Das Designbüro Pentagram mit Sitz im trendigen Londoner Stadteil Notting Hill wurde 1972 gegründet. Ursprünglich war das Unternehmen von seinen fünf Gründern, daher der Name, als Agentur für Grafikdesign konzipiert. Diesen Ruf versucht man bis heute aufrechtzuerhalten, obwohl sich der Tätigkeitsbereich mittlerweile ausgeweitet hat.
Heute ist 3-D-Ladenbau ein wichtiger Bestandteil des Angebots von Pentagram. Der im Londoner Büro tätige Firmenpartner William Russell, ein Mann von Mitte 40, ist die treibende Kraft in diesem Bereich. Um als Partner bei Pentagram aufgenommen zu werden, muss man von einem der bestehenden Partner vorgeschlagen werden, sich an allen Unternehmensstandorten – das heißt in London, New York, San Francisco, Austin/Texas und Berlin – mit einem Vortrag präsentieren. Und dann heißt es abwarten. Erst nachdem die nächste internationale Versammlung der Partner stattgefunden hat und wenn alle Partner dem Vorschlag einstimmig zustimmen, ist die Aufnahme unter Dach und Fach. Dieser Prozess, der fast dem Eintrittsverfahren bei den Berliner Philharmonikern gleichkommt, nimmt viel Zeit in Anspruch.
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William Russell
William Russell wurde vor 8 Jahren schließlich zum Unternehmenspartner. Diese Prozedur ist vielleicht einer der Gründe dafür, weshalb die Partner sich so eng mit der „Firma“ verbunden fühlen. Die meisten verlassen das Unternehmen erst, um in den Ruhestand zu gehen.
Oase im Großstadttrubel
Ein Besuch in den Londoner Geschäftsräumen ist wie eine Auszeit vom hektischen Großstadtleben. Durch eine schmale Pforte gelangt man in einen begrünten Innenhof und steht vor einer gewaltigen Glasfassade mit Holzeinfassung und einer Tür daneben. Durch die Glasscheiben lassen sich einige Blicke in die Innenräume erhaschen, deren Atmosphäre sich mit „still“, „fleißig“ und „durchdacht konstruiert“ beschreiben lässt. Russell zufolge sorgt die Abgeschiedenheit dafür, dass die Agentur nicht ständig im Fokus der Öffentlichkeit steht. Dies meint er vor allem im Vergleich mit dem extravaganten New Yorker Büro mitten auf der Fifth Avenue. Dort sitzt man Russell zufolge wie hinter einem Schaufenster.
Die Kundenkartei von Pentagram liest sich wie ein Katalog großer und bekannter Einzelhändler: Cass Art, Cos (der hochwertige Ableger von H&M), Georgina von Etzdorf, Moss Bros und das dezente Design-Label Margaret Howell haben mit dem Londoner Büro von Pentagram zusammengearbeitet. Auf der anderen Seite des Atlantiks hat Saks Fifth Avenue mit Hilfe der Agentur die „Holiday Windows“ für seinen Flagshipstore an der Fifth Avenue gestaltet, und auch die Alexander McQueen-Filialen in Los Angeles und Las Vegas stammen aus der Feder von Pentagram, um nur einige zu nennen.
