes“ Ladenlokal wie das in der Hohe Straße 116 in Köln zu mieten. Die Schmuckdesign-Marke Konplott schon. Ein nur 3,30 m schmaler, nach hinten sich noch verengender „Schlauch“ zieht sich vom Eingang über 14 m hin zur erhöhten Plattform eines Splitlevels, das über 4 Stufen zu erreichen ist. Dazu kommen 3 verschiedene Deckenhöhen mit 5 m Raumhöhe an der höchsten Stelle.
Da sich jeder neue Konplott-Store von anderen Filialen so deutlich unterscheiden soll, dass der Kunde ihn als Store-Unikat wahrnimmt, wurde die Fläche gemietet und die Herausforderung angenommen. Ziel war es, den Store von vorne bis hinten – im wahrsten Sinne des Wortes – spannend zu machen. Die Hinder- und Hemmnisse des Raums so zu inszenieren, dass der Kunde nicht schon am Eingang oder auf halber Strecke kehrt macht, sondern automatisch hindurch geführt wird, so lautete die Aufgabenstellung für die Planer – zusätzlich zum schon ansich diffizilen Ausleuchten des Schmucks.

Die Schmuckfiliale von Konplott an der Kölner Hohe Straße: 14 m lang und schmal mit 3 verschiedenen Deckenhöhen. Kein Problem, sondern willkommene Herausforderung. (Foto: Alexandra Evang)
„Grundsätzlich gilt in einem schmalen Gang, die Randzonen zu beleuchten und zu betonen, um ihn optisch zu vergrößern“, erläutert Ronald Bergerhausen, Geschäftsführer der Lichtspiel GmbH. Die Helligkeit am Ende des Gangs wurde deutlich erhöht. Bergerhausen: „Der Trick ist: Der Kunde lässt sich immer von dem leiten, was er am Ende sieht. Wir haben also die Rückwand stark herausgearbeitet und als ‚Ziel‘ inszeniert.“ Hier werden dann ganz besondere Schmuckstücke präsentiert, sozusagen als „Belohnung“. Zum Einsatz kam ausschließlich LED-Technik. „Den richtigen Mix zwischen Licht und Schatten, Hell und Dunkel zu inszenieren, ist sehr gut gelungen und der Schmuck steht immer noch im Vordergrund“, lobt Harald Plotnicki, Geschäftsführer von Konplott. Auf variable Deckenhöhen, so Bergerhausen, muss bei der Beleuchtung mit daran angepasster Leistung und einem veränderten Ausstrahlwinkel bzw. der Auswahl von Reflektoren reagiert werden. „Bei einer Decke über 3,80 Meter entsteht bei herkömmlichen Spots leicht ein diffuses ‚Nirwana-Licht‘. Bei niedrigen Decken macht ein enger Spot schnell nur noch einen Fokus an der Wand. Außerdem muss ich bei konventioneller Beleuchtung auf den Abstand zwischen Strahler und Ware achten, um ein Ausbleichen zu vermeiden“, erklärt Bergerhausen.
Speziell geringe Einbautiefen in der Decke verlangen von der Lichtplanung besondere Kreativität. Im stationären Store von Deerberg, Versender ökologischer Mode und Schuhe, der vor einigen Monaten in Hannover in einem Altbau über 3 Etagen eröffnete, war man im Erdgeschoss mit einer Deckenhöhe von nur 2,50 m konfrontiert. Eine optische Täuschung konnte das Problem lösen: LCD-Paneele über die komplette Deckenhöhe streuen ein diffuses, helles Licht wie Tageslicht hinter Milchglas. Das Drückende der geringen Raumhöhe wurde gegen das Feeling eines hellen, freundlichen Atriums eingetauscht. „Wenn ich danach urteile, wie viel Emotion ich in einem Store erzeugen kann, begrüße ich jede Rundung, Ecke, Säule und Stufe“, betont Jens Fischer, Inhaber der verantwortlichen Planungs-Agentur Kult-Objekt. „Als Inszenierer ist es meine Aufgabe, vermeintliche Mankos eines Raums in Vorzüge umzumünzen.“
Die historische Gebäudearchitektur zur Bühne zu machen und die Ware zum Hauptakteur auf dieser Bühne, war auch die Aufgabe bei Gschwantler, einer exklusiven Schuh- und Modehändler-Dynastie in Innsbruck. Deren neue Filiale liegt innerhalb der Stadtmauer, die seit dem 16. Jahrhundert von innen mit Häusern bebaut wurde, sodass das historische Gemäuer die Außenseite bildet. Das zwischenzeitlich hinter Gipskartonwänden versteckte ursprüngliche Flair der Stadtmauer sollte in den insgesamt 150 qm über 2 Etagen wieder zur Geltung gebracht, die Treppe als verbindendes Element betont werden. „Die Beleuchtung ist ein essenzieller Bestandteil des Konzepts, das einerseits die Wegeführung unterstreicht und andererseits die Ware ins Rampenlicht rückt“, erläutert Julius Seidl-Brodmann von der Kitzmüller Architektur ZT GmbH. „Entscheidend war es, die Leuchtkörper so in den Möbeln und Decken zu integrieren, dass diese nur die Ware und Architektur beleuchten, selbst aber verborgen bleiben.“ Zum Einsatz kamen LED und Halogen, sämtlich in Warmweiß gehalten.
Geringe Einbautiefen
Auch Filialisten mit ihrem in der Regel hohen Standardisierungsgrad des Ladenbaus treffen auf Problemzonen. „Hier zeigt sich, wie gut ein Beleuchtungskonzept, das ja zunächst anhand idealer Retail-Räume erstellt worden ist, auf die individuellen örtlichen Gegebenheiten angepasst werden kann – und wie gut der Lichtplaner mit den speziellen Herausforderungen solcher ‚verschnittenen‘ Flächen umgehen kann“, meint man dazu bei Ansorg. Und: „Hier ist die Nähe des Herstellers zum Kunden sehr wichtig, denn ungewollte Lichteffekte wie dunkle Ware oder starke Blendung können nur vermieden werden, wenn der Planer über die ‚schwierigen Ecken‘ Bescheid weiß. Aber auch die Abstimmung mit anderen Gewerken ist wichtig, denn so mancher ‚Knoten‘ im Deckenspiegel lässt sich lösen, wenn zum Beispiel der Klimatechniker zustimmt, einen Lüftungsauslass um ein paar Zentimeter zu verschieben.“
Verschachtelte Räume, verbaute Proportionen, uneinheitliche Raumhöhen – Bestandsimmobilien mit Ecken und Kanten machen Planern Spaß, die im schwierigen Zuschnitt ein Differenzierungsmerkmal und die Chance erkennen, beim Kunden erhöhte Aufmerksamkeit zu erzeugen. Jens Fischer von Kult-Objekt meint: „Ein schwieriger Zuschnitt ist mir allemal lieber als Warenmeter abzuwickeln. Inzwischen werden ja schon kleine ‚Fehler‘ in Räume hineininvestiert, da es sich herumgesprochen hat, dass eine von der Norm abweichende Fläche viel mehr Charme und Identität besitzt.“
Fotos: Kitzmüller Architektur ZT (1), Alexandra Evang (1)