Ob raffiniert inszenierte Fassade, dezent mit Licht betonte Logos und Außenkonturen oder ein innen hell erleuchteter, nach außen strahlender moderner Glaskubus – oder auch ein „Lichtteppich“ vor der Eingangstür – die Kommunikation und Selbstinszenierung des stationären Einzelhandels über die Außenbeleuchtung setzt gerade vor dem dunklen Abendhimmel starke Akzente im Stadtbild und lenkt die Blicke gezielt auf die eigene Marke.

Licht lockt Leute – nicht nur tagsüber. So wie sich ein Modehaus, ein großer Supermarkt, ein Autohaus oder ein Möbelmarkt im Tageslicht unterscheiden, lassen sich auch differenzierte Lichtlösungen für ihr nächtliches Erscheinungsbild entwickeln. Es gilt, Bilder, Botschaften, lebendiges Treiben auf den Einkaufsflächen optisch nach außen zu transportieren und die Marke sinnlich erlebbar zu machen. Längere Öffnungszeiten, die dunkle Herbst- und Winterzeit oder das immer beliebter werdende Late-Night-Shopping in den Städten liefern gute Anlässe für den Handel, das vielzitierte Storytelling zu betreiben und die eigene Stellung im Stadtraum zu manifestieren. Schließlich tragen vertikal beleuchtete Fassaden ganz erheblich zur Raumbildung von Plätzen, Straßenachsen und Gebäuden bei. Sowohl wahrnehmungspsychologisch wie auch gestalterisch betrachtet, bilden sie ein wichtiges Element der urbanen Beleuchtung.

Ikonographische Wirkung 

Prof. Andreas Schulz von Licht Kunst Licht beobachtet hier eine „bisweilen sogar ikonographische Wirkung von Fassaden“, die besonders von großen Marken  inszeniert werden, aber auch von Luxuskaufhäusern und Department Stores. Die neue, von Rem Koolhaas entworfene Eingangssituation am Berliner KaDeWe mit einer von Licht Kunst Licht umgesetzten Lichtinszenierung ist dafür ein prägnantes Beispiel.

Die Spielarten für die Außenbeleuchtung reichen von der zurückhaltenden Betonung einzelner architektonischer Bauelemente bis zur dynamischen, bunt-effektvollen Eventbeleuchtung der Gebäude, die für besondere Lebendigkeit und Action sorgt. Auch (Licht-)Kunst am Bau kann hier spektakuläre Ansichten vermitteln. Ein Beispiel dafür sind die elf Department Stores des Fashion- und Lifestyle-Unternehmens Breuninger. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Multimedia-Künstler Michel Comte setzt das Unternehmen viermal pro Jahr jeweils für 12 Wochen auf wechselnde Kunstinstallationen, die Schaufenster und Fassaden der Department Stores beispielsweise in eine weithin leuchtende Blumen-, Pflanzen und Tierwelt tauchen, weltberühmte Maler mit ihren Werken zitieren oder die nächtlichen Lichter der Millionenmetropolen rund um den Globus „einfangen“. Wie ein Museum für moderne Kunst wirkt jedes Haus und steht für die Mission von Breuninger, Schönheit zu zelebrieren und Kunden stets mit Neuem zu überraschen.

Anders funktioniert die Lichtinszenierung bei den heute häufig angesagten rundum verglasten Einkaufstempeln, vom Supermarkt über das Einrichtungs- bis zum Autohaus. Tagsüber verhindert das helle Tageslicht häufig tiefere Einblicke in den Markt,  weil sich die Umgebung auf den Glasflächen spiegelt. Doch vor dunkler Himmelskulisse gewinnen die hell erleuchteten Innenräume enorm an Tiefenwirkung und Lebendigkeit. Beispiele sind die Spar/Interspar-Supermärkt in Österreich. Auch der Eingangsbereich von Gebäuden wird in die nächtliche Lichtinszenierung  einbezogen. Autohäuser präsentieren sich mit ihren häufig markanten Auftritten als starke Markenbotschafter aus Stahl, Stein und Glas.

Lichtsteuersysteme

Der Hamburger Store der Parfüm-Marke Linari vermittelt durch seine Beleuchtung auch außerhalb der Öffnungszeiten Exklusivität und ein gekonntes Branding

Der Hamburger Store der Parfüm-Marke Linari vermittelt durch seine Beleuchtung auch außerhalb der Öffnungszeiten Exklusivität und ein gekonntes Branding
Foto: Bäro

Energiesparende LED-Beleuchtung wird  in diesen Szenerien zunehmend durch elektronische Lichtsteuersysteme bedarfsgerecht an die unterschiedlichen Tageszeiten und Lichtverhältnisse angepasst. Dies trägt auch dazu bei, das nächtliche Lichtspiel nicht zu übertreiben. Denn insbesondere bei Wohnbebauung im unmittelbaren Umfeld der Handelsstandorte kann zu viel Licht u. a. den natürlichen menschlichen Biorhythmus stören. Aus Sicht von Christof Volmer, Geschäftsführer von Bäro, ist deshalb unbedingt eine Abstimmung von Innen- und Außenbeleuchtung erforderlich, insbesondere bei transparenten Fassaden. Licht im Nachtmodus bedeutet, dass es verschiedene Lichtszenarien auch im Innenraum geben sollte: ein Szenario während der Öffnungszeiten bei Dunkelheit, eines nach Ladenschluss, das sich aber weiterhin an Flaneure im Straßenraum wendet, und gegebenenfalls ein reines Ruhe-Szenario, bei dem nur noch ein unaufdringlicher Markenakzent gesetzt wird.

Entsprechende Szenarien lassen sich einfacher umsetzen,  wenn die eingesetzten Leuchten Steuer-Schnittstellen besitzen, zum Beispiel DALI oder zunehmend auch Funkschnittstellen wie Bluetooth Low Energy (BLE). Die österreichische Spar/Interspar setzt die elektronische Lichtsteuerung bei der Innenbeleuchtung  ihrer vollverglasten Märkte ein. Diese wird mit Verlassen des letzten Mitarbeiters abends abgeschaltet – es bleibt nur eine kleine Notbeleuchtung aus Sicherheitsgründen.

Parkflächen

Mehr Aufmerksamkeit als bisher verdienen beleuchtete Parkflächen vor den Handelsimmobilien. Bei diesem „sensiblen“ und lichttechnisch unterschätzten Nebenschauplatz steht nach wie vor gern die Budgetfrage im Vordergrund. Tatsächlich kapitulieren die dort anzutreffenden Lichtszenarien sehr oft vor modernen Ansprüchen an „einladende Atmosphäre“, „Vertrauen schaffen“ und „ein Gefühl von Sicherheit bieten“.

„Hohe Lichtpunkte und große Lichtpunktabstände führen häufig zu harten, unharmonischen und unnatürlichen Schattierungen und beeinträchtigen damit die Wahrnehmung des Raumes und die Orientierungsfähigkeit“, sagt Niklas Reiners, Light Application Manager bei Ansorg. Eine Erhöhung der Lichtpunktzahl mit niedriger Lichtpunkthöhe und einer weicheren, breiteren Lichtverteilung fördern eine bessere Wahrnehmung. Dadurch werden nicht nur sicherheitsrelevante harte Kanten, sondern sogar tiefe Augenschatten im menschlichen Gesicht vermieden. Ein hellerer Bodenbelag als großer Reflektor kann dies ebenfalls unterstützen.

Die oft unzureichende Parkplatzbeleuchtung steht auch im Zusammenhang mit dem Zukunftsthema E-Mobility: In wachsender Zahl entstehen zwar Ladestationen für E-Fahrzeuge auf den Parkplätzen von Handelsflächen, aber die Notwendigkeit, das Thema auch lichttechnisch anzugehen, wird gerne vertagt. Dabei bietet es durchaus Potenzial zur weiteren Stärkung der Marke Handel.

Das Einkaufserlebnis beginnt und endet auf dem Parkplatz

Lichtplaner und -Designer Prof. Andreas Schulz über Lichtkonzepte für Fassaden und Parkplätze im Handel, die auch bei Dunkelheit Erlebnis mit Nachhaltigkeit verbinden.

Führen abends und nachts strahlende Lichtinszenierungen von Handelsimmobilien in den öffentlichen Räumen nicht langsam zu einem Licht-Overkill, der alles  andere ist als nachhaltig?

Natürlich bietet man heutzutage kein Konzept mehr an, das nicht auf Nachhaltigkeit und Energieverbrauch optimiert wurde. Gerade die großen Marken legen sehr viel Wert auf eine ökologisch saubere Bilanz. Mit den Betreibern ist aber natürlich zu diskutieren, welche Betriebszeiten eine nächtliche Beleuchtung haben muss. Wir versuchen, verschiedene Modi anzubieten, bei denen es einen Nachtmodus gibt, der eine gewisse Präsenz zeigt, aber auch deutlich macht, dass  hier sorgsam mit Energie umgegangen wird.

Schön beleuchtete Geschäftsfassaden, von innen leuchtende transparente Supermärkte – die Parkplatzbeleuchtung fristet hierzulande aber offenbar ein minderes Dasein.

Ja, leider wird bei Parkplätzen nochmals an der Budgetschraube gedreht. Die Lichtlösungen werden rein quantitativ gesehen und  bieten weder Identifikation noch Komfort.  Aus unserer Sicht ist dies ein elementarer Fehler, denn das Einkaufserlebnis fängt auf  dem Parkplatz oder in der Tiefgarage an und endet auch dort.

Wie kann man hier Erlebnis und Nachhaltigkeit zusammenbringen?

Moderne Steuerungssysteme lassen sich so einbinden, dass Modernität und Nachhaltigkeit für den Kunden erlebbar sind, zum Beispiel durch eine Detektion der Besucher  und damit der Einschaltung höherer Lichtqualitäten beziehungsweise dem Abschalten oder Herunterfahren von Leuchten, wenn kein Besucher auf dem Parkplatz steht.