Impulse, wie solche Konzepte aussehen können, gab Retail-Expertin Silvia Talmon im Rahmen des Seminars „Retail Trends 2025 – Das kommt, das geht, das bleibt – weltweit!“. Im Zentrum stand die Frage, wie sich globale Megatrends im Storedesign widerspiegeln. Die Langzeittrends werden unter anderem vom Zukunftsinstitut erforscht und haben Auswirkungen auf viele Lebensbereiche – darunter auch den Handel. Die Trends bilden laut des Instituts den Rahmen für langfristige Veränderungen, die weit über flüchtige Modeerscheinungen hinausgehen. Aus der Vielfalt an Megatrends sind für den Handel besonders prägend: Konnektivität, Individualisierung und Neo-Ökologie. Sie bedeuten u. a., dass Kund:innen stärker vernetzt agieren, mehr Selbstbestimmung einfordern und gleichzeitig nachhaltige Werte in den Mittelpunkt rücken.

Online goes Offline: Zweiter eigenständiger Store des ehemaligen Pure Players Westwing im historischen Specks Hof in Leipzig
Foto: Westwing
Online, stationär, mobil
Aus vielen Kanälen wird ein durchgängiges Markenerlebnis. Dass dieser Omnichannel-Ansatz mehr als nur ein Buzzword ist, zeigt das Beispiel Zara. Die Modemarke hat in ihrem Pariser Flagship-Store auf der Champs-Élysées, der 2019 eröffnete, neue Technologien wie QR-basierte Store-Pläne, App-basierte Kabinenbuchung oder Self-Checkouts mit RFID eingeführt. Diese Lösungen sind heute Standard in vielen neueren Filialen wie etwa im Centro Oberhausen. „Meistens ist es die Gen Z, die solche neuen Konzepte testet“ , sagt Silvia Talmon. Wer als Händler relevant bleiben will, müsse diesen Wandel mitgehen.
Einen Schritt weiter als klassische Omnichannel-Formate geht Hugo Boss mit seiner Expansion in virtuelle Markenräume. Im Rahmen einer digitalen Kampagne ließ das Unternehmen ikonische Looks aus der eigenen Geschichte in limitierte, von internationalen Digital Artists gestaltete NFTs (digitale Zertifikate) übertragen. Die Kollektion wurde auf einer exklusiven Plattform versteigert und richtete sich gezielt an eine junge, technikaffine Zielgruppe. Der Fokus lag dabei vor allem auf Sammlerwert und einer immersiven Brand Experience. So will Hugo Boss im „Retailverse“ sein modisches Erbe mit Zukunftstechnologien verknüpfen und sich neue Touchpoints erschließen.
Die Integration von KI wird das wichtigste Thema der Zukunft.
Silvia Talmon
Während im Hintergrund automatisierte Prozesse für Effizienz sorgen, schafft Ikea im Showroom ein interaktives Erlebnis mit digitalen Tools
Foto: Inter IKEA Systems B.V.
Fulfillment von morgen
Auch hinter den Kulissen verändert sich der Handel. Wie stark KI und Automatisierung bereits Einzug halten, zeigt Ikea in seinem neuen Fulfillment Store im ungarischen Soroksár. Auf über 100.000 qm Fläche kommissionieren mehr als 1.000 autonome Roboter Lagerware, liefern Artikel zu den Mitarbeitenden und verknüpfen Prozesse in Echtzeit mit dem Onlineshop. Der Standort gilt als Pilotprojekt für die verschmelzenden Strukturen aus Logistik, Online und stationärem Handel. „Die Integration von KI wird das wichtigste Thema der Zukunft“, sagt Talmon. Doch entscheidend sei es, Prozesse nicht nur zu digitalisieren, sondern sinnvoll aufeinander abzustimmen.
Auch von deutschen Händlern wird hierzulande experimentiert – wenngleich oftmals nur in kleinen Schritten. Ein Beispiel ist die Kooperation von Tchibo mit Lieferando: In einigen Städten testen beide Unternehmen Expresslieferungen aus dem Filialbestand. Kaffee, Haushaltswaren und Textilien kommen direkt aus der nächstgelegenen Filiale zum Kunden oder zur Kundin nach Hause. „Deutschland hinkt beim Testen neuer Formate häufig hinterher“, beobachtet Talmon. Dennoch zeigen solche Pilotprojekte, wie Händler auf den Wunsch nach schneller Verfügbarkeit und mehr Convenience reagieren können.

Expresslieferungen von Lieferando sollen bei Tchibo neuerdings die letzte Meile verkürzen
Foto: Lieferando
Reparieren statt wegwerfen
Das Zukunftsthema „Circuar Economy“ rückt im deutschen Handel ebenfalls zunehmend in den Fokus – Globetrotter setzt es bereits sichtbar um. In Köln hat der Outdoor-Händler seine bislang größte Reparaturwerkstatt eröffnet. Auf 67 qm werden dort Jacken, Zelte oder Rucksäcke ressourcenschonend wieder instandgesetzt. Inzwischen verfügen 17 von 22 Filialen über eigene Werkstätten. Damit will Globetrotter nicht nur die Langlebigkeit seiner Produkte fördern, sondern auch die Kundenbindung stärken. Passend zum Konzept besteht der Ladenbau zum Großteil aus recyceltem Mobiliar. Ein Beispiel dafür, wie sich ökologische Verantwortung und wirtschaftlicher Mehrwert verbinden lassen.
Die gesellschaftlichen Bedürfnisse ändern sich heute schneller als jemals zuvor. Der Einzelhandel passt sich zunehmend den menschlichen Bedürfnissen an – mit digitaler Vernetzung, neuen Technologien und Formaten, die Zukunft schon heute erlebbar machen.