Die neue, ab Mitte 2026 geltende EU-Verordnung für Verpackungen und Verpackungsabfall, die Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR), baut für Verpackungshersteller und Versandhändler gleichermaßen neue Hürden auf. Verpackungsabfall muss bis 2030 um fünf Prozent gegenüber 2018 und bis 2035 um zehn Prozent reduziert werden. Außerdem sollen der Leerraum bei Umverpackungen auf maximal 50 Prozent begrenzt, das Verpackungsgewicht verringert und die Kreislaufwirtschaft mit mehr Recyclateinsatz gefördert werden.

Dass die Verpackungsindustrie bereits mit Hochdruck an zukunftsorientierten Lösungen arbeitet, wurde im März auf der Fachmesse Logimat in Stuttgart deutlich. Ansätze sind die Weiterentwicklung wiederverwendbarer und recyclebarer Materialien, die Einbindung neuer Grundstoffe und Mehrweglösungen, aber auch Innovationen rund um die Maschinen in den Versandzentren. „Bei den Verpackungsmaschinen stehen On-demand-Lösungen sowie individuelle, volumenoptimierte Verpackungen und reduzierter Materialeinsatz im Fokus.

Bei den Materialien werden insbesondere neue Materialkombinationen und behälterbasierte Mehrweglösungen vorgestellt“, fasst Logimat-Messe-Chef Michael Ruchty die Trends zusammen. Zu den Messeexponaten zählten beispielsweise vollautomatische Systeme für den E-Commerce, die innerhalb von Sekunden Kartons nach Maß fertigen oder verschiedenste Artikel in Papierverpackungen versandfertig machen.

Ohne Pappe geht nichts

Über zwei Drittel aller Waren in Deutschland werden in Verpackungen aus Wellpappe transportiert, wie der Verband der Wellpappenindustrie e.V. (VDW) in seinen Statistiken ausweist. Im E-Commerce liegt der Anteil sogar bei 90 Prozent. Die Recyclingquote des Materials beträgt 95,3 Prozent. Mit Blick die EU-Verpackungsordnung (PPWR) sieht sich die Branche gut gerüstet. „Das Kreislaufprodukt Wellpappe kann weiterhin einen wertvollen Beitrag zu umweltfreundlicheren Lieferketten leisten. Und weil sich Wellpappe besonders flexibel an verschiedenste Waren anpassen lässt, ist sie zudem optimal für die von der PPWR vorgegebene Verringerung des Leerraumes geeignet“, sagt der VDW-Vorsitzende Steffen P. Würth. 2023 setzten die im VDW organisierten Unternehmen 7,348 Mrd. qm Wellpappe ab.

Offensive von Amazon

Im Mai 2025 fiel bei Amazon der Startschuss für eine Großinvestition in neue Verpackungstechnik. In den kommenden drei Jahren sollen Hunderte von automatisierten Verpackungsmaschinen zur Herstellung maßgeschneiderter Kartons und Papiertüten in europäischen Logistikzentren installiert werden. Bereits in diesem Jahr sollen 30 Maschinen nach Deutschland kommen und weitere 40 nach Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien.

Dank neuer Verpackungsmaschinen kann Amazon jetzt mehr Sendungen mit weniger Fahrzeugen transportieren

Dank neuer Verpackungsmaschinen kann Amazon jetzt mehr Sendungen mit weniger Fahrzeugen transportieren
Foto: Amazon

Die neue Kartonmaschine basiert auf Automatisierung und präziser Messtechnologie. Mitarbeitende legen das Produkt in die Maschine, die mithilfe von Sensoren die Abmessungen misst. Anschließend produziert sie automatisch einen passenden Karton und bringt das Versandlabel direkt an. Hinzu kommt eine weitere, von Amazons Verpackungsingenieuren neu konzipierte Maschine, die Papiertüten nach Maß schneiden kann. Auch hier erkennen Sensoren die Abmessungen eines Produkts, bevor die Maschine dann eine passgenaue Schutzverpackung aus wetterbeständigem Papier herstellt.

Damit lassen sich laut Amazon durchschnittlich rund 26 g Verpackungsmaterial pro Sendung einsparen. Die verwendeten Papiertüten sollen bis zu 90 Prozent leichter sein als Kartons ähnlicher Größe. Nach erfolgreichen Tests in Logistikzentren in Deutschland und Großbritannien wird auch diese neue Technologie in den genannten Ländern sowie in Frankreich, Italien und Spanien ausgerollt.

Zusätzlicher Bonus: Die Maschinen sind nicht neu, sondern es werden dafür stillgelegte Maschinen im Bestand umgerüstet, die in der Vergangenheit Plastikumverpackungen herstellten, die Amazon in Europa inzwischen nicht mehr verwendet. Komplettiert wird die aktuelle Verpackungsoffensive von Amazon mit einer innovativen Etikettierung. Der „Universal Robotic Labeller“ ist eine Hochgeschwindigkeits- Etikettiermaschine, die kleinere Etiketten auch auf unregelmäßig geformte Produkte aufbringen kann. Die Versandlabels können auch auf Produkte angebracht werden, die in ihrer Originalverpackung versendet werden. Damit entfällt in vielen Fällen die Notwendigkeit einer zusätzlichen Verpackung, was den Abfall ebenfalls reduziert.

Die neuen Technologien werden laut Amazon dazu beitragen, das Verpackungsvolumen von Millionen von Lieferungen zu reduzieren. Durch die damit verbundene bessere Nutzung des Platzes in den Lieferfahrzeugen können auch mehr Sendungen mit weniger Fahrzeugen transportiert werden. „Um Abfall weiter zu vermeiden, müssen wir Verpackungen reduzieren. Maschinelles Lernen und Automatisierung ermöglichen es uns, Verpackungen passgenau zu erstellen und gleichzeitig Produkte optimal zu schützen“, sagt Pat Lindner, VP Mechatronics and Sustainable Packaging bei Amazon. Seit 2015 konnte Amazon nach eigenen Angaben das durchschnittliche Verpackungsgewicht pro Sendung um mehr als 40 Prozent senken und so über drei Millionen Tonnen Material einsparen.

Otto sammelt Plastik

Der Versandhändler Otto verwendet Kartons aus Paludi-Biomasse, die in Mooren gewonnen wird

Der Versandhändler Otto verwendet Kartons aus Paludi-Biomasse, die in Mooren gewonnen wird
Foto: Otto

Auf eine Reihe interessanter Innovationen setzt der Versandhändler Otto bei seinen Verpackungen. So sollen alle Versandkartons bis 2028 einen höchstmöglichen Anteil an Paludi-Biomasse enthalten, um die Verwendung von Altpapier zu reduzieren. Paludi wird unter anderem aus Nasswiesengräsern wie Segge und Binsen hergestellt, die in wiedervernässten Mooren ohne Torfverlust gewonnen werden. Alle Versandtüten von Otto werden seit Anfang 2024 zu 100 Prozent aus recyceltem „Wildplastic“ des gleichnamigen Hamburger Unternehmens hergestellt.

Dafür werden Plastikabfälle vor allem in Regionen ohne ausreichende Müllinfrastruktur gesammelt, insbesondere in Indien, Indonesien, Thailand und dem Senegal. Sortiert, gewaschen, zerkleinert und zu Granulat verarbeitet, bilden die Abfälle die Grundlage für alle zirkulären „Wildplastic“-Produkte. Die Herkunft des verwendeten Plastiks können die Kunden per QR-Code auf den Tüten nachvollziehen. Gemeinsam mit dem Start-up-Unternehmen Traceless Materials entwickelt Otto biologisch abbaubare, plastikfreie Verpackungen.

Ziel ist es, den Anteil an Produkten mit erhöhtem Nachhaltigkeitsanspruch weiter zu steigern, insbesondere in den Sortimenten Möbel sowie Home & Deko. Maßgeblich hierfür ist die Umstellung auf recycelte Fasern. Seit vielen Jahren setzt Otto zudem auf FSC-zertifiziertes Holz. Die Quote bei den Eigen- und Lizenzmarken liegt bereits bei 98 Prozent und soll 2028 100 Prozent erreichen.

Zalando bündelt

Auch der Versand verschiedener Anbieter über eine Plattform kann die Verpackungsflut verringern. Voraussetzung ist aber, dass die Anbieter auf ein und dieselbe Logistikinfrastruktur zugreifen. Dann können mehrere zeitgleiche Bestellungen in einem Paket gebündelt und versendet werden. Das ist bei Weitem nicht die Regel. Oft bestellt ein Kunde oder eine Kundin bei Amazon oder einem anderen Marktplatzbetreiber mehrere Artikel und erhält diese dann vom jeweiligen Anbieter in einzelnen oft völlig überdimensionierten Paketen zugestellt.

Zeos, die B2B-Plattform von Zalando, strebt eine zentrale Abwicklung an und begründet diese Initiative mit Material- und Kostenersparnissen. Von der Zusammenführung der Bestellungen mehrerer Marken würden alle Beteiligten profitieren: „Kund:innen erhalten nur noch ein Paket, und die Anbieter sparen bis zu 20 Prozent ihrer Logistikkosten“, heißt es bei Zeos. Motto: „Eine Bestellung. Ein Paket.“