Keine Frage: Die Coronakrise war für die Modehandelsbranche der absolute Booster in Sachen Digitalisierung. Deutlich abzulesen ist dieser Digitalisierungsschub auch am dynamischen Wachstum des Partnernetzwerks Modehaus.de: Seit Ende 2019 ist die Anzahl an Partnern um 50 Prozent auf aktuell 120 Unternehmen mit insgesamt mehr als 500 Filialen gestiegen.

Die hellgraue Fläche wird immer kleiner. Jeder Modehaus.de-Partner erhält ein Lizenzgebiet mit Wettbewerbsschutz und muss der Aufnahme eines weiteren Unternehmens in seinem Gebiet zustimmen.
Foto: Stand 26.03.21. Einschließlich Verträge, die noch im Umlauf sind
Modehaus.de wurde 2011 von Holger Wellner und Ole Grave in Hameln gegründet. Holger Wellner ist Inhaber des gleichnamigen und ortsansässigen Modehauses, Ole Grave ist als Inhaber der Fullservice-Agentur SOL der Digitalisierungsexperte. Ihr beider Grundgedanke war damals (und ist es noch heute), dass mittelständische Modehändler die Herausforderungen, die die Digitalisierung für die Branche mit sich bringt, nur gemeinsam stemmen können. Modehaus.de bietet seinen Partnern gegen eine gestaffelte Mitgliedsgebühr regelmäßigen Erfahrungsaustausch, eine leistungsfähige IT-Infrastruktur, die Nutzung verschiedener Digitalisierungs-Module sowie Support in digitalen Themen an. „Leider hat es viel länger als erwartet gedauert, bis wir bei meinen Kollegen aus dem Handel mit unserer Idee auf offene Ohren gestoßen sind. Es gab sehr große Berührungsängste mit der digitalen Welt“, erinnert sich Holger Wellner an die Erfahrungen in den Anfangsjahren.
Bis Ende 2018 bestand das Netzwerk aus 21 Modehändlern. Durch die strategische Partnerschaft mit dem Bielefelder Einkaufsverband Katag konnten seit 2019 weitere Partner dazugewonnen werden. Seitdem ist auch Matti Schulze, der bei der Katag als Bereichsleiter für Digitalisierung und Omnichannel-Management zuständig ist, als dritter Geschäftsführer mit an Bord. Der große Boom hat dann im letzten Jahr eingesetzt. Zum einen durch den Zuwachs an neuen Partnern, aber auch im Hinblick auf den Digitalisierungsgrad der bestehenden Mitgliedsunternehmen. „Vor der Coronakrise nutzten viele unserer Mitgliederdas Netzwerk in erster Linie zum Erfahrungsaustausch. Inzwischen liegt der Digitalisierungsgrad etwa bei 70 Prozent und wir betreuen knapp 90 Onlineshops“, beschreibt Matti Schulze die Entwicklung.
Gebietsschutz garantiert
Modehaus. de bietet verschiedene Formen der Mitgliedschaft von S bis XL an. Schon beim Einstiegspaket ist die Zusicherung eines Lizenzgebietes mit Wettbewerbsschutz dabei. Jeder Modehaus.de-Partner kann entscheiden, ob in diesem Gebiet ein weiteres Unternehmen Mitglied werden darf. „In den vergangenen Jahren haben unsere Partner knapp 60 Anfragen anderer Händler abgelehnt. Die Investitions- und Innovationskraft des Netzwerks basiert auch auf dem Grundgedanken des Erfahrungsaustausches. Die Bereitschaft, in gemeinsame Projekte zu investieren, lässt natürlich nach, wenn man weiß, dass der direkte Konkurrent auch davon profitiert“, erklärt Ole Grave das System. Dem weiteren quantitativen Wachstum von Modehaus.de sind deshalb Grenzen gesetzt. In der DACH-Region wird das maximale Potenzial bei 150 bis 180 Unternehmen gesehen.

Holger Wellner (Mitte) und Ole Grave (links) haben Modehaus. de vor zehn Jahren gegründet. 2019 kam Matti Schulze (rechts) von der Katag als dritter Geschäftsführer hinzu.
Foto: Modehaus.de
Die Modehaus.de-Macher gehen davon aus, dass der stationäre Modehandel mittelfristig etwa 30 Prozent seiner Umsätze online erwirtschaften wird. Neben dem eigenen Onlineshop ist auch der Plattformvertrieb ein wichtiges Standbein. Aktuell bestehen bereits Kooperationen mit Amazon, Zalando und Outfits24. In diesem Frühjahr kamen Otto.de und Kaufland.de hinzu. Im vierten Quartal 2020 wurde Modehaus. de selbst zur Online-Plattform.
Über die Website www.modehaus.de können die Konsumentinnen und Konsumenten jetzt nicht nur auf die Sortimente der angeschlossenen Partnerunternehmen, sondern auch auf die Bestände von Marken und anderer Händler zurückgreifen.
Mit B2B-Warenbörse
Ein anderes Projekt, das derzeit forciert wird, ist die B2B-Warenbörse. Seit Ende 2020 können die Verkaufsteams auf der Fläche bei Nichtverfügbarkeit eines Artikels die Bestände der Modehaus.de-Partner überprüfen und gegebenenfalls dort bestellen. „Aufgrund weiter rückläufiger Frequenzen müssen wir die Conversion Rate im stationären Handel signifikant erhöhen“, begründet Wellner.
Ab sofort wird diese B2B-Warenbörse auch online funktionieren. Kund:innen, die im Onlineshop eines Partners nicht fündig geworden sind, werden innerhalb des Netzwerks weitervermittelt. Das Konzept wurde auch vom HDE honoriert und erreichte beim HDE Innovationspreis im Herbst 2020 den zweiten Platz.
Ein wichtiges Thema, das viele Modehaus. de-Partner bei ihren Online-Aktivitäten umtreibt, ist das Problem des fehlenden Contents. Von vielen Artikeln gibt es keine oder nicht genügend Fotos. Mit dem neuen Artikel-Redaktions-Tool (ART) soll das Problem gelöst werden, wie Ole Grave erklärt: „Unser Ziel ist, dass unsere Partner eigene Fotostudios aufbauen und die Artikelfotos innerhalb der Gruppe geteilt werden. Mit diesen dezentralen Einheiten können wir viel schneller digitale Zwillinge möglichst vieler Artikel erstellen und diese dann in der Hochmargen-Zeit für digitale Marketing- Kanäle nutzen.“
„Die Online-Affinität der Kunden bleibt auch nach Corona bestehen. Deshalb ist es wichtig, dass die Modehändler ihre Online-Sichtbarkeit weiter erhöhen. Im Mindset der Kunden war ihr Lieblings-Modegeschäft bisher in der digitalen Welt nicht existent. Das hat sich durch Corona verändert. Diese Chance müssen die Unternehmen nutzen und für ihre Kunden auf vielen verschiedenen Kanälen präsent sein“, ergänzt Matti Schulze.