Apothekenmarkt im Wandel | stores+shops

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Per App bestellt, per Kurier geliefert: Digitale Angebote ergänzen zunehmend den Vor-Ort-Service in Apotheken.
Foto: Chinnapong/stock.adobe.com

Apothekenmarkt im Wandel

Stationäre Apotheken kämpfen mit Nachfolgeproblemen, Online-Anbieter gewinnen Marktanteile. Aktuell drängen Drogeriemarktfilialisten in den Handel mit Arzneimitteln. Die Trennung zwischen Online- und stationärem Handel verwischt dabei zunehmend, Omnichannel-Konzepte bestimmen die künftige Entwicklung.

Blick in das Logistikzentrum der Versandapotheke Sanicare

Blick in das Logistikzentrum der Versandapotheke Sanicare
Foto: Sanicare

In den USA gibt es sie längst schon: die so genannten „Prescription Corner“, die oft als Pharmacy oder Drugstore bezeichnete Apothekenecke im Supermarkt. Dort sind OTC-Arzneimittel niederschwellig und frei zugänglich verfügbar. Bei Fragen zu Schmerzmitteln, Schlafpillen und Co. kommt sogar ein Apotheker an den Beratungsschalter. Ein Vorbild für Europa? Aktuell wohl eher noch nicht. Denn gesetzliche Regularien setzen hierzulande dem freien Handel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln enge Grenzen. Versandapotheken wie Shop Apotheke, Doc Morris & Co schöpfen den rechtlichen Rahmen aus und werden von den klassischen Apotheken dafür oftmals als die „bösen Buben“ des Pharma-Einzelhandels gesehen.

Trotz des beeindruckenden Wachstums von 5,4 Prozent im aktuellen Jahresvergleich (Quelle: Datamed IQ) bleibt unklar, ob die Online-Pharmazeuten je aus der Verlustfalle herauskommen, solange der Kampf um Marktanteile intensiv und die Kosten hoch bleiben. Für Doc Morris weisen die Geschäftszahlen für 2024 einen Betriebsverlust von 47,2 Mio. Schweizer Franken aus. Und Wettbewerber Redcare musste Quartalsberichten zufolge in den ersten neun Monaten 2024 ein Minus von 20,1 Mio. Euro hinnehmen. „Bisher hat kaum eine Versandapotheke richtig Geld verdient“, sagt Digitalexperte Marcus Diekmann. „Das E-Rezept hat hier allerdings eine neue Ära im Markt eröffnet.“

Drogeriemarktfilialist dm plant für das zweite Halbjahr den Einstieg in den Online-Handel mit nicht verschreibungspflichtigen OTC-Arzneimitteln

Drogeriemarktfilialist dm plant für das zweite Halbjahr den Einstieg in den Online-Handel mit nicht verschreibungspflichtigen OTC-Arzneimitteln
Foto: dm-Drogeriemarkt

Zukunft Omnichannel-Retailing

Das E-Rezept und die Spekulation auf einen Wegfall der Apothekenpflicht für OTC-Arzneimittel hat in der Branche jüngst neue Geschäftsmodelle initiiert, die in Richtung „Apotheke im Shop“ zielen. So plant Christoph Werner, CEO der Drogeriemarktkette dm, ab der zweiten Jahreshälfte 2025 in den Online-Versandhandel mit nicht verschreibungspflichtigen, aber hierzulande noch apothekenpflichtigen OTC-Arzneimitteln einzusteigen. Die derzeitigen regulatorischen Hürden will er durch eine Lieferbasis in Tschechien umgehen. Mit diesem Schritt konkurriert dm künftig mit etablierten Online-Anbietern wie Shop Apotheke, Doc Morris, Medpex und auch den klassischen Apotheken.

Anstoß dazu war die Frage: Wenn es schon Online-Apotheken gibt, warum soll es dann nicht auch Online-Angebote im Web-Shop von dm-Drogeriemarkt geben? Immerhin nutzen bereits mehr als fünf Millionen Kund:innen mindestens einmal monatlich die dm-App. Und auch die Versandlogistik von dm, mit 4.000 Filialen und rund 80.000 Mitarbeitenden weltweit drittgrößter Drogeriekonzern, ist bereits fest etabliert.

Die stationäre Handelsstruktur im Absatzmarkt für Medikamente kommt noch aus einer analogen Zeit.

Christoph Werner

CEO, dm-Drogeriemarkt

Das dm-Geschäftsmodell sieht vor, Kundinnen und Kunden ausgewählte, nicht verschreibungspflichtige Apothekenprodukte zuverlässig und zu günstigen Preisen online anzubieten. „Die stationäre Handelsstruktur, die wir heute für Medikamente haben, kommt noch aus einer analogen Zeit der seinerzeitigen Supermärkte und Verbrauchermärkte,“ sagt dm-Drogeriemarkt-Chef Christoph Werner. Die Zukunft gehört laut Werner dem Omni-Channel-Retailing, der nahtlosen Verschmelzung von Onlinehandel und stationärem Handel. Daneben wird es aber auch weiterhin sogenannte Pure Player geben, also Formate, die nur stationär oder nur online operieren, glaubt Werner. Wie sich die Marktstrategie der Drogeriemärkte künftig entwickeln wird, hänge auch davon ab, ob der Rückgang klassischer Apotheken weiter anhält und wie der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen weiterentwickelt. In der Vergangenheit hatte dm bereits verschiedene Initiativen im Apothekenbereich versucht, darunter die Einrichtung von Medikamentenabholstellen in den Drogeriemärkten, machte dann jedoch einen Rückzieher.

Das dm-Zentrallager im tschechischen Bor soll künftig die Lieferbasis für den Onlinehandel von Arzneimitteln sein

Das dm-Zentrallager im tschechischen Bor soll künftig die Lieferbasis für den Onlinehandel von Arzneimitteln sein
Foto: CTK/Miroslav Chaloupka

Die Marktprognosen für den Gesundheitssektor und speziell für das Geschäft mit Arzneimitteln bleiben positiv. Laut Statista wird allein das OTC Pharma-Marktvolumen in Europa bis zum Jahr 2029 auf 59,93 Mrd. Euro steigen, was einem jährlichen Wachstum von 3,73 Prozent entspricht. Diesen Trend hat man auch beim Drogeriekonzern Müller erkannt und beobachtet derzeit sehr genau die Entwicklungen in den Bereichen Online- und Versandapotheken. „Kurzfristig gehen wir aber nicht von grundlegenden Veränderungen aus, mittel- bis langfristig erwarten wir jedoch Anpassungen im Markt“, so Müller-Sprecherin Tatjana Meier. „Müller wird weiterhin flexibel auf Marktentwicklungen reagieren.“

Wettbewerber Rossmann hält sich zu seinen strategischen Planungen noch bedeckt und verweist darauf, dass man schon seit Gründung 1972 Gesundheitsprodukte anbiete. Das aktuelle Sortiment an frei verkäuflichen Arzneimitteln, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln im Shop umfasst mittlerweile mehrere hundert Artikel. Produkte, die bei einer Pollenallergie helfen können, verkauft Rossmann heute schon. Man mache sich aber Gedanken, wie die flächendeckende Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Arzneimitteln in Anbetracht des Apothekenrückgangs auch in Zukunft sichergestellt werden kann. Ob es der Versandhandel allein richten kann, sei fraglich, so Rossmann-Sprecher Josef Lange. Eine Liberalisierung wie beispielsweise in den Niederlanden, England oder den USA könne eine Lösung sein. „Das ursprünglich zum Schutz der Apotheken eingeführte Mehr- und Fremdbesitzverbot bewirkt im Endeffekt eher das Gegenteil. Denn den einzelnen Apotheken fehlt die Marktmacht gegenüber der Pharmaindustrie, um bessere Margen zu verhandeln,“ so Lange weiter.

Erlebniskonzept gefragt

Apotheken werden sich künftig weiterentwickeln müssen, es reicht nicht, einfach nur Produkte ins Regal zu stellen, behauptet E-Commerce-Experte Marcus Diekmann und nennt Beispiele für Erlebnisbereiche wie individuelle Beratung, Wohlfühlzonen, Kaffee-/Tee-Ecken und Events zu Hautpflege, Ernährung oder Prävention. In diese Richtung geht bereits der Handelsgigant Amazon mit seinem neuen stationären Konzept „Parafarmacia & Beauty“: Ein erster Store in Mailand bietet eine breite Auswahl an Beauty- und Pflegeprodukten, dazu verschreibungspflichtige wie auch frei verkäufliche Medikamente bis hin zu digitalen Hautanalysen. Laut Amazon ist dort auch ein beratender Apotheker vor Ort – die US-Apothekenecke lässt grüßen.

Hinweis: Podcast mit Doc Morris

 

Einen umfangreichen Einblick, welche Veränderungen die digitale Transformation des Apothekenmarkts speziell für Online-Händler mit sich bringt, hat Dr. Reiner Kern, Group Director Communications & Public Affairs bei Doc Morris, in einer aktuellen Folge des EHI-Podcast gegeben. Darin geht es um das E-Rezept als Wegbereiter neuer Versorgungsmodelle, um Chancen der Telepharmazie und darum, wie Doc Morris den Zugang zu Arzneimitteln künftig erleichtern will. Hier jetzt reinhören.

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