Die Argumente der Kostenoptimierer klingen plausibel. In den Abend- und Nachtstunden betragen die Lohnzuschläge zwischen 25 und 40 Prozent. In süd- und osteuropäischen Ländern gehört der Wischmopp am POS zum alltäglichen Bild. Anders hierzulande. „Was etwa in unseren russischen Hypermärkten völlig normal ist, ist in Deutschland noch eine Seltenheit“, so Andreas Oels, Bereichsleiter Arbeitssicherheit, Gefahrgut und Umwelt bei Globus SB Warenhaus. Oels: „Erste Testläufe, die Reinigungsarbeiten am Tag durchzuführen, konnten sich im Arbeitsalltag nicht durchsetzen. Da wir zu unseren Öffnungszeiten eine sehr hohe Kundenfrequenz haben, mussten wir die Ladenflächen für die Reinigung absperren und abtrocknen lassen, um Unfällen wie beispielsweise durch Ausrutschen vorzubeugen. Dadurch fühlten sich unsere Kunden bei ihrem Einkauf gestört.”
Stephan Knecht, Inhaber der Einzelhandelsberatung Fleet40, erinnert an den Walmart-Service-Mann. Walmart wollte in den 1990er-Jahren in Deutschland Fuß fassen und scheiterte aus verschiedenen Gründen. Der omnipräsente Mitarbeiter im weiß-blauen Outfit hat nach damaliger Beobachtung dazu beigetragen. Er kurvte mit einem Service-Car, das mit Wischer und Eimer bewaffnet war, durch die Gänge und machte sich mit einem ausladenden Ritual über jeden noch so kleinen Schmutzfleck her. Er trat den Kunden sozusagen zu nahe, auch, indem er sich ungefragt an deren Einkaufswagen zu schaffen machte und die Ware aufs Kassenband legte. Einkaufende sollen sich regelrecht verfolgt gefühlt haben. Was Amerikaner als Zuwendung schätzen, wird von einem Großteil der deutschen Kundschaft als störend empfunden. „Und alles, was stört, ist nicht verkaufsfördernd“, so Knecht. Diese Meinung vertreten viele Einzelhändler.
Der Walmart-Mann
Es gibt allerdings auch konträre Praxiserfahrungen und Meinungen. „Bei Rossmann wird es seit Jahren so gemacht. Professionelle Reinigungsteams unserer Hausmeisterdienste reinigen die Bodenflächen – und das oft auch während der Öffnungszeiten. Was sollte daran problematisch sein“, so ein Sprecher der Drogeriekette. Vonseiten der Kaufland Dienstleistungs GmbH heißt es: „Wir führen auch während der Ladenöffnung Reinigungsarbeiten durch. Hierzu zählen beispielsweise die Toiletten und die Bodenreinigung.“
„In vielen Bereichen, vor allem in Supermärkten und Warenhäusern, werden von uns bereits seit Langem Tageskräfte eingesetzt, sowohl in der Flächen- als auch in der Bedarfsreinigung. Hieran haben sich die Kunden gewöhnt“, sagt Holger Eickholz, Geschäftsführer der auf Gebäudedienstleistungen für Handelsobjekte spezialisierten Niederberger-Gruppe. Die Arbeiten würden nicht als störend wahrgenommen. Allerdings seien besondere Anforderungen an Personalqualität, Schulung und technische Ausstattung zu stellen, vergleichbar mit der Tagesreinigung von Büros, die sich mehr und mehr durchsetze. Eickholz: „Unsere Mitarbeiter werden für solche Einsätze geschult. Sie haben darauf zu achten, dass die ‚Regal-Performance‘ im Supermarkt nicht beeinträchtigt wird, etwa durch falsch abgestellte Rüstwagen oder zu lange Trocknungszeiten. Sie müssen den Abstand wahren und sich situationsgerecht verhalten, zum Beispiel wenn sie direkt angesprochen werden.“
Wohlfühlatmosphäre?
Die Entscheidung ist auch abhängig vom Objekt, vom Sortiment und den logistischen Möglichkeiten. „Im Fachhandel mit einem Premium-Sortiment ist eine Wohlfühlatmosphäre sehr wichtig. Hier würde sicherlich das laute Geräusch eines Staubsaugers stören“, sagt Kai- Uwe Lehanka, CEO der auf den Einzelhandel spezialisierten Lehanka Kommunikationsagentur in Fichtenau. Und für Christoph Stoll, Team Leader Shopping Center Management bei JLL Germany, ist es „sicherlich nicht wünschenswert, dass ein Kunde beispielsweise eine hochwertige Jacke anprobiert und daneben ein Putzeimer steht.“
Je nach Ort setzt Holger Eickholz von Niederberger auf die Reinigung während der Randzeiten. Fenster ließen sich schnell und dezent auch im Tagesverlauf putzen. Ohnehin müssten bei großen Flächen neben der Grundreinigung immer Tageskräfte für den Bedarfsfall zur Verfügung stehen. „Jedenfalls ist es einfacher, für Tagschichten gutes Personal zu bekommen. In Anbetracht des leergefegten Arbeitsmarktes sollte auch das bedacht werden“, so der Experte. Technische Bedenken will er nicht gelten lassen. Moderne Reinigungsmaschinen und -geräte arbeiteten leise.
Foto: Niederberger Gruppe
Weitere Informationen: redaktion@ehi.org
Was halten Sie von der Reinigung während der Öffnungszeiten?
Die Qualität der Reinigungsleistung ist nach unserer Erfahrung nicht von der Tageszeit abhängig, sondern vom Objekt in Verbindung mit dem eingesetzten Personal und dem jeweilig individuell ausgearbeiteten Reinigungskonzept.
Christoph StollIn den Hornbach-Märkten werden seit 2008 die Flächen während der Öffnungszeiten gereinigt. In der Regel in den frühen Stunden, wenn noch nicht so viele Kunden im Markt sind. Manche Bereiche wie Toiletten werden selbstverständlich mehrmals täglich während der Öffnungszeiten gereinigt. Hornbach hat damit keine negativen Erfahrungen gemacht, also vor allem keine negativen Rückmeldungen der Kunden erhalten.
Florian PreußWir halten gar nichts davon. Es muss nicht immer alles nur für ein paar Cent mehr der Wirtschaftlichkeit geopfert werden.
Christian RiethmüllerDas Reinigungspersonal beginnt zeitgleich mit unseren Filialmitarbeitern mit der Arbeit, somit fallen keine zusätzlichen Kosten für Zuschläge oder Energie an.
Christine AxtmannDie Reinigung der in Eigenregie betriebenen Märkte erfolgt sechsmal in der Woche, sowohl vor der Öffnung und während der Geschäftszeiten als auch nach Schließung des Marktes. Die zu reinigende Fläche wird in Bereiche aufgeteilt, zum Beispiel Markt, Parkplatz, Außenbereich, Verwaltung, Treppenhaus, Sozialanlagen.
Max Jendrik SachauEs kann durchaus sein, dass für eine Tagreinigung mehr qualifizierteres Personal verfügbar wäre. Doch mit Sicherheit zu anderen Konditionen, was insgesamt diese Tätigkeit nicht unwesentlich verteuern würde.
Emmerich Danner