Die Deutsche Bahn teilt ihre rd. 5.400 Bahnhöfe in 7 Kategorien ein. Hier werden knapp 20 Bahnhöfe der Kategorie 1 betrachtet. Dabei handelt es sich um stark frequentierte, in Zentren von Großstädten gelegene Bahnhöfe mit repräsentativen Gebäuden und zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten. Von den 16 internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland werden hier die Top 10 nach Anzahl der Retail-Mieteinheiten zugrunde gelegt.
Seit Mitte der 2000er-Jahre entdecken internationale Labels die Bahnhöfe, sodass heute große Konkurrenz um diese begrenzten Flächen besteht, sagt Frank Hunger, Leiter des Vermarktungsmanagements von DB Station&Service. Großer Standortvorteil ist die starke Frequenz durch Reisende und Besucher. Die Tagesfrequenzen reichen laut DB Station&Service von 60.000 Passanten in Dresden, Karlsruhe und Mainz bis hin zu 370.000 in Frankfurt am Main und 450.000 in Hamburg. Die Tendenz steigt: Allein von 2008-2012 stieg das Pendleraufkommen in den untersuchten Städten um durchschnittlich 7 Prozent, so die Angaben des Statistischen Bundesamtes.
Die Mieter profitieren auch vom Umsatzpotenzial der erweiterten Öffnungszeiten. So können am Flughafen alle Läden sonntags öffnen, am Bahnhof dürfen Lebensmittel, Drogeriewaren, Accessoires, Geschenkartikel, Bücher oder Zeitschriften verkauft werden. Die Öffnungszeiten des Rewe City-Marktes am Flughafen Köln-Bonn stellen einen großen Vorteil dar, so der Expansionsmanager der Rewe Group, Thomas Schulz. Während des Winterflugplans hat der Markt täglich von 5 Uhr bis 1 Uhr geöffnet, im Sommer rund um die Uhr.
Sicherheitsbereiche der Flughäfen
Natürlich erfordert ein solches Konzept einen personalintensiven Einsatzplan und tägliche Belieferung, erklärt Stephan-Thomas Klose, Pressesprecher des Drogeriemarktunternehmens Dirk Rossmann. Die Restaurantkette Asiagourmet betreibt mehrere Restaurants in Bahnhöfen und seit Februar auch im Flughafen Düsseldorf. Während die meisten Filialen um 10 Uhr öffnen, beginnt die Filiale im Flughafen bereits um 5.30 Uhr mit dem Verkauf. Daher wurde das Speisenangebot erweitert, erläutert der Leiter Business Development von Asiagourmet, Hendrix Yap.
Die untersuchten Bahnhöfe haben im Schnitt 49 Mieteinheiten, wobei Leipzig Hauptbahnhof mit 125 Shops am größten ist. Die Retailfächen der Top 10-Bahnhöfe liegen zwischen 8.500 qm und 16.000 qm. Einzig der als Shopping-Center durch die ECE betriebene Hauptbahnhof Leipzig ragt mit ca. 30.000 qm Handelsfläche heraus. Die Flughäfen unterscheiden sich stark im Umfang ihres Retail- Angebots. Nach Frankfurt am Main mit 290 Mieteinheiten auf 41.000 qm Retailfläche folgt München mit 185 Shops auf 37.000 qm.
Der Einzelhandelsanteil am Branchenmix ist in Verkehrsimmobilien im Schnitt niedriger als in Shopping-Centern, wobei der Sicherheitsbereich der Flughäfen am stärksten durch Einzelhandel geprägt ist: Dort sind 60 Prozent der Läden an Einzelhändler vermietet. Hier spielen Duty-free-Shops eine wichtige Rolle sowie Accessoires und Luxusartikel. Die Händler profitieren von einem kaufkräftigen Publikum und hoher Verweildauer. So haben sich auch die internationalen Luxusmarken Victoria’s Secret in München und Hamburg und Shanghai Tang in Frankfurt mit ihren einzigen Shops in Deutschland in Flughäfen eingemietet.
Entsprechend höher ist der Gastronomieanteil in Verkehrsimmobilien, welcher in Shopping-Centern bei etwa 15 Prozent liegt. In Bahnhöfen sind im Schnitt 43 Prozent der Mieter Gastronomen, in Flughäfen etwa jeder dritte. Verbreitete Mieter sind Bistros und Imbisse. Während an Bahnhöfen Bäckereien ca. 25 Prozent der Gastronomen ausmachen, finden sich an Flughäfen aufgrund des höheren Zeitbudgets der Reisenden vermehrt Restaurants.
Unter den 25 Top-Mietern der untersuchten Bahnhöfe sind viele Bäckereien wie Le Crobag (25 Shops) und Kamps (17), Cafés wie Coffee Fellows und Starbucks (je 13), Schnellrestaurants wie McDonald’s (17) und Burger King (14) sowie Convenience-Formate wie Yorma’s (16). Die Reisebank (19) ist häufigster Dienstleister. Pressehändler wie k presse + buch und typische High-Street-Retailer wie Rossmann (12), Görtz (9), Tchibo und Accessorize (je 8) sind zunehmend in Bahnhöfen vertreten.
Es muss immer beachtet werden, dass das Hauptaugenmerk der Immobilien auf dem Verkehr liegt. So entstehen meist höhere Planungskosten, da die Planung und Baudurchführung u.a. durch Auflagen hinsichtlich Brandschutz, Lüftungsanlagen und Fluchtwege komplexer ist, so Frank Hunger von DB Station&Service. Entsprechend sind die Retailflächen begrenzt und somit sehr wertvoll. Für Händler bedeutet das oft, ihre Konzepte auf geringerer Fläche kreativ umsetzen zu müssen.
An Flughäfen schwanken die Passagierzahlen beträchtlich. In diesem Sinne seien Bahnhöfe krisensicherer, da die Frequenz relativ stabil bleibe, sagt Hendrix Yap von Asiagourmet. Obwohl man größeren Flächenzuwachs kaum erwarten kann, stehen die Weichen weiterhin gut für eine dynamische Entwicklung des Travel Retail. In den nächsten 10 Jahren plant die Deutsche Bahn nicht nur eine Verdichtung des Nahverkehrs an den Bahnhöfen, sondern auch die Stärkung des Einzelhandels. Gewerbliche Ansiedlungen im Umfeld wirken sich positiv aus. Rund um den Flughafen Köln-Bonn arbeiten etwa 12.000 Menschen, die den Flughafen zum Einkaufen nutzen. Für Rewe ist der Standort Flughafen ein solcher Erfolg, dass man prüft, weitere, ähnlich stark frequentierte Standorte zu belegen, sagt Thomas Schulz.
Foto: Fraport AG Fototeam / Andreas Meinhardt
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