„Revitalisierungen haben ihre eigenen Gesetze“, schrieb Alwin Lindemann, Geschäftsführer der hib Handelsimmobilien Beratung & Management GmbH, 2018 in einem Fachartikel des EHI-Shopping-Center Reports. Das fange schon bei den Begrifflichkeiten an: Von Redevelopement über Refurbishment und Weiterentwicklung oder Umstrukturierung ist oft die Rede. Revitalisierung aber, so Lindemann, ziele auf die Sanierung und den Umbau eines bestehenden Shopping-Centers und seine Adaption an die jeweils aktuellen Kundenwünsche und -erwartungen. Ziel sei die Werterhaltung oder Wertsteigerung. Wichtige Faktoren für diesen Prozess: Marktumfeld und Zustand des Objekts, Image und Potenzial, Center-Layout, Besatzstruktur und die Relation von Kosten und Ertrag.
Ein Jahr später, auf dem im Mai 2019 gemeinsam von EHI und dem German Council auf Shopping-Centers (GCSC) veranstalteten Deutschen Shopping-Center Forum (DSCF), schlägt Johannes Ringel, Geschäftsführender Gesellschafter beim Düsseldorfer Städtebaubüro RKW Architektur+, in dieselbe Kerbe: Die ökonomischen Rahmenbedingungen seien durchauserfreulich. Laut Handelsverband Deutschland (HDE) legte der Einzelhandel 2018 das zehnte Wachstumsjahr in Folge hin, verglichen mit dem Vorjahr stieg der Umsatz um weitere 2 Prozent auf 537 Mrd. Euro. Die Sorge, dass der Online-Handel dem Einzelhandel das Wasser abgrabe, sieht Ringel nicht bestätigt. Im Gegenteil: „In dem, was wir heute im Bereich Revitalisierung erleben, steckt viel Aufbruch.“ Das sehe man u. a. an den geänderten Flächenformaten.
Freiwerdende Flächen ermöglichen Strukturwandel
Dank Cross-Channel benötigten zum Beispiel Märkte wie Saturn nicht mehr riesige Verkaufsflächen ab 5.000 qm aufwärts, sondern sie funktionieren inzwischen auch auf einem Zwanzigstel der ursprünglichen Fläche, so Ringel. Diese Tendenz trifft auch auf große Warenhäuser zu. „Was machen wir mit diesen Standorten? Was machen wir mit diesen großen Immobilien in Premiumlage, am Rande der Fußgängerzonen, in der Regel mit U-Bahn-Anschluss und ausreichend Stellplätzen?“ Aus Sicht des Stadtentwicklers Ringel liegen die Antworten auf der Hand: „Die freiwerdenden Flächenpotenziale bieten die Möglichkeit zum Strukturwandel.“ Für die bestehenden Shopping-Center heiße das, „nach neuen Impulsen zu suchen.“ Neben den boomenden Themen wie Gastronomie und Markthallen-Angebote müssten auch Co-Working- und Co-Living-Konzepte mitgedacht werden.
Mixed-use-Konzept
Wie ein solches Nutzungskonzept aussehen kann, zeigt das jüngst eröffnete Forum Schwanthalerhöhe in München. Das Shopping-Center liegt in unmittelbarer Nähe der Theresienwiese, auf der alljährlich das Münchner Oktoberfest stattfindet und auf der auch das Standbild der Bavaria steht, geschaffen vom namensgebenden Bildhauer Ludwig Michael von Schwanthaler. Als Referenz an ihn und den nach ihm benannten Stadtteil finden sich im gesamten Shopping-Center ausgewählte Beispiele seines Schaffens, so zum Beispiel im Service-Center, in den Mutter-Kind-Räumen und im Parkhaus-Foyer.
Verantwortlich für den Umbau des ehemals vom Möbelhaus XXXLutz genutzten Standorts war die HBB Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft. Die besondere Herausforderung lag laut HBB-Geschäftsführer Harald Ortner vor allen Dingen darin, gemeinsam mit der Bayerischen Hausbau, die die angrenzenden Grundstücke besaß, ein übergreifendes Konzept für ein neues Quartierszentrum zu entwickeln. Rund 240 Mio. Euro hat die HBB dafür in die Hand genommen und ein Center geschaffen, in dem auf drei Etagen Handel und Gastronomie, aber auch Co-Working-Angebote einen Platz finden. Die gemeinsam von Center-Kunden und Wohnungseigentümern genutzten Stellplätze sind so strukturiert, dass ausreichend Parkmöglichkeiten für beide Interessengruppen vorhanden sind.
Fünf Ansätze zur Revitalisierung
Wie komplex das Thema Revitalisierung sein kann, weiß Joanna Fisher vom Immobilienentwickler und -betreiber ECE Projektmanagement. „Wir sehen in diesem Bereich einen sehr hohen Investmentbedarf, der sich nur langfristig amortisiert.“ Die für das Center-Management der ECE verantwortliche Geschäftsführerin nannte verschiedene Ansätze, um ein Center aus dem eigenen Portfolio weiterzuentwickeln. Dazu zählen u. a. notwendige