In Städten mit historischen Sehenswürdigkeiten, in Factory-Outlet- Centern und in großen Einkaufszentren wächst die Anzahl der sogenannten Shopping-Tourist:innen kontinuierlich. Laut einer Studie des EHI freuten sich schon 2008 deutsche Händler über 15,7 Mio. ausländische Einkaufstourist: innen. Zehn Jahre später war die Zahl um 45 Prozent auf 22,9 Mio. gestiegen.
Breitenwirkung
Deren Pro-Kopf-Ausgaben übersteigen die der einheimischen Konsument:innen um ein Vielfaches, und dabei spielt vor allem das Tax-free-Shopping eine Rolle. Dies bedeutet, dass Tourist:innen aus Nicht-EU-Ländern auf ihre Einkäufe die Mehrwertsteuer zurückerstattet bekommen, sofern sie die gekauften Waren „unberührt/unbenutzt“ ausführen. Mit dem Einkauf gibt es an der Kasse ein Formular, das die Kund:innen bei der Ausreise dem Zoll zur Bestätigung vorlegen, um die Steuerrückerstattung durch den Einzelhändler zu erhalten.

Grafik
Foto: Digitaler Zollstempel
Die Ergebnisse einer Studie von Oxford Economics (2022) im Auftrag von Global Blue machen die ökonomische Bedeutung des Tax-Free-Shoppings deutlich: In 2019 tätigten rund 10 Mio. Nicht-EU-Besucher: innen Einkäufe in der EU im Wert von etwa 19,5 Mrd. Euro. Dabei zeigt sich, das Thema nicht nur eng mit anderen wirtschaftlichen Aktivitäten in Tourismus, Gaststätten, Freizeitwirtschaft usw. verknüpft ist, sondern auch weitreichende positive Auswirkungen wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, Anziehung von mehr Reisenden und Umsatzsteigerungen im Nicht-Einzelhandel hat. Insgesamt führt dies zu mehr Steuereinnahmen.
Die Erstattung der Mehrwertsteuer wurde in den letzten Jahren auch in Deutschland bereits weitgehend digitalisiert. Händler und Rückerstatter als professionelle Dienstleister haben so den Prozess vereinfacht, beschleunigt und sicherer gemacht. Aufseiten des Zolls sieht das bisher allerdings anders aus: Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern muss hier nach wie vor jeder Ausfuhrkassenzettel durch die Beamten manuell und physisch abgestempelt werden.
Hintergrund: Initiative Digitaler Zollstempel
Die im Januar 2022 gegründete Initiative Digitaler Zollstempel sieht sich als Partner des Bundesministeriums der Finanzen und der Generalzolldirektion bei der Entwicklung eines digitalen Zollstempels auch in Deutschland. Mitglieder und Unterstützer der Initiative sind Unternehmen, Verbände und Dienstleister im Bereich des mehrwertsteuerfreien Einkaufs für Tourist:innen, insbesondere aus Einzelhandel und der Tourismusund der Luftfahrtbranche. Darüber hinaus arbeitet die Initiative mit Expertengremien und weiteren Netzwerken zusammen. Weitere Informationen finden sich hier: www.digitalerzollstempel.de
Digital beschleunigt
Der Umstand, dass in Deutschland – anders als in fast allen vergleichbaren Ländern – beim Zoll nach wie vor ausschließlich das manuelle Verfahren besteht, bringt für alle Beteiligten Nachteile mit sich. Verkehrsstaus an der Landesgrenze zur Schweiz und Warteschlangen an den Flughäfen bedeuten für die Reisenden selbst, aber auch für die Umwelt eine erhebliche Belastung. Für den Einzelhandel ist die mangelnde Digitalisierung ebenfalls ein Hindernis.
Denn alle Belege – darunter auch die durch den Zoll abgestempelten Papierbelege – müssen mindestens zehn Jahre lang physisch aufbewahrt werden. Das bedeutet, dass der Händler mit Raum- und Verwaltungsaufwand konfrontiert wird, um die Logistik hinter der langjährigen Lagerung der Dokumente zu gewährleisten. Zudem fällt es dem Handel und seinen Steuerprüfern oft schwer, die Echtheit von Zollstempeln zu überprüfen, da dies einiges an Fachwissen erfordert.
Auch für die internationalen Touristen, die über Flug- und Seehäfen ausreisen, brauchen wir einen digitalen Zollstempel nach internationalem Vorbild.
Jennifer Noelle
Auch in Deutschland besteht seit Langem die Absicht, die Erteilung des Zollstempels im Einkaufstourismus zu digitalisieren. Seit 2013 wird unter Beteiligung der IHK Hochrhein- Bodensee in Konstanz an einer Lösung gearbeitet – der Erfolg steht noch aus. Für eine Modernisierung des Verfahrens durch die Generalzolldirektion (GZD) hat der Deutsche Bundestag zuletzt im Januar 2022 nochmals die notwendigen Haushaltsmittel freigegeben.
Gegenwärtig arbeitet eine Projektgruppe der GZD an dem Vorhaben, wobei das Verhältnis zwischen einer gesonderten Lösung ausschließlich für die Schweizer Grenze und der ansonsten geltenden „bundesweiten“ Lösung noch geklärt werden soll. Vor diesem Hintergrund hat sich Anfang 2022 die Initiative Digitaler Zollstempel zusammengefunden, die sich als Dialogpartner der Politik und Vertreter der Interessen der betroffenen Wirtschaft bei der Digitalisierung im Tax-Free-Bereich in Deutschland versteht.
Neben großen Einzelhändlern wie Aldi, Edeka, Rewe oder Ceconomy, dem Kadewe oder dem Outlet City Metzingen sind dabei unter anderem auch der HDE, der HV-Südbaden und das EHI Retail Institute Mitglieder und Unterstützer der Initiative.