Brand, Verrauchung, Bombenalarm oder Terrorismus: Wenn Menschenleben in Gefahr geraten, muss die Evakuierung des Gebäudes schnell, geordnet und sicher ablaufen. Auch die Betreiber von Handelsimmobilien sind per Gesetz verpflichtet, geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, um den Schutz von Menschen sicherzustellen, die sich im Gebäude aufhalten. Dabei sind Immobilien mit komplexen Grundrissen wie Shopping-Center und Warenhäuser, aber auch ein- oder mehrgeschossige Fachmärkte aufgrund diverser zu schützender Bereiche und der hohen Personenfrequenz herausfordernd für den Brandschutz.

Eine dynamische
Fluchtweglenkung ist
richtungsvariabel, sperrt
optisch den Gefahrenbereich
und lenkt über den verbliebenen
Weg ins Freie
Foto: Inotec
Für den Brandschutz in Verkaufsstätten gelten die Musterbauordnung (MBO) bzw. Landesbauordnung (LBO) sowie die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A2.2 und ASR A2.3). In Verkaufsstätten müssen mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege zu Ausgängen ins Freie oder zu Treppenhäusern führen. Gesetzlich vorgeschrieben sind auch die Sicherheitsbeleuchtung (bei Ausfall der Allgemeinbeleuchtung) sowie optische Sicherheitszeichen, die den schnellsten Weg zu den Flucht- und Rettungswegen anzeigen.
Variable Steuerung
Statische Fluchtwegkennzeichnungen mit fester Richtungsanzeige haben den Nachteil, dass sie unter Umständen in einen Gefahrenbereich hineinlenken. Zum Beispiel bei Brand in einem Treppenhaus, das als Fluchtweg ausgewiesen ist. Bei dem Konzept der dynamischen Fluchtweglenkung werden die beleuchteten Rettungszeichen einmalig an die aktuelle Gefahrenlage angepasst: Der nicht mehr nutzbare Fluchtweg wird mit einem roten Kreuz gesperrt und die Evakuierung wird über die verbliebenen Fluchtwege gelenkt. „Die dynamische Fluchtweglenkung erhöht die Sicherheit erheblich, verkürzt die Selbstrettungszeit und ist besonders wichtig für Menschen mit Behinderungen“, sagt Ulrich Höfer, Leiter Projektmanagement Dynamische Leitsysteme bei Inotec Sicherheitstechnik in Ense.
Technische Voraussetzung für die Auslösung der dynamischen Fluchtweglenkung ist die Programmierung der Gefahrenmeldeanlage (z. B. Brandmeldeanlage) und der richtungsvariablen Sicherheitsbeleuchtung. Wenn die Gefahrenmeldeanlage den Brand detektiert, dann muss diese Meldung an die Sicherheitsbeleuchtung gehen. Diese wertet die Informationen der Gefahrenmeldeanlage aus und zeigt optisch den sicheren Fluchtweg an. Muss dafür die Elektroinstallation in Bestandsimmobilen angepasst werden? Ulrich Höfer: „Wenn die Sicherheitsbeleuchtung im Gebäude über eine zentrale Batterieanlage oder von dezentralen Gruppenbatteriegeräten nach Stand der Technik gespeist wird, ist keine zusätzliche Verkabelung erforderlich.“
Werden die Sicherheitskennzeichen über Einzelbatterien mit Energie versorgt, dann müssen zusätzliche Verkabelungen für die Informationsübermittlung gelegt werden. Für die dynamische Fluchtweglenkung sind intelligentere Rettungszeichenleuchten erforderlich, die wechselnde Anzeigen ermöglichen. Stand der Technik ist die TFTLeuchte. Wie auf einem Bildschirm lassen sich verschiedene Symbole und auch Klartext darstellen. „Wichtig ist, dass die Anzeige richtungsvariabel ist, eine Blinkfunktion beinhaltet und eine Sperrsymbolik anzeigen kann“, sagt Sicherheitsexperte Höfer.
Die dynamische Fluchtweglenkung erhöht die Sicherheit erheblich, verkürzt die Selbstrettungszeit und ist besonders wichtig für Menschen mit Behinderungen.
Ulrich HöferKompensation durch Fluchtweglenkung
Mit der Einrichtung einer dynamischen Fluchtweglenkung lassen sich erhebliche Einsparungen bei den Baukosten realisieren. Zum Beispiel dann, wenn eine erworbene Bestandsimmobilie für die Nutzung als Verkaufsfläche an die aktuellen Brandschutzvorschriften angepasst werden muss. Eine Holztreppe im zentralen Treppenraum zum Beispiel bedeutet eine zu hohe Brandlast und schließt diesen Bereich als Fluchtweg zunächst aus. Also müsste sie durch eine Betontreppe ersetzt werden oder man baut einen Fluchttreppenturm an einer Außenseite des Gebäudes. Beide Maßnahmen wären mit hohen Investitionen verbunden.
Die Baukosten zur Realisierung eines gesetzeskonformen gebäudetechnischen Brandschutzes können durch eine dynamische Fluchtweglenkung kompensiert werden. Sollte es im Treppenhaus brennen, wird dieser Bereich automatisch abgesperrt und auf einem anderen Fluchtweg nach draußen geleitet. Auch bei Neubauten lassen sich Komplikationen im baulichen Brandschutz durch eine dynamische Fluchtweglenkung mit geringem technischem Aufwand kompensieren. Durch sie können beispielsweise leichte Abweichungen von den Bauvorschriften bereits in der Entwurfsphase ausgeglichen werden.

