
Tommy Hilfiger, London: Türen
zu den Umkleidekabinen bewahren die
Intimität und lassen den Lärm draußen
Foto: Schwitze & Partner
In vielen Handelsbranchen vom Supermarkt über das Autohaus bis zum Buchladen ist es State of the art: Verkaufsflächen werden aufwändig gestaltet und ausgestattet, um den Kund:innen eine erlebnisreiche, stressfreie Customer Journey zu ermöglichen. Doch unangenehme Geräuschkulissen torpedieren zuweilen das positive Einkaufserlebnis – etwa durch hallende Räume, integrierte Gastronomiebereiche, laute Musik oder weitere Lärmquellen.
Sie schränken die Sprachverständlichkeit ein, nerven viele Kundinnen und Kunden und können damit die Attraktivität sowie Aufenthaltsqualität eines Geschäfts deutlich schmälern. Im Unterschied zu Arbeitsplätzen in Industriebetrieben existiert im Handel keine gesetzliche Verpflichtung zum Schallschutz, da in Verkaufsräumen aufgrund der üblichen Schallpegel keine Hörschädigung zu erwarten ist. Es gibt aber eine Empfehlung für Verkaufsräume: Die DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“ gilt heute als technischer Standard im Handel.
Moderne Schallschutz- Materialien sind kaum noch als solche erkennbar.
Wolfgang FriedlBei der Planung von Revitalisierungs- und Neubaumaßnahmen in Handelsimmobilien ist es daher entscheidend, dass die Akustik genauso durchdacht wird wie das Design eines Raumes. Gerade in großen, offenen Verkaufsflächen sind schallabsorbierende Materialien an Wänden und Decken unverzichtbar, um den Hall zu minimieren. Schallschutz ist aber ebenso notwendig, um einzelne Bereiche wie Verkaufsflächen und Umkleidekabinen etwa im Textilbereich durch variable raumbildende Elemente voneinander zu trennen. Ziel ist es, Ruhe zu erzielen, Intimität und Privatsphäre zu wahren. Ebenso gilt dies für die Trennung von Verkaufsbereich und gastronomischen Angeboten oder auch für den Verkauf und für Anwendungskabinen, beispielsweise in einem Beauty-Store.

Thalia, Köln: Schalloptimierende Materialien
sorgen im „Social Media Cube“ für eine
optimierte Raumakustik
Foto: Thalia
In Funktionsbereichen wie Kassen ist eine optimierte Akustik ebenfalls wichtig, damit konzentriertes und störungsfreies Arbeiten möglich ist. Jeder Fall ist anders – und bedarf daher einer detaillierten Auseinandersetzung mit den einzelnen Maßnahmen zur Akustikoptimierung sowie deren gegenseitiger sinnvoller Ergänzung – sowohl in der Konstruktion als auch in der Auswahl der richtigen Materialien für Böden, Wände und Decken. „Schließlich geht es darum, die richtige Maßnahme zu finden, die eine angenehme Atmosphäre schafft, in der sich alle Nutzer wohl fühlen“, so Klaus Schwitzke, Gesellschafter des Architekturbüros Schwitzke & Partner, Düsseldorf.
Tiefenentspannung statt Stress
Das Modelabel Tommy Hilfiger beispielsweise setzte mit Hilfe von Schwitzke & Partner eine qualitativ hochwertige Lösung im Bereich Ankleidekabinen um. Sie ermöglicht es Hilfiger-Kund:innen in einem intimeren Ambiente ihre Anprobe durchzuführen, als dies klassischerweise von einer Kabine mit Vorhang geleistet werden kann. Bei der Parfümerie Douglas in Hamburg standen die Pflegekabinen im Fokus einer guten Akustik. Hier sollten den Kund:innen Ruhe, optimale Entspannung und das Gefühl von Wellness vermittelt werden. Abgeschirmte Kabinen verbannen die Geräuschkulisse aus dem Verkaufsraum. Die Pflegeanwendungen erfolgen in gedämpfter Atmosphäre und intimer Stimmung bei maximaler Entspannung.
Aktuelle Materialtrends

