Die Corona-Pandemie ist weiterhin ein starker Treiber der digitalen Transformation und KI-gestützter Technologien. „Das Kundenverhalten hat sich in der Corona-Krise geändert und damit auch die Spielregeln im Retail“, sagt Anastasia Laska, VP of Business Development und Partner Alliances EMEA bei dem globalen Preis-Optimierungs-Unternehmen Revionics, „IT-Roadmaps wurden zum Teil um 2 bis 5 Jahre beschleunigt.“

Hinzu kommen die durch die Krise getriebene Inflation und Schwankungen von Kostenfaktoren, die zu Störungen in der Lieferkette und zur Volatilität der Nachfrage beitragen. Dazu Laska: „Eine gesunde Preisgestaltung ist nun deutlich schwieriger umzusetzen, die Händler müssen jetzt kanalspezifischer und lokal entscheiden.“ An dieser Stelle können laut der Expertin aussagekräftige Analysen und KI-gestützte Preisoptimierung unterstützen und Händler so durch Preiserhöhungen und -senkungen auf die Preissensibilität der Kundschaft eingehen.

KI versus Mensch

Durch die zunehmende Ausbreitung der digitalen Preisauszeichnung steigt die Zahl möglicher Anwendungsszenarien für Dynamic Pricing. Zwar kann im stationären Handel von einer wie im E-Commerce bereits üblichen automatisierten, KI-basierten Preisgestaltung mit untertägig wechselnden Preisen noch nicht gesprochen werden, doch die Vortragenden sind sich einig, dass größere Sortimente, hohe Preistransparenz und die Wettbewerbsintensität des Online-Handels die Bedeutung von Dynamic Pricing gesteigert haben – online und offline.

Vor allem Branchen, die starkem Online-Wettbewerb ausgesetzt sind, halten dynamische Preise zum Teil für zwingend notwendig. „Die Kunden sind durch den E-Commerce verwöhnt und erwarten die Erfahrungen aus dem Online-Handel auch im stationären Geschäft“, sagt Klaus Peter Münstermann, Industry Expert Retail bei T-Systems International. Im Rahmen neuer Omnichannel-Konzepte entstehen dabei laut dem Experten auch viele neue Verkaufsmodelle, die sich derzeit rasant entwickeln; und mit ihnen wächst auch die Komplexität der dahinterstehenden Prozesse und Daten, mit denen Unternehmen nun arbeiten müssen.

Die Kunden sind durch den E-Commerce verwöhnt.

Klaus Peter Münstermann

Industry Expert Retail, T-Systems International

An dieser Stelle können neue Technologien helfen: „Künstliche Intelligenz kann Produktpreise schneller und zuverlässiger bestimmen als ein Mensch. Durch die Menge an Einflussfaktoren und Kanälen haben manuelle Prozesse an Effektivität verloren“, sagt Natalie Horn, Business Developmanager bei Aifora.

Daten des E-Commerce nutzen

„Daten aus dem E-Commerce können auch bei der Preisgestaltung im stationären und im Online-Shop helfen“, sagt Felix Meiser, Sales Manager bei Patagona. Das Darmstädter Unternehmen entwickelte das Repricing-Tool „Pricemonitor“, das unternehmensinterne Daten wie zum Beispiel den Lagerbestand miteinbezieht und mit Verkaufsdaten sowie Wettbewerbsdaten aus dem E-Commerce kombiniert.

„Die Zukunft des Pricings gehört dem prognosebasierten System“, ist auch Felix Hoffman, Co-Founder bei 7-Learnings, überzeugt. Die cloudbasierte Software des Unternehmens nutzt Machine Learning, um Nachfragetreiber und Preiselastizität zu identifizieren. Basierend auf diesen Treibern prognostiziert die Lösung Gewinn und Umsatz für die verschiedenen Preispunkte.

Hürde Daten

Eine Hürde bei der Einführung bildet auch die Erstellung einer zum Unternehmen und den eigenen Zielen passenden Datengrundlage. Dabei sind die Daten meist schon vorhanden, erklärt Sebastian Kramp, Architekt BigData/Analtics bei SVA System Vertrieb Alexander in seinem Vortrag: „Unternehmen haben diverse Analysesysteme, um Informationen aus bestimmten Datenbeständen zu beziehen.” Allerdings fehle oftmals eine übergreifende Ansicht, mit der Prozesse auf Funktionalität oder Datenflüsse durch verschiedene Systeme im Auge behalten werden können.

Plattformen wie das System von Splunk verknüpfen die Daten aus allen Unternehmensbereichen auf Dashboards miteinander. Splunk, Partner von SVA, ermöglicht Unternehmen, die Daten zu untersuchen, anzureichern, analysieren und als Basis für konkrete Handlungen nutzbar machen. Durch die Aufbereitung und Aggregation können so u. a. Aussagen für das Predictive Pricing getroffen werden.

Die Zukunft des Pricings gehört dem prognosebasierten System

Felix Hoffman

Co-Founder, 7-Learnings

„Wichtig ist es, die Preiselastizitäten für belastbare Prognosen adäquat zu berücksichtigen“, erklärt Nils Streitbürger, Gründer und Geschäftsführer von Panther Solutions in seinem gemeinsamen Vortrag mit Klaus Peter Münstermann von T-Systems. Die Lösung des Unternehmens will mit KI-gestütztem „Intelligent Pricing“ einen Schritt weitergehen als die reine wettbewerbsorientierte Bepreisung und kombiniert diese mit prognosebasierten Preislogiken. Dazu Streitbürger: „Der Online-Marktpreis ist für den Händler eine wichtige Orientierung, den es für optimales Multichannel Pricing zu berücksichtigen gilt, er stellt aber niemals per-se das Preisoptimum dar.“

Ebenso wichtig sei eine kontinuierliche Analyse der Artikelperformance sowie weitere Faktoren wie die Bestands- und Ordersituation. Kern der Anwendung ist eine Machine-Learning-Software, die, basierend auf Warenwirtschaftsdaten wie Transaktionen, Lagerbeständen sowie Produktdaten den Abverkauf von Artikeln modelliert. Basierend auf diesen Modellen werden Voraussagen des Abverkaufs in Abhängigkeit zur Preisgestaltung getroffen, mit deren Hilfe Händler ihre Erträge und Lagerbestände durch passende Preisgestaltung optimieren können.

Mindesthaltbarkeitsdatum

Die Besonderheiten der Preisgestaltung im Lebensmittelhandel beleuchtete Sandy Preuss aka Mrs. Pricing, Senior Product Owner & Project Manager bei Prudsys in ihrem Vortrag. „Gerade bei Frische- und Verfallsprodukten ist der fristgerechte Abverkauf essenziell, um wirtschaftliche Verluste und Lebensmittelabfälle zu vermeiden”, sagt Preuss. Für diesen Zweck entwickelte Prudsys als Teil der GK Software Lösung AIR Dynamic Pricing eine App für die agile und nachhaltige Bepreisung von Frische- und Verfallsprodukten im Lebensmitteleinzelhandel. Mittels Scanfunktion kann das Personal in der Filiale Produktdaten erfassen, auf deren Basis die KI optimale Preise oder Rabatt berechnet.