Auf die Arbeit für Cos (Collection of Style) scheint Russell besonders stolz zu sein. Die erste Cos-Filiale wurde 2007 in der Londoner Regent Street eröffnet. Russell und sein Team entwarfen die ersten drei Cos-Filialen. „Die Gestaltungsvorgaben enthalten immer auch eine Angabe zum Budget“, merkt Russell an und macht damit klar, dass Design stets in einem vorgegebenen Rahmen funktionieren muss. Danach berichtet er aber auch über seine Zusammenarbeit mit dem Schuh-Guru Christian Louboutin. Dabei hieß es: „Machen Sie sich keine Sorgen über das Budget. Entwerfen Sie den Raum, und danach machen wir uns Gedanken um den Preis.“
Multichannel auf der Fläche
Das mag alles ein bisschen hochtrabend klingen und weit entrückt von der rauen Alltagswelt des Einzelhandels. Doch Russell und das 3-D-Team von Pentagram sind sich der Realitäten und der verschiedenen Trends in der Branche voll und ganz bewusst. Ganz offensichtlich ist eines der Themen, die den Einzelhandel derzeit am stärksten beschäftigen, die Frage nach dem digitalen Angebot im Geschäft. Russell erklärt dazu: „Alle sprechen darüber. Doch im Grunde genommen sind die Vorschläge immer nur kurzlebig, da sich alles ständig weiterentwickelt.“
Er präzisiert: „Bei Moss, einem britischen Unternehmen für Herrenmode, denken wir gerade darüber nach, wie sich eine Art Symbiose zwischen den Geschäften und dem Online-Angebot herstellen lässt. Die Vorauswahl erledigen Sie online, und dann gehen Sie in das Geschäft und kaufen dort ein. Wenn es also gelingt, das Internet mit dem Laden zu verbinden, wäre das fantastisch.“ Russell betont, dass Geschäfte in der realen Welt nur dann ein Anziehungspunkt für den Kunden bleiben, wenn sie „einen gewissen Unterhaltungswert“ bieten – und das werde sich in Zukunft nicht ändern.
Und wie sieht die Zukunft des Unternehmens aus? „Es wäre wunderbar, wenn wir mehr 3-D-Partner gewinnen könnten“, sinniert Russell. „Egal ob in London oder New York. Zurzeit geht es in New York immer nur um 2-D, also Grafikdesign, und das erscheint mir nicht richtig. Ich bin der Ansicht, dass wir unsere Arbeit im 3-D-Bereich weiter ausbauen sollten.“ Auch die Verdienstfrage der Unternehmenspartner ist bei Pentagram unkonventionell geregelt. Russell: „Alle bekommen das gleiche Gehalt, und der Gewinn wird aufgeteilt. Allen ist bewusst, dass Design gewissen Konjunkturzyklen unterliegt, daher muss zwischen den Partnern ein hohes Maß an Vertrauen herrschen“, erklärt er.
Für den Londoner Standort von Pentagram steht, so schön er auch ist, in naher Zukunft ein großer Wandel an. „Wir denken über einen Umzug nach. Das wird hier alles noch einmal grundlegend verändern“, sagt Russell. Wohin die Agentur zieht, möchte er nicht sagen. Der momentan so angesagte Osten Londons, insbesondere der Stadtteil Shoreditch, werde es jedenfalls nicht sein, diese Gegend sei bei Designunternehmen gerade „zu sehr in Mode“. Der heutige Standort in Notting Hill ist ein abgeschiedenes Gelände kurz hinter einem bevorzugten Wohngebiet für Superreiche. Als die Agentur 1981 diese Räume bezog, war die Gegend weit von ihrer aktuellen internationalen Bekanntheit und Beliebtheit entfernt. Zu den Geschäftsräumen zählt im Übrigen auch ein wunderschönes großes Speisezimmer. Russell führt dazu aus: „Wir servieren allen Mitarbeitern hier jeden Tag ein Mittagessen, denn bei der Eröffnung dieser Räume gab es keine Möglichkeit, in dieser Gegend auswärts zu essen.“
Aktuell arbeiten 60 Mitarbeiter auf 150 qm Fläche. Pentagram ist durch Empfehlung und Mundpropaganda groß geworden. Vielleicht ja auch wegen der Chance, in einem der reizvollsten und am wenigsten bekannten Speisezimmer Londons zum Essen eingeladen zu werden.
Fotos (4): Pentagram
Weitere Informationen: www.pentagram.com
Pentagram: Ein gewisser Unterhaltungswert
Adresse: 11 Needham Road, London W11 2RP
Gegründet: 1972
Weitere Standorte: Berlin, San Francisco, New York, Austin/Texas
Gesamtzahl der Partner: 19
Wichtigste Kunden: Saks Fifth Avenue, Margaret Howell, Cos, Cas Art, Drakes London, MHL London, Alexander McQueen, Jimlar, Intimacy, Moss, Christian Louboutin
Web: www.pentagram.com