Parfümerie Douglas, Hamburg:
Abgeschirmte Kabinen verbannen die
Geräuschkulisse aus dem Verkaufsraum
Foto: Schwitzke & Partner
Der veränderte Blick der Konsumierenden und der aktuelle Zeitgeist spielen bei der Akustik eine wichtige Rolle und treiben damit auch die Entwicklung neuer, schalldämmender Materialien voran. Diese werden vielfältiger und passen sich ständig neuen Bedürfnissen an. Der vollflächig verlegte Teppich (beispielsweise im Buchhandel) gilt dabei zwar als eine wirksame Methode zur Schallabsorption, entspricht aber nicht mehr dem aktuellen Zeitgeschmack und wird häufig durch Holz- oder moderne trittdämmende Designböden ersetzt. Für mehr Ruhe in Verkaufsräumen können auch Akustikputzdecken und Wandpaneele mit Stoffbespannung sorgen. Bei Dämm-Materialien setzt man neben Schaumstoffen zunehmend auf PET-Fliesen, die sich trotz geringer Stärke im Vergleich zu Schaumstoffen nicht nur als besonders stabil und widerstandsfähig erweisen, sondern zudem auch recyclingfähig sind. „Moderne Schallschutz- Materialien sind kaum noch als solche erkennbar, sondern können beispielsweise als akustisch wirksame Elemente in Form von Deckensegeln oder als Gemälde-Druck auf Leinwand optisch ansprechend in den Verkaufsraum integriert werden“, so Wolfgang Friedl, Geschäftsführer des Akustikspezialisten Sonatech aus Ungerhausen/Allgäu.
Deckensiegel und Nischen
Bücher besitzen – genau wie Textilien – eine natürliche Schallabsorption. Im kürzlich eröffneten Thalia-Flagship-Store am Kölner Neumarkt waren daher keine speziellen Maßnahmen für Schallschutz und Akustikoptimierung auf der Fläche notwendig. Dennoch integrierte das Unternehmen in sein Store-Konzept zusätzliche Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Raumakustik. So minimieren die gezielte Aufteilung der Räume in Nischen sowie der Einsatz von raumbildenden Elementen die Schallübertragung über große Flächen hinweg. In der Kinderbuchabteilung kommen zusätzlich Deckensegel zum Einsatz. Auch Teppiche und Akustikpaneele in den Sitzbereichen sorgen laut Thalia für eine ruhigere Atmosphäre und unterstützen die Schallreduktion. Bei der Gestaltung und Konstruktion des „Social Media Cubes“, der als Aufnahmestudio genutzt wird, wurde bewusst auf eine optimale Akustik geachtet: Schallabsorbierende Materialien wie Akustikdecke, Wandpaneele und Teppichboden sowie eine professionelle Tontechnik sorgen für beste Aufnahmebedingungen.

Rapunzel Naturkost, Legau: Deckensegel
sorgen bei der Kinovorführung für eine
bessere Raumakustik
Foto: Sonatech
Nachrüstung möglich
Schallschutzmaßnahmen lassen sich bei Bedarf auch nachträglich integrieren: Im Autohaus Nagel in Freising/München beispielsweise stellte der Betreiber nach der Inbetriebnahme ein unangenehmes Hallen im Verkaufsraum fest, das von den harten Oberflächen verursacht wurde. Verkaufsgespräche wurden dadurch sehr beeinträchtigt. Daher beauftragte der Betreiber den Akustikexperten Sonatech mit einer Lösung, die sich optisch bestmöglich in den Raum einfügen sollte. Eine geschlossene Akustikdecke zur Dämmung war hier wegen der schon vorhandenen Beleuchtungslösung nicht möglich.
Sonatech löste das Problem mit einer Schallschutzdecke in Waffeloptik mit darin integrierten Oberlichtern. Beim Naturkostunternehmen Rapunzel in Legau/Allgäu sorgte ein kleines Kino im Neubau der Zentrale für Unmut bei den Kund:innen. Geplant als Kundeninformationszentrum zur Dokumentation nachhaltiger Produktionsprozesse bei Rapunzel, stieß die schlechte Akustik („ Flatterecho“) bei der Filmvorführung jedoch massiv auf Kritik. Sonatech behob das Problem mit einer pragmatischen und zugleich dekorativen Akustiklösung mit Deckensegeln.