Statt über Möglichkeiten zu philosophieren, ging es in diesem Jahr um Datenmanagement, Prozessoptimierung und v. a. um Change Management. Die vorgestellten Projekte und Learnings aus Piloten zeigen, dass KI im Retail mittlerweile vom Experiment zur Routine mit messbaren Ergebnissen geworden ist.
Die ganzheitlich vernetzte Filiale
Jenny Jasper und Christian Wild von dm berichteten über Fortschritte bei ESL in Verbindung mit Scanrobotern von Ubica Robotics. Bis zum Jahresende sollen 250 Roboter in den Märkten eingesetzt werden, um die Warenbestände zu erfassen. Die ESL können auf Basis dieser Bestandsinformationen verschiedene Informationen anzeigen. In Kombination mit KI erstellt der Drogeriehändler digitale Zwillinge seiner Märkte, wodurch u. a. eine präzise Regalortung und schnellere Kommissionierung für Click & Collect möglich ist. So sollen neue Mitarbeitende sich schneller orientieren können, effizienter beim Picking werden und der Markt bei Leerständen automatisch nachbeliefert werden.
Preisstrategie mit messbarem Erfolg
Bei der Popken Fashion Group hat der Umstieg auf KI-gestütztes Dynamic Pricing bereits deutliche Spuren hinterlassen. Natascha Vry berichtete von einer Zeitersparnis von 60 bis 70 Prozent im Pricing-Prozess. Statt manueller Preisanpassungen berechnet das System dreimal wöchentlich automatisch neue Preise und überträgt sie in alle Shops und auf Marktplätze. Das Ergebnis nach einem Jahr: eine um ein Prozent höhere Marge und eine gleichmäßigere Preisentwicklung. Die gewonnene Zeit nutzen die Mitarbeitenden für strategische Optimierungen. Die Toolnutzung liegt mittlerweile bei rund 70 Prozent.
Vom Supporter zum Gestalter
Die Walbusch Gruppe zeigt, wie KI und Low-Code die IT-Abteilung fundamental verändern. Seit 2024 setzt das Textilunternehmen auf Low-Code-Plattformen für Standardarbeitsabläufe und hat parallel mehrere KI-Initiativen gestartet. Ein GenAI-Portal für die interne Nutzung, ein IT-Support-Chatbot und ein KI-gestütztes Reporting-Tool stehen bereits im Einsatz. Besonders bemerkenswert: Das Korrekturlesen von Prospekten und KI-generierte Texte für Kataloge und E-Commerce werden intern bereits mit großer Zufriedenheit genutzt. Das frühere externe Texterteam wurde dadurch obsolet. Ein dreiköpfiges KI-/Low-Code-Team, bestehend aus ehemaligen Java-Entwicklern, treibt die Transformation voran.
Change Management als Erfolgsfaktor
Beim abschließenden Fireside-Chat mit Vertretern von Rossmann, Fressnapf, Rewe Group und Takko wurde deutlich: Technologie ist die kleinere Herausforderung. „Es ist keine Technologie-Challenge, sondern eine People-Challenge“, betonte Lena Eckroth von Rossmann, die in dem Unternehmen die Abteilung „AI Central“ leitet. „Wir brauchen Menschen, die das ganze Thema skalieren können und eine Multiplikatorenrolle für uns einnehmen.“ Die Händler setzen auf firmenweite KI-Communities, Schulungsprogramme und konzernweite Frameworks, um Wissen zu teilen und Mitarbeitende mitzunehmen. Die zentrale Erkenntnis der Runde: KI ist kein Projekt, sondern Organisationsentwicklung.
Wir brauchen Menschen, die das ganze Thema skalieren können und eine Multiplikatorenrolle einnehmen.
Lena Eckroth
Rahmenprogramm mit Community-Fokus
Neben den Fachvorträgen bot die Veranstaltung erstmals einen eigenen Bereich für die „Retail WG“: eine Community-Plattform für Austausch und Inspiration. Ein Ausstellerforum, Live-Podcast sowie der Tech Leader Talk mit ranghohen IT-Vertretern bekannter Handelskonzerne rundeten das Programm ab und boten Raum für Diskussionen zu aktuellen Herausforderungen der Branche.

