Herr Vetterer, was hat Visplay dazu bewogen, sich verstärkt dem Office-Bereich zu widmen?
Die Überlegungen dazu begannen bereits 2021. Mit der Coronapandemie brach vieles im Einzelhandel weg: Lieferkettenwaren unterbrochen, Kunden konnten keine Ware annehmen – das hat uns zum Umdenken gezwungen. Wir haben in neue Produkte für den Ladenbau investiert und uns dabei gefragt, in welchen Bereichen es dieselbe Flexibilität und Agilität braucht wie im Ladenbau und fanden die Antwort im Office-Umfeld.
Wie sind Sie dieses neue Feld angegangen?
Wir haben ein Musterprodukt entwickelt und sind damit auf Roadshow durch Deutschland gegangen. Auf Basis von rund 30 Gesprächen mit Architekten, Innenausbauern und Händlern haben wir die dort präsentierte Lösung zusammen mit dem Planungsbüro Tnpx weiterentwickelt und uns dabei an den speziellen Funktionalitäten im Office-Bereich orientiert.
Worin unterscheiden sich die Anforderungen an Office-Systeme von klassischen Retail-Produkten konkret?
Im Office braucht es andere Tiefen, Achsen und Ausstattungen– hier sprechen wir über Ordner und Screens anstelle von „Hängen“ und „Legen“. Hinzu kommen technische Anforderungen: Wir haben unsere bestehenden Systeme so adaptiert, dass sie über eine 24-V-Elektrifizierung und USBC-Anschlüsse verfügen. Das Grundmodul lässt sich über unseren Onlineshop mit einer Software beliebig konfigurieren, z. B. mit Tablaren, Schütten, Monitorhaltern, Pflanzkästen, Einzelarbeitsplätzen oder Lockerboxen – und ist dabei technisch auf die neuen Bedürfnisse abgestimmt.

Freistehende Einrichtungssysteme ermöglichen der Lorenz Life Sciences Group ein ein hohes Maß an Flexibilität
Foto: Boris Golz
Gibt es Erkenntnisse aus dem Office-Segment, die in den Retail zurückfließen?
Der Trend zu freistehenden, rückbaubaren Systemen betrifft beide Bereiche. Kunden wollen heute weniger fest installierte Elemente – aus Gründen der Flexibilität, aber auch wegen baulicher Auflagen. Auch im Retail steigen die Anforderungen an eine einfache Montage und technische Integration. Der eine Bereich befruchtet den anderen.
Stichwort Flexibilität: Produkte vielfältig und dadurch auch langfristig einsetzen zu können, zahlt auch auf das Thema Nachhaltigkeit ein. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit darüber hinaus für Visplay?
Die Folgen der politischen Entwicklungen haben das Thema Nachhaltigkeit zuletzt in den Hintergrund gedrängt, dennoch bleibt es langfristig bedeutend. Unsere Systeme sind multifunktional und anpassbar, gleichzeitig aber auch sortenrein demontierbar –gut für das Recycling. Wir denken außerdem bereits über Konzepte wie Second Life Cycle und lokale Nachbearbeitung nach. Denn eine Reparatur vor Ort ist oft nachhaltiger als Rückversand und Wiederaufbereitung bei uns – auch aus ökologischer Sicht. Außerdem setzen wir dank der Initiative unserer Mitarbeitenden auf intelligente On Demand-Verpackungslösungen, die das Transportvolumen sowie den Verpackungsumfang unserer Produkte reduzieren und damit langfristig nachhaltig sind und zur Kostenentlastung führen.
Fordern ihre Kunden Nachhaltigkeit?
Im Office-Bereich deutlich stärker – unter anderem wegen der CO2-Auflagen. Auch Zertifizierungen werden von Kunden im Office-Bereich eher nachgefragt. Im Retail hingegen wird Nachhaltigkeit zwar durchaus gefordert, aber scheitert immer noch häufig an Budgets oder internen Prozessen.
Inwiefern unterscheiden sich die Planungen von Projekten im Retail- und Office-Segment voneinander? Wo liegen die Herausforderungen?
Projektvorlaufzeiten für ein Office-Projekt sind deutlich länger als bei Retail-Projekten, Umsätze generiert man dementsprechend aber auch erst später. Office-Produkte liefern wir oft vormontiert, sodass sie direkt aufgestellt werden können. Im Retail werden Systeme meist vor Ort installiert und an bauliche Gegebenheiten angepasst.
Wie denken Sie über die Verschmelzung von Retail und Office-Welten bzw. über hybride Nutzungskonzepte wie z. B. die Kombination aus Store und Workspace? Ist das die Zukunft des Point of Sale?
Ich sehe darin Potenzial. Bereits heute beobachten wir eine Veränderung in der Architekturlandschaft: Die klare Trennung zwischen Retail- und Office-Architekten verschwimmt zunehmend. Viele, die früher ausschließlich im Retail-Bereich tätig waren, gestalten heute auch Workspaces – und umgekehrt. Daraus ergeben sich zwangsläufig neue Einflüsse. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir unsere Produkte nicht überfrachten. Eine „eierlegende Wollmilchsau“ funktioniert selten, weil sie keinem Bereich wirklich gerecht wird. Deshalb entwickeln wir weiterhin fokussiert für einzelne Segmente.
Wie wirkt sich das auf Ihre internen Prozesse bei Visplay aus?
Langfristige Pläne über fünf oder zehn Jahre halten wir nicht mehr für sinnvoll – sie erweisen sich oft als unzutreffend. Stattdessen evaluieren wir quartalsweise, welche Themen besonders gefragt sind und wo sich Marktchancen ergeben. Daraus leiten wir dann Entwicklungsschwerpunkte ab.
Wie hat der Markt auf Ihren Schritt in den Office-Bereich reagiert? Gibt es bereits erste Realisierungen?
Die Reaktion fiel positiv aus. Retail bleibt dennoch unser Kerngeschäft – aber rund zehn Prozent des Umsatzes entfallen bereits auf Office-Projekte. Erste erfolgreiche Umsetzungen– etwa mit Lorenz Life Sciences Group in Frankfurt oder Fiege in Münster – zeigen, dass das System funktioniert. Wir sehen langfristig ein großes Potenzial.
Und wie entwickeln sich die Projektplanungen im Retail aktuell?
Der deutschsprachige sowie der französische Markt bleiben weiterhin herausfordernd. In Großbritannien und den USAhingegen ist erfreulicherweise eine hohe Investitionsbereitschaftin neue Ladeneinrichtungen zu beobachten – vieleneue Konzepte befinden sich dort bereits in der Umsetzungsphase.
Zur Person
Christian Vetterer ist ein langjähriges Mitglied der Visplay-Führung. Seit Januar 2019 leitet er das Unternehmen als CEO und blickt auf eine über 30-jährige Karriere innerhalb der Unternehmensgruppe zurück. Er durchlief maßgebliche Führungspositionen, darunter als Mitglied der Geschäftsleitung bei Visplay International sowie als Global Head of Segment Retail bei Vitra. Diese tief verwurzelte Kenntnis des Unternehmens und der Branche prägt seine strategische Führung von Visplay.