Zur Person: Dr. Christian Hilz

Dr. Christian Hilz begann seinen Werdegang als Finanzchef einer VW-Gesellschaft in Wolfsburg und war später Geschäftsführer eines Biotechunternehmens. Nebenberuflich hatte er eine Professur für marktorientierte Unternehmensführung an der FH Erding inne. Er war Geschäftsführer von Trendstore Shop Creation. Nach der Insolvenz des Unternehmens kehrte er zurück und setzte das MbO-Konzept um, das zur Gründung der Trend Interior GmbH führte. Im Jahr 2022 wurde Hilz in das Expertenteam „mobile Arbeit“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales berufen.

Herr Dr. Hilz, wie kam Ihr Unternehmen dazu, den Schritt auf unbekanntes Terrain zu wagen und wie gelang Ihnen nach der Insolvenz von Trendstore Shop Creation der Neustart?

Unsere Ursprungsfirma Trendstore Shop Creation stand Mitte 2020 vor der Ausproduktion. Um Arbeitsplatzverluste zu verhindern, entschied sich das Management-Buy-out- Team, mit dem Folgeunternehmen Trend Interior neue Wege einzuschlagen. Unsere besonderen Kompetenzen sahen wir darin, die Komplexität in Ladenbauprojekten managen zu können, sowie in hoher Fertigungstiefe und Technologie auf dem neuesten Stand. Schnell stießen wir auf den Markt der individuellen Büroeinrichtungen, der sich von öffentlichen Räumen wie Empfang und Teeküchen bis hin zu Vorstandsetagen erstreckt. Wir erkannten die begrenzten Möglichkeiten der Mitbewerber in dieser Branche und deren Schwierigkeiten bei maßgeschneiderten Kundenwünschen.

Der Markt für individuelle Büroeinrichtungen besteht aus Firmen, die sich vor allem auf „Katalogware“ konzentrieren. Uns wurde schnell klar, dass die Zusammenarbeit mit Büroausstattern entscheidend ist, da diese den direkten Kundenkontakt haben. Durch gezielte Ansprache und ein Konzept, das die Leistungen im Büroeinrichtungsbereich „veredelt“, konnten wir den Ausstattern ermöglichen, ihr Portfolio zu erweitern. Ihre Firma generiert mittlerweile beinahe 40 Prozent des Auftragsvolumens aus ladenbaufremden Bereichen.

Womit haben Sie sich im neuen Markt positioniert?

Wir vertreten das Verständnis, dass wir „Sicherheit verkaufen“, indem wir eine hohe digitale Durchgängigkeit sowie eine „gläserne Fertigung“ made in Germany bieten. Wir haben einen Wertanalyseanspruch: Direkt nach Auftragserhalt definieren und optimieren wir gemeinsam mit dem Kunden und dem Büroausstatter die Projektziele. Dies war und ist nach meinem Kenntnisstand neu in dieser Branche. Als reiner Ladenbauer in Einzelhandelsprojekten waren wir nur „einer von vielen“, in diesen Projekten haben wir eine steuernde Funktion. Auch nehmen wir den Kunden die Angst vor neuen Materialien. Durch unser Konzept erhalten Büroausstatter die Möglichkeit, ihre eigenen Katalogprodukte mit unseren maßgeschneiderten Einrichtungen als Gesamtpaket zu vertreiben. Der Mehrwert für sie besteht darin, sich aus ihrem direkten Wettbewerb herauszunehmen.

„Takerspace“ – ein besonderes Schulmöbel

„Takerspace“ ist ein Wabenmöbel mit pädagogischem Ansatz. Das Entwicklungsteam bestand aus „Insidern“ aus dem Bildungsbereich. In Kombination von pädagogischen Fähigkeiten und handwerklichem Know-how wurde „Takerspace“ mit einem Design-Thinking- Ansatz entwickelt. Die hexagonalen Module sind flexibel einsetzbar, um Lernenden individuelle Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Das Produkt soll im Schuljahr 2024/25 vermarktet werden. Mit dem Konzept wird Trend Interior als erstes Handwerksunternehmen Zustifter bei der Stiftung Bildungspakt Bayern.

Welche Erkenntnisse aus dem Bereich Ladenbau konnten Sie auf den Büroeinrichtungsmarkt übertragen?

Die Anforderungen an eine gelungene Ladeneinrichtung und Büroeinrichtung weisen erhebliche Überschneidungen auf. Im Zentrum steht das Wohlfühlen, das sich sowohl auf die Aufenthaltsdauer und -qualität als auch auf die detailgenaue Ausführung aller Gewerke erstreckt. Unternehmen konkurrieren darum, ihre Mitarbeitenden durch eine inspirierende Büroeinrichtung anzuziehen und im Wettbewerb mit dem Homeoffice zu bestehen. Vielen Unternehmen ist mittlerweile Nachhaltigkeit sehr wichtig. Dies bezieht sich zwangsläufig auch auf die Einrichtungen – proaktive Anregungen zur Verwendung von nachhaltigen Materialien können ausschlaggebend für die Auftragserteilung sein.

Die Integration der Werte und Besonderheiten eines Unternehmens ist ein weiterer Aspekt, der nicht nur plakativ durch Logos, sondern auch unterbewusst erlebbar sein sollte. Will eine Firma beispielsweise die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden über Abteilungsgrenzen hinweg „provozieren“, bietet sich die Installation eines Work-Cafés an. Auch nutzen wir Storytelling, wie etwa ein Farbleitsystem, das zum Unternehmenslogo passt.

Was würden Sie Ladenbauunternehmen empfehlen, die bislang im Bereich Einzelhandel tätig waren, um ihre eigenen Stärken zu erkennen und in neue Märkte zu übertragen?

Viele Ladenbauer sind sich ihrer Kompetenzen bewusst. Dennoch scheinen viele von ihnen nicht darüber nachzudenken, dass ihre Fähigkeiten (verschiedene Gewerke, Materialien, Schnelligkeit) auch in anderen Branchen einen Mehrwert für unbekannte Kunden schaffen könnten. Ein individueller Kassentresen unterscheidet sich nicht wesentlich von einem Coffee-Corner-Tresen. Ich glaube, dass es aus Risikosicht für ein Unternehmen wichtig ist, auf mehreren Beinen solide zu stehen. Entscheidend ist es meiner Meinung nach, den richtigen strategischen Fokus zu finden.

Eine Positionierung gegen Großserienhersteller oder das direkte Akquirieren von Kunden in völlig neuen Branchen scheinen wenig erfolgversprechend. In Büroprojekten sind individuelle Möbel nur Mosaiksteine, daher ist das Verständnis für die Ziele des Kunden und seines Ansprechpartners, der zahlreiche Handwerker koordinieren muss, hier wichtiger. Die Kommunikation sollte sich daher auf das Einhalten des Versprechens in jeglicher Hinsicht konzentrieren.

Das Interview führte Regina Kruck.