Weg vom steril weißen Glitzerglaspalast, hin zur farbenprächtigen Schatzkammer – das hat sich Giovanna Engelbert ausgedacht, der neue kreative Kopf im Hause Swarovski.
Als erste Frau in der von Männern geprägten Firmendynastie hat sie die Markenidentität völlig umgekrempelt und auf ein neues Zeitalter ausgerichtet. Das “Instant Wonder”-Store-Konzept ist ein Genuss für alle Sinne und verkörpert eine Phantasiewelt aus Glas – das Wonderlab. „Im Wonderlab vereinen sich Wissenschaft und Magie. Überfluss und Eleganz treffen aufeinander. Es ist wie ein kleines Wunder, das die Kunden in der neuen Swarovski-Welt erleben können“, sagt Giovanna Engelbert.
Leistbarer Luxus
Teil der neuen Strategie ist, das Sortiment zu einem erschwinglichen Preis anzubieten und damit für ein breiteres Publikum zugänglich und attraktiv zu machen. Das Motto heißt jetzt „leistbarer Luxus“ und orientiert sich an Zeitgeist, Nachhaltigkeit und Qualität.
Die neue Markenidentität macht auch vor dem bekannten Swarovski-Schwanen-Logo nicht halt: Der Vogel – Inbegriff für Gleichgewicht und Harmonie – schaut nun nach rechts und weist mit langem gestrecktem Hals und dynamischen Flügeln eine stromlinienförmige Linie in einem achteckigen Rahmen auf, analog zum typischen Achteckschliff von Edelsteinen. Genau solche Achteckrahmen dienen auf der Verkaufsfläche als Warenträger, in denen die Schmuckstücke gleich Exponaten ausgestellt werden.
Nur wenige Marken spielen seit Jahren eine so große Rolle in der Modewelt wie Swarovski. Die Glasklunker des Unternehmens mit Milliardenumsatz, globaler Präsenz und einem weltweiten Netz von 3.000 Läden sind von keinem Catwalk in London, Mailand, New York oder Paris wegzudenken. Nach jahrelang ungebrochenem Erfolg nahm die Strahlkraft jedoch schon vor der Covid-19-Krise ab.
Im vergangenen Jahr gingen die Umsätze im Kristallbereich dann um mehr als 30 Prozent von 2,6 Mrd. Euro auf weniger als 1,9 Mrd. Euro zurück. Fast 25 Prozent der Läden und einige Produktionsstätten wurden geschlossen. Ca. 6.000 Stellen – ungefähr 20 Prozent weltweit – wurden abgebaut. Ein harter Schlag für das 1895 von Daniel Swarovski gegründete Unternehmen, der mit der Erfindung einer elektrisch angetriebenen Maschine zum Schleifen von Kristallglas seinerzeit den Grundstein für das Imperium legte.
Mit Mut aus der Krise
Inzwischen führt sein Urenkel Robert Buchbauer die Firma und sieht sich vor der Herausforderung einer Redimensionierung und Neuausrichtung des Familienunternehmens.
Dafür hat er sich Giovanna Engelbert ins Boot geholt, eine Italienerin, für die eine Welt ohne Glamour und Mode ohne Unterhaltungswert undenkbar sind. Seit 2016 arbeitete sie bereits als Freelance-Designerin für Swarovski und wurde dann 2020 von Buchbauer an die kreative Führungsspitze berufen. Sie hat dem Glasschmuck eine völlig neue Bühne inszeniert und den roten Teppich ausgerollt. Ihre Shop-Dramaturgie mit mutigem Farbkonzept und ungewöhnlichen Warenträgern schafft eine neue Emotionalität sowie Begehrlichkeit und demonstriert neues Selbstbewusstsein – das Swarovski gerade jetzt gut gebrauchen kann.
Parallel zu den Instant Wonder-Stores hat die Pariser Event-Agentur Villa Eugénie eine Reihe Live- und Online-Aktivitäten ausgearbeitet: virtuelle Touren, Kollektions- Trailer und Lifestyle-Inhalte sollen on top für ein intensives und anhaltendes Kundenerlebnis sorgen.
Eine österreichische Institution
Der in fünfter Generation familiengeführte Kristallhersteller Swarovski mit Stammsitz im Tiroler Wattens kann auf eine über 125 Jahre alte Firmentradition zurückblicken. Die Gruppe umfasst neben dem Hauptgeschäft mit Schmuck, Kristallglas und Accessoires auch optische Erzeugnisse (Swarovski Optik) und Schleifmittel (Tyrolit). 1995 eröffnete Swarovski das Museum Kristallwelten – mittlerweile eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Österreichs.
Swarovski gehörte 2019 mit insgesamt 3,54 Milliarden Euro zu den 25 umsatzstärksten Luxusgüterunternehmen der Welt. Die Corona-Krise hat dem Traditionshaus enorme Umsatzeinbußen beschert. Im März 2020 übernahm Robert Buchbauer den Vorsitz der Geschäftsführung und leitete eine längst überfällige Strukturreform ein, mit der sich die Firma für den veränderten Markt neu aufgestellt hat und ein klares Konzept für die Zukunft geschaffen werden soll. Dazu gehören auch die Neupositionierung der Marke und das Facelifting der Läden.