Denkmalschutz: Mal Juwel, mal Kostentreiber | stores+shops

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Im Schuhhaus Lüke in Freiburg erzielen gerade die denkmal-geschützten Holzdecken und Wandflächen eine einmalige Wirkung
Foto: Ganter Construction & Interiors

Denkmalschutz: Mal Juwel, mal Kostentreiber

Denkmalschutz birgt Chancen und Risiken. Im Idealfall bekommen Einzelhandelsgeschäfte Einzigartigkeit quasi geschenkt. Dem gegenüber stehen teils unkalkulierbare Zeit- und Kostenrisiken. stores+shops hat recherchiert, wie die Standort-Abwägung gelingt und worauf zu achten ist.

„Es sollte im Vorfeld klar sein, worauf man sich einlässt.“ Das kann Martin Eisenblätter, Diplom-Ingenieur, Architekt und Partner des Unternehmens Brandscouts aus Telgte allen Ein­zelhändlern nur raten. Die Realität sehe indes manchmal anders aus. „Expansionsteams haben Zielstädte, Lagen und Mietspiegel im Visier, weniger aber Baurecht, Denkmal- und Brand­schutz. Sie unterschreiben Mietverträge, und ab dann laufen die Kosten.“  

Im Modehaus Garhammer in Waldkirchen wurden Teile der ehemaligen Stadtmauer als Gestaltungselement in die Verkaufsfläche integriert

Im Modehaus Garhammer in Waldkirchen wurden Teile der ehemaligen Stadtmauer als Gestaltungselement in die Verkaufsfläche integriert.
Foto: Heikaus

Auch Angela Kreutz, Unternehmsspre­cherin des Stuttgarter Architekturbüros Blo­cher Partners, empfiehlt: „Gerade bei geplanten Neueröffnungen ist eine Machbarkeitsstudie im Vorfeld oftmals sinnvoll. Wurde die Immobilie zuvor noch nicht für Retail genutzt, muss die Prüfung mitunter sogar bei der Frage begin­nen, ob sich der Standort überhaupt als Han­delshaus eignet, ob es beispielsweise erlaubt ist, falls noch nicht vorhanden, Schaufenster in die Front zu integrieren. Weiterer Vorteil einer Voruntersuchung: der Bauherr erhält eine gro­be Schätzung der Baukosten.“  

Eine solche Schätzung kann laut Mar­tin Eisenblätter auch deshalb nur grob sein, da Vorgaben des Denkmalschutzes des Öfte­ren mit denen der Energieeinsparverordnung oder des Brandschutzes, zum Beispiel unge­schützte Holzbalkendecken, kollidieren. Was dann Vorrang hat und welche Lösungen mög­lich sind, darüber stehen dann jeweils Einzel­fallentscheidungen an, die zeitaufwändig sind. Markus Hintzen, Head of Architecture+FM des Modeunternehmens Orsay, sagt dazu: „Vertikale Filialisten wie wir mieten Immobilien mit Denk­malschutz nur bedingt an. Planungs-, Fassa­den- und Layout-Standards können nur schwer umgesetzt werden. Zudem ist die Kosten- und Bauzeitplanung unberechenbar.“  

Besonderer Reiz  

Es ist also auch immer die Frage, welches Gen­re eine unter Denkmalschutz, Ensembleschutz oder einer Altstadtsatzung stehende Immobi­lie beziehen möchte. „Für hochwertig ausge­richtete Geschäfte kann das, was das Denk­mal auszeichnet, gerade den Reiz ausmachen und sehr positiv auf die Marke einzahlen“, ist Martin Eisenblätter überzeugt.  

Die Gewölbedecke des Wäschegeschäfts Maute-Benger in Stuttgart trägt in hohem Maße zum Ambiente bei, erfordert aber auch viel Kreativität bei der Einrichtungsplanung

Die Gewölbedecke des Wäschegeschäfts Maute-Benger in Stuttgart trägt in hohem Maße zum Ambiente bei, erfordert aber auch viel Kreativität bei der Einrichtungsplanung
Foto: Heikaus

Auch Holger Moths von Prof. Moths Archi­tekten aus Hamburg ist der Meinung: „Meist umgibt das denkmalgeschützte Ladenlokal bereits ein sehens- und erlebenswertes Umfeld in his­torischem Kontext, das die Kunden überhaupt erst in die jeweilige Stadt zieht. Darin sehe ich ein großes und tatsächlich auch durch Restriktionen zu schützendes Kapital. Es ist für die Innenstadtqualität elementar wichtig und gut so, dass es zum Beispiel in Passau anders aussieht als in Flensburg und dass, beginnend bei der Außenwerbung, nicht alles erlaubt ist.“  

Was die Stores angeht, meint Moths: „In denkmalgeschützten Stores selbst bekommt man dann als Einzelhändler vielfach eine Ein­zigartigkeit geschenkt, beispielsweise in Form von Wand- oder Deckenmalereien, Stuck oder ornamentalen Verzierungen, für die man laden­baulich eine Menge tun müsste, wollte man einen vergleichbaren atmosphärischen Effekt erzielen. Das ist etwas Besonderes in dieser Zeit, in der Läden sehr uniform sind.“ Wichtig ist aus Sicht von Moths, dass man das, was ein Denkmal auszeichnet, „annimmt und ihm Raum gibt, damit es wirkt.“  

Blocher Partners ist für viele Traditions­modehäuser tätig und hat daher nicht nur häufig mit mehrfach erweiterten Gebäuden zu tun, sondern auch mit den regional vari­ierenden Auflagen des Denkmalschutzes. Wie beim Umbau des Modehauses Garhammer in Waldkirchen: Hier integrierten die Architekten als Gestaltungselement die rohe Stadtmau­er in die Verkaufsfläche.

Auch bei Juhasz in Bad Reichenhall wurden Stadtmauer-Relikte über zwei Geschosse deutlich sichtbar in den Erweiterungsneubau eingefügt. Dieser profi­tiert von der individuellen Note und den Kon­trasten zwischen historischen und modernen Elementen.

Integrierte Stadtmauer  

Stadtmauer-Relikte geben dem Erweiterungsneubau im Modehaus Juhasz in Bad Reichenhall etwas ganz Besonders

Stadtmauer-Relikte geben dem Erweiterungsneubau im Modehaus Juhasz in Bad Reichenhall etwas ganz Besonders
Foto: Heikaus

Ähnlich handhabte es das Ladenbauunter­nehmen Heikaus beim Umbau des Stuttgar­ter Wäschefachgeschäfts Maute-Benger. Das Gebäude, das dem Land Baden-Württemberg gehört, hat einen über 400 Jahre alten Stifts­keller. Das alte Mauerwerk und die aufwän­dig freigelegte Gewölbedecke wurden in das Ladendesign integriert. Da die Wandflächen nicht zur Warenpräsentation genutzt werden dürfen, kam den Mittelraumelementen beson­dere Bedeutung zu. Das flexible System kann große Warenmengen aufnehmen und die feh­lenden Rückwandflächen kompensieren.

Das Beleuchtungskonzept wurde speziell für den Raum entwickelt. Schwarze Ricks spannen sich von Stütze zu Stütze und bilden ein filigranes „Beleuchtungsdach“, das sowohl die Ware als auch das spektakuläre Gewölbe ausleuchtet.

Kreativität ist also gefragt. Auch wenn laut Martin Eisenblätter manchmal sogar origi­nalgetreue Steckdosen vorgeschrieben sind – Holger Moths sieht das Thema trotzdem entspannt. Oftmals gehe es nicht um teu­re Restaurierungen. Daher gelte es, zunächst zu hinterfragen, was genau unter Denkmal­schutz steht. „Denn das ist ja oftmals nicht das ganze Haus, sondern etwa nur die Fas­sade, eine Treppe im Inneren oder ein Ober­licht.“ Denkmalschutzämter sind, so Moths, keine Behörden, die zu allen Veränderungen kategorisch „nein“ sagen. Moths: „Sie sind meist bemüht, ein Denkmal für die Öffent­lichkeit nutz- und sichtbar zu machen und haben nicht die Absicht, es museal zu isolie­ren. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich im kon­struktiven Dialog oft gute Kompromisse finden lassen.“ Last, but not least, unterstützen teil­weise finanzielle Zuwendungen aus Mitteln der Denkmalpflege bei der rhaltung der Objekte.  

redaktion@ehi.org

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