Der Einsatzbereich der Waage hat sich im Lebensmittelhandel in den letzten Jahren verändert und erweitert. Die Bedeutung der reinen Wägefunktion rückt zugunsten weiterer Funktionen in den Hintergrund. Die Waage wird integraler Bestandteil der IT-Infrastruktur. Allerdings nutzt erst ein Bruchteil der Lebensmittelmärkte den Leistungsumfang, den moderne, PC-basierte Waagen in Verbindung mit moderner Filial-IT bzw. Warenwirtschaftssystemen liefern können.  

Nicht zuletzt unter dem Druck der großen Handelsunternehmen stellten sich die Waagenhersteller dem Wettbewerb der offenen Systeme und brachten Lösungen auf den Markt, die sich heute direkt an die vorhandene IT-Infrastruktur anbinden lassen. So ersetzen OPOS-Treiber (offene Standards für Anbindungen) auch bei den Waagen zunehmend die zuvor komplexen Interfaces und ermöglichen die Nutzung von artikelgenauen Abverkaufsdaten und zusätzlichen Funktionen wie zum Beispiel Kundenkarten oder digitale Instore-Kommunikation.

Tiefe Integration in die vorhandene IT-Infrastruktur.

Peter Laudien-Weidenfeller

Director Retail, Bizerba

Die Edeka hat 2007 mit dem Start ihres unternehmensweiten IT-Programms „Lunar“ explizit darauf hingewiesen, dass „auch die Waagen-Anbieter die zentrale Forderung erfüllen müssen, dass jede Funktion problemlos unter der vorhandenen Software-Umgebung läuft“. Neben der gruppenweiten Vereinheitlichung der Stammdaten spielt die Entwicklung eines durchgängigen Warenwirtschaftssystems für Einzelhandel, Großhandel und Zentrale eine wesentliche Rolle.

Offene Schnittstellen und Standards sind die Trends bei Bedienungswaagen

Waage mit Kundendisplay

Der Nachholbedarf beim Ausschöpfen des Potenzials der Waagen ist groß. So sind nach Einschätzung von Peter Laudien-Weidenfeller, Director Retail bei Bizerba in Balingen, höchstens fünf Prozent aller Händler bislang in der Lage, die auf den Bedienungswaagen registrierte Warengruppe Frische artikelgenau zu erfassen beziehungsweise die Daten dem Warenwirtschaftssystem zur Verfügung zu stellen. Laudien-Weidenfeller: „Das Auflösen der Warengruppe Frische auf Produktebene ist einer der großen Trends, die derzeit bei den Waagen im Lebensmittelhandel stattfinden.“  

Offene Schnittstellen und Standards hat sich auch Mettler Toledo aus Albstadt auf die Fahnen geschrieben: „Wir sehen uns als eine treibende Kraft, wenn es gilt, offene Standards in die eigenen Produkte zu implementieren und im Einzelhandelsumfeld voranzubringen“, sagt Daniel Joha, Leiter Retail Marketing Management. Ein Beispiel, welche Anwendungen durch offene Systeme möglich werden, liefert die Installation neuer Kassenwaagensysteme von Mettler Toledo bei dem Filialisten Tee Gschwendner, die im November 2010 abgeschlossen wurde. Die Meckenheimer Zentrale hat auf alle neuen Waagen- und Kassenbildschirme in ihren bundesweit 125 Tee- Fachgeschäften Info-Einblendungen rund um das Geschmackserlebnis Tee sowie Elemente zur visuellen Verkaufsförderung aufgespielt.

Regie bei der zentralen Erstellung des Einspielplans sowie der Bereitstellung der Inhalte führte die webbasierte Applikation „Fresh Look Promoter“ von Mettler. Eine weitere wesentliche Neuerung für die Kunden ist die in die neue Lösung integrierte Payback-Funktion, die auch in das Digital-Signage-Konzept eingebunden ist. So erfolgt bei jedem Bezahlvorgang auf dem Bildschirm für den Kunden der Hinweis, dass er mit jedem Einkauf bei Tee Gschwendner Payback-Punkte sammeln oder seinen Tee damit bezahlen kann.

Nahtlose Integration

Waage mit Kundendisplay

Peter Laudien-Weidenfeller, Director Retail, Bizerba

Auch die SuperBioMarkt AG verfolgte mit der Umstellung ihrer Waagen auf moderne Mettler-Systeme als wichtigstes Ziel, die Wägetechnologie nahtlos in die Warenwirtschaft zu integrieren. „Die Anbindung der Waagen an unsere zentralisierte IT-Infrastruktur eröffnet uns zahlreiche neue Optionen“, so Vorstandschef Michael Radau. So sei man dank der nahtlosen Integration von Waage, Kassensoftware und Warenwirtschaftssystem wesentlich besser über die Abverkäufe und den Bestand informiert. Interessante Optionen sind nach Worten von Radau auch die neuen Möglichkeiten, die vernetzte PC-Waagen in der Verkaufsförderung bieten: neben den Werbeeinblendungen auf dem kundenseitigen Display auch Produktinformationen für die Mitarbeiter. Das Zusammenspiel zwischen dem Warenwirtschaftssystem „BioOffice“, der Kassensoftware „BioBill“ der Berliner Bits und Bytes Service und Lernen GmbH und den Theken- und Checkout-Waagen von Mettler Toledo funktioniert nach Darstellung von SuperBioMarkt reibungslos. Damit können sowohl die Marktleiter als auch das Team der Zentrale jederzeit den aktuellen Warenbestand im Frischebereich im Auge behalten. Eine praktische Lösung hat man an der Frischetheke mit Sammelbons gefunden: Kauft ein Kunde vier verschiedene Käsesorten, fasst die Waage diese auf einem einzigen Bon zusammen. Sobald der Bon am Checkout gescannt wird, löst die Kassensoftware ihn automatisch in Einzelpositionen auf und speist diese separat in das Warenwirtschaftssystem ein.  

Die Bünting Unternehmensgruppe mit Zentrale in Leer setzt seit Mitte 2010 in ihren Verbrauchermärkten neue Waagenlösungen von Bizerba ein. Für die Waagen an den Bedientheken bedeutet das: 26.000 Artikeldaten und Werbeinhalte stehen jetzt abrufbereit zur Verfügung. Informationen, Bilder und Neueinlistungen lassen sich jetzt zentral steuern und erscheinen in Echtzeit am POS. Die Mitarbeiter in der Zentrale können schnell sehen, welche Aktionen in welchem Markt besonders gut ankommen. Bislang nutzen die Combi-Märkte der Bünting Unternehmensgruppe die Lösung. Danach soll sie auch in den Familia-SBWarenhäusern und den selbstständigen Markant-Märkten eingeführt werden. Couponing, Cross-Selling, individuelle Schulungen von Teilzeitkräften – all dies wird nach und nach eingeführt und kann dann von jedem Markt genutzt werden.

Trend zu offenen Systemen

Das nahtlose Zusammenspiel und die, so Peter Laudien-Weidenfeller: „sehr tiefe Integration der Waagenwelt in die Handels-IT“ zählt bei Bizerba seit Jahren zu den Kernthemen der Entwicklung. Ende 2010 hat Bizerba mit der GK Software AG, Schöneck, ein Partnerschaftsabkommen geschlossen, das dieser Strategie Rechnung trägt. Ziel ist die Entwicklung einer plattformunabhängigen Lösung für Handelswaagen innerhalb der GK/Retail-Suite. GK entwickelt mit „Retail Open Scale“ eine neue Lösung, die direkt auf der PC-basierten Waagenhardware von Bizerba eingesetzt werden kann. Durch die Trennung von Hardware, Betriebssystem und Wäge-Applikation wird damit auch im Bereich der Handelswaagen der Weg zu offenen Systemen beschritten. Für die Einzelhändler ergeben sich daraus nach Darstellung von GK „eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, die von der Wahlfreiheit bei der eingesetzten Waagenhardware bis hin zu deutlich besser integrierten Systemlandschaften reichen“.  

Die Waagenlösung „Retail Open Scale“ wird komplett in das System-Management und das Monitoring integriert. Damit werde „eine der letzten Inseln innerhalb der Filiallandschaft einer nahtlosen End-to- End-Integration in die zentralen Systeme weichen“, so Laudien-Weidenfeller. Die neue Lösung wird von der GK Software AG zwar in enger Zusammenarbeit mit Bizerba entwickelt, soll jedoch nicht auf Bizerba- Hardware beschränkt bleiben, sondern jede offene PC-Waage unterstützen. 

Fotos: Bizerba (2), Mettler Toledo (1)

Waagensysteme

Alle Aussteller in Halle 6

Avery Berkel Stand E76

ADE GmbH & Co. Stand E78

Bizerba GmbH & Co. KG Stand E56

CiZetaBi soc. Cooperativa Stand E61

DIGI Deutschland GmbH Stand E7

Ishida Co., Ltd. Stand G75

Mettler-Toledo GmbH Stand E75

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„Paradigmenwechsel“

Peter Laudien-Weidenfeller, Director Retail bei Bizerba, über die Trends und Chancen moderner Wägesysteme in der offenen IT-Landschaft des Lebensmittelhandels.

Gibt es im Lebensmittelhandel für Waagenlösungen einen Paradigmenwechsel zu offenen Systemen?

Ja. Die tiefe Integration der Waage in die vorhandenen IT-Infrastruktur des Handels ist heute der beherrschende Trend. Vor dem Rollout von rund 3.000 Bizerba-Wägesystemen bei der Migros in 2010 habe ich von diesem Paradigmenwechsel gesprochen. Er ist heute Realität. Das Migros-Projekt ist die bisher tiefste Integration von Waagen in die etablierten Standards der POS-Welt. Inzwischen geht die Nachfrage der Handelsunternehmen ganz klar dahin, die
IT-Infrastruktur eins zu eins auf die Waagen zu portieren.

Dafür arbeiten Sie auch direkt mit Software-Häusern zusammen.

Wir unterstützen mit unserer Entwicklung führende Software-Häuser mit dem Ziel, dass unsere Waagen nicht über Schnittstellen adaptiert, sondern tief integriert in den Systemumgebungen des Handels laufen – die Waage als offenes IP-Device. Ein aktuelles Beispiel ist die Kooperation mit GK Software zur Entwicklung einer plattformunabhängigen Waagenlösung oder die Entwicklung zusammen mit POS-Systemhaus. Damit entsprechen wir den aktuellen Anforderungen des Handels, wie sie zum Beispiel auch Edeka in ihrem „Lunar“-Projekt definiert hat. Hier wird auf der Waage die von Edeka definierte POS-Anwendung – erweitert um Waagenspezifika – laufen.

Welche neuen oder zusätzlichen Anwendungen stehen dem Handel mit solchen offenen Waagenlösungen zur Verfügung?

Offene Standards erleichtern zunächst einmal erheblich das Andocken an die IT-Umgebung. Damit wird es auch möglich, vorhandene Loyality-Programme oder andere kundenorientierte Anwendungen ohne komplexe Interfaces auf bzw. mit den Waagen laufen zu lassen. Ganz oben auf der To-do-Liste vieler Handelsunternehmen steht das Auflösen der Warengruppe Frische auf Produktebene und die zentrale Nutzung der von der Waage erfassten artikelgenauen Verkaufsdaten in Echtzeit. Customized Digital Signage, Programme zur Personalschulung und warenkundliche Informationen auf den Waagendisplays sind weitere Features, die sich mit offenen Standards realisieren lassen.