„Es herrscht Konfusion, der Schuhfachhandel sucht gerade“, so die Situationsbeschreibung von Maik Drewitz, Head of Shop Consult bei Umdasch Shopfitting. Der Schuhverkauf macht einen Strukturwandel durch. Traditionelle Einzelhändler sehen sich mit dem Markteintritt potenter Schuh-Filialisten wie der polnischen CCC oder der schrilleren Trendschuh-Kette Jumex konfrontiert. Renommierte Department-Stores richten eindrucksvolle Schuh-Welten auf oft mehreren Tausend Quadratmetern ein. Viele Schuhmarken forcieren ihren Auftritt im exklusiven Monolabel-Format. Auch die Segmente Textil und Online nagen an der Absatz-Basis des traditionellen Schuheinzelhandels.

Die weiße Inszenierung der Marke Stuart Weitzman trägt unverkennbar die Handschrift von Zaha Hadid, hier in Hongkong.

Die weiße Inszenierung der Marke Stuart Weitzman trägt unverkennbar die Handschrift von Zaha Hadid, hier in Hongkong.

„Zalando muss immer schnell als Sündenbock herhalten. Jedoch nehmen die Zalandos und Mirapodos dem klassischen Schuhhandel längst nicht so große Umsatzanteile weg wie die Lifestyle-Fashion-Marken“, meint der Designer und Innenarchitekt Klaus Schwitzke. „Primark, die Inditex-Marken und viele andere vertikale Mode-Filialisten verkaufen inzwischen im großen Stil modische Schuhe zu ihren Kollektionen.“ Schwitzkes Urteil: „Der klassische Schuhhandel hat es versäumt, seinen eher logistisch getriebenen Vertriebsansatz hin zu einem emotionalen Konzept mit hohem Lifestyle- und Servicegrad umzubauen.“

Im Produkt Schuh steckt ein enormes emotionales Potenzial für die Inszenierung auf der Fläche. In extremo exerziert das der Architekt Rem D. Kolhaas in den Flagshipstores des Footwear-Labels United Nude. Mit einer Computer-gesteuerten LED-Lightshow in vollkommen schwarz gehaltenen Räumen sind diese Läden mehr Event-Installation als Point of Sale. Viel beachtet auch die futuristischen Raumlandschaften der Architektin Zaha Hadid, in denen die Modelle der Schuhmarke Stuart Weitzman optisch mit der Umgebung verschmelzen. Im Modehandel wird dem Wert des passenden Schuhmodells, das oft über „hot or not“ ganzer Fashion-Looks entscheidet, größte Bedeutung beigemessen. Bereits seit 10, 15 Jahren experimentieren die Modeleute mit dem Schuh. Zunächst mit mäßigem Erfolg, da der logistische und produktspezifische Aufwand der damals noch fremden Produktgruppe unterschätzt wurde. Inzwischen akzentuieren selbst kleinere, inhabergeführte Fashion-Läden ihr Profil routiniert mit einem spitzen Schuhsortiment.

Schwebende Schuhe

Durch die Kombination von Mode und Schuh entstehen reizvolle, innovative Ansätze der Präsentation. Im Fashion-Store Chrystall in Düsseldorf zum Beispiel „schweben“ die Schuhe vor einer kupferbeschichteten Magnetwand. Die versteckte Regalinstallation dahinter beherbergt die Kartons. „Zu den Workflows gehört unbedingt das schnelle Auffinden von Größen und Farben“, erläutert die Inhaberin Simone Chrystall. „Stauraum bzw. Lagerflächen sollten sich in unmittelbarer Nähe der Warenpräsentation befinden, damit keine langen Wartezeiten entstehen.“

Bei Sportmode Geier in Reichelsheim highlighten hell erleuchtete Wandkästen einzelne Modelle aus dem Schuhsortiment und lenken die Aufmerksamkeit zugleich auf die Textilien daneben. In der kleinen Münchner Shoekeria ließ man einen Kamin- und Ofenbauer kommen, um italienischen Designer-Modellen einen exklusiven Auftritt mediterranen Zuschnitts zu verschaffen. Auch einzelne im Mainstream positionierte Schuhgeschäfte wie etwa Tivola in Berlin, ein Schuhhaus der Aktiv-Schuh-Gruppe, profilieren sich über ein eigenständiges Design. Helle Räume mit viel Komfort lassen das frühere Klischee freudloser, neonbeleuchteter Bedarfsdeckung im Schuhgeschäft vergessen.

Die Shoekeria in München ließ ihr Storedesign von Kamin- und Ofenbauern umsetzen.

Die Shoekeria in München ließ ihr Storedesign von Kamin- und Ofenbauern umsetzen.

Ein allgemeingültiges Rezept für Modernität existiert im Schuhhandel nicht. Zwar sind gestalterische Details Farben, Oberflächen und Glanzgrad sowie die geeigneten Leuchtmittel sorgfältig auszuwählen, um die Farben der Schuhe nicht zu verfälschen, ansonsten modellieren jedoch Zielgruppe, individuelle Ausrichtung und Strategie die Stilrichtung eines Store-Auftritts. Selbst die Discounter-typischen Kartonstapel auf der Verkaufsfläche, die vor rund 10 Jahren durch Humanic salonfähig wurden und inzwischen auch durch Marken wie Tamaris etabliert sind, stoßen in immer neuen Spielarten auf Resonanz bei den Konsumenten mit Affinität zur Selbstbedienung.

Allerdings gibt es durchaus ein paar Nogos im Schuhhandel. Maria Pohlmann von Ppm Planung und Projektmanagement, die das neue Shopkonzept der Schuhmarke Ara gerade ausrollt, meint: „Als Präsentationsform dient statt der alten Größenauswahl heute die Modellvorwahl. Um die eigene Markenbildung voranzutreiben, sollten sich Händler zunächst einmal von der ausschließlichen Größenvorwahl im Laden verabschieden.“

Ein Teil der Mode

Während der Modehandel darin geübt ist, Stilwelten zu kreieren, monatlich neue Warenbilder zu inszenieren und Einzelstücke visuell als Must-haves zu deklarieren, fällt es Schuhhändlern schwer, sich von der Aneinanderreihung aller Modelle in allen verfügbaren Größen zu lösen. Dieter Wolff, Managing Director der D’Art Design Gruppe, meint dazu: „Traditionell besteht in der Schuhbranche ein intensiver Austausch zwischen Herstellern und Händlern. Ich denke, dass man sich mit mindestens der gleichen Intensität mit den Bedürfnissen und wandelnden Wertvorstellungen der Kunden befassen sollte. Hier ist die Mode – als dessen Teil sich der Schuh doch eigentlich versteht – ein gutes Stück voraus.“

Handlungsbedarf analysiert Maria Pohlmann auch bei der Sortimentsauswahl: „Wer neue Zielgruppen ansprechen will, muss deren Wünsche und Bedarf auch abbilden können – mit frischen Farbigkeiten zum Beispiel, wechselnden Stimmungsbildern und neuen Marken.“ Viele Schuhhändler orientierten sich beim Einkauf zu sehr an ihrer alten, angestammten Klientel, so die Kritik.

Durch die aktuellen Marktverschiebungen sei der Einzelhandel nun jedoch sensibilisiert, meint Maik Drewitz von Umdasch und kann für den Schuhfachhandel eine positive Zukunft erkennen, auch und gerade in der mainstreamigen Mitte. „Mit einem interessanten Angebot gut selektierter, modischer Marken und einem ausgezeichneten Service in der Beratung.“ Und Karl-Heinz Heuser, Leiter Vertrieb und Gestaltung bei Trend-Store Shop Creation meint: „Erlebnis, Wertschätzung, Zeit, Wohlfühlen, das sind die Gründe, warum ein Kunde, abgesehen von den Produkten, ins Schuhgeschäft kommt. Wer thematisch denkt und Kommunikation und Erlebnis bietet und nicht nur einen Laden mit 5.000 Schuhkartons, der kann auch heute stationär erfolgreich sein.“

Frischzellenkur

Thomas Zumnorde, Geschäftsführer des familiengeführten Unternehmens Zumnorde aus Münster, das an 14 Standorten Schuhhäuser unterschiedlichen Zuschnitts betreibt, plant gerade einen über 1.000 qm großen Store in der Kölner 1A-Lage Schildergasse.

Ist eine hohe Modellzahl im Schuhhandel Fluch oder Segen?

Natürlich würden wir die Modelldichte pro laufendem Meter gern weiter reduzieren, aber das entspricht nicht der Realität. Um eine möglichst große Auswahl an Schuhen und ausreichende Flächenleistung zu gewährleisten, müssen wir die Modelldichte ausgewogen halten. Und nebenbei wollen wir keine Signale aussenden, die die eine oder andere Kundengruppe von einem Besuch abhalten könnte. Eine abgeräumte Fläche mit wenigen Modellen wirkt schnell zu Boutique-like und auf manchen Konsumenten zu ausgewählt und teuer.

Wie inszenieren Sie umfangreiche Schuh-Sortimente?

Wir arbeiten ausschließlich mit einer Modellvorwahl: Jedes Modell wird in genau einer Größe präsentiert – ohne endlosen Schuh- und Größen-Wald, ohne Kartonstapel. Die Idee dahinter: Der Kunden soll sich inspirieren lassen.

Was erwarten Sie von Ihren Architekten?

Immer wieder eine Frischzellenkur, um uns weiterzuentwickeln. Dabei gilt ganz klar: Function follows strategy. Wir besprechen zunächst ausführlich die unabdingbaren Funktionalitäten unserer Strategie wie Wegeführung, erforderliche Sitzzonen oder die Implikationen der Modellvorwahl, die große, gut zugängliche Lagerräume für Größen und Kartons erforderlich macht. Die spezifischen Dinge, die Art der Fachböden, Materialitäten und das Setzen zusätzlicher optischer Reize werden nachgelagert festgelegt.

Das Konsumverhalten ändert sich…

… und es wird sich weiter ändern, das werden besonders kleinere Städte zu spüren bekommen. Gerade deshalb suchen wir als Familien-Schuhhaus für überzeugende stationäre Auftritte nach den hochfrequentierten Standorten in Großstädten und Oberzentren.