Im Zuge dieser Herausforderungen hat das Controlling beim DIY-Anbieter Praktiker die Überarbeitung und systemtechnische Neuerschließung der Beschaffung von Investitionsgütern und Leistungen auf den Weg gebracht. Praktiker definiert diese Sekundärprozesse inzwischen schlicht als „Non Retail“ und subsumiert unter den Begriff alle Formen von Maßnahmen, die auch IT-Projekte und die Beschaffung von Verbrauchsgütern einschließen. Investitionen fließen bei Praktiker in ein Portfolio von über 400 Filialen im In- und Ausland, wovon nur ein Teil in die Entwicklung und Realisierung neuer Standorte geht. In der Ausgabenstruktur wirken sich insbesondere Ergänzungs- und Erweiterungsinvestitionen sowie Modernisierungsprogramme und Umbauten aus.
Ein Investitionscontrolling muss bei Praktiker daher mehr als ein Projektcontrolling von Neubauten sein, das mit der Inbetriebnahme der Objekte endet. Die Nutzungsphase eines Standorts stellt auch aus dem Blickwinkel einer Nachverfolgung der eigentlichen Investitionsentscheidung ihre spezifischen Anforderungen an das Controlling. Diesem Anspruch wird bei Praktiker insofern Rechnung getragen, als dass das Filialnetz nun auch in der Nutzungsphase einem systemgestützten Maßnahmen-Controlling unterliegt. Ein solches Lebenszyklus-Controlling der Objekte setzt eine durchgängige Prozesskette in der operativen Abwicklung voraus, weshalb Praktiker sich für eine umfassende Softwarelösung „Non Retail“ entschied.
Aufgrund der erheblichen und schwer korrigierbaren Auswirkungen der Sekundärprozesse auf den Unternehmenserfolg waren die Anforderungen entsprechend hoch. Neben den Controlling-Aspekten musste das System die operative Prozesskette von der Planung und Genehmigung über die Leistungsvergabe und Beschaffung bis zur Abrechnung handhaben. Wegen der weitgehend externen Vergabe spielte die Behandlung von Eigenleistung eine untergeordnete Rolle. Die nahtlose Integration mit dem Rechnungswesen war jedoch ein zentrales Kriterium.
Zentrale Steuerung durch Webtechnologie
Die Anforderungen erfüllte die Systemlösung „Life Cycle Asset Management“ der Libra Software aus Mannheim. Das Unternehmen hatte bei Praktiker in den Jahren zuvor mit einem workflowbasierten System die Rechnungsprüfung durch den Anschluss an ein Dokumenten-
management automatisiert. Aufgrund der Internationalisierung der Konzernstruktur mussten bei der Rechnungsverbuchung unterschiedliche Finanzbuchhaltungssysteme, darunter SAP, bedient werden.
Ein Unterschied der webbasierten User Interfaces der neuen Lösung zu herkömmlichen Windows-Anwendungen ist kaum noch spürbar. Lokale Installationen entfallen – eine Erleichterung bei Rollout und Wartung. Bei internationaler Verfügbarkeit in 9 Ländern und inzwischen über 4.000 Anwendern stehen die Server ausschließlich im zentralen Rechenzentrum.
Nach einjähriger Analyse und Planung konnte das neue Beschaffungssystem für den Non-Retail-Bereich innerhalb weniger Wochen eingeführt werden. Da Investitions- und Verbrauchsgüter sowie Dienstleistungen auch von den Filialen angefordert werden, waren neben den zentralen Einkaufsorganisationen auch Pilotmärkte in die Implementierung einbezogen. Es zeigte sich, dass die Web-Oberflächen für Bestellungen und Wareneingang innerhalb kurzer Zeit vom Marktpersonal zu bedienen waren.
Der Non-Retail-Bereich wird jetzt von der Planung bis zur Verbuchung der Vorgänge in einem durchgängigen System abgewickelt, das mit dem Rechnungswesen auf Realtime-Basis abgestimmt ist. Auf dieser Grundlage können in globalen Projektkostenarten die Geschäftsprozesse und die Ausgabenstruktur von Investitionen analysiert und ausgewertet werden. Bestellanforderung, Freigabe der Bestellung, Wareneingang und bestellbezogene Rechnungsprüfung von Investitionsgütern und Leistungen werden in vom System unterstützten Workflows bearbeitet. Das Controlling hat in jeder Phase einen aktuellen Überblick über den jeweiligen Maßnahmenstand.
Die Beschaffung von typischen Einrichtungsgütern wie Regalierung, Flurförderfahrzeugen oder Einkaufswagen, aber auch von Instandhaltung, IT-Hardware und -Software sowie Dienstleistungen wird über das neue System getätigt. Zusätzlich liefert ein Reporting Informationen für Verhandlungen mit Lieferanten und Dienstleistern.
Die Optimierungsbemühungen in den Non Retail-Prozessen werden fortgesetzt. Für ein international aufgestelltes Handelsunternehmen stellen diese eine komplexe Herausforderung dar. Die mittlerweile zur Verfügung stehende Infrastruktur ermöglicht es, gezielt weitere Themen aus dem Non Retail-Bereich in Angriff zu nehmen.
Fotos (2): Praktiker
Fachbezogene Auswertungsstrukturen
Michael Steffen, Abteilungsleiter Konzerncontrolling bei Praktiker, beschreibt den Findungs- und Implementierungsprozess der Lösung für das Investitionscontrolling der sekundären Prozesse.
Welche Kriterien haben zu der Investitionsentscheidung geführt?
Wir brauchen Transparenz bei den Investitionen und Lebenszykluskosten unseres Filialnetzes. Dabei rücken zwangsläufig die Durchgängigkeit der Beschaffungsprozesse und die Analysierbarkeit der Cash-Flows in den Fokus. Das System muss Fachbereiche, Controlling und Top-Management gleichermaßen bedienen. Ein reines Projektmanagementsystem kam deshalb nicht in Frage. Die Instrumente einer Kostenstellen-Kostenarten-Betrachtung versagen bei Investitionen. Insofern fokussierten wir uns in der Evaluierung auf ein System mit hohem Integrationsgrad in Richtung Finanzbuchhaltung, aber frei konfigurierbaren Projekt- und Instandhaltungssichten mit fachbezogenen Auswertungsstrukturen.
Welche Funktionalitäten sind besonders wichtig?
An erster Stelle steht immer der Integrationsgedanke, der durch den modularen Aufbau des Systems garantiert wird. Diverse Fachbereiche fordern eigene Funktionalitäten, um in ihren Prozessen Transparenz zu schaffen und Synergien zu heben. Gemeinsames Arbeiten auf einer Plattform unter Abschaffung medialer Brüche von der Planung bis zur Abrechnung, das ist die Kernidee. Daneben spielt die Möglichkeit, mit externen Partnern elektronische Daten auszutauschen, etwa bei Bestellungen und Rechnungen, auch eine wichtige Rolle.
Wie gestaltete sich der Implementierungsprozess bei Praktiker?
Der Einführung geht üblicherweise ein längerer Analyse- und Planungsprozess voraus. Bei der zentralen Komponente „Einkauf Non Retail“ ist es uns gelungen, flankiert durch E-Learning-basierte Schulungsmaßnahmen die mehr als 200 Praktiker-Filialen im Inland quasi über Nacht umzustellen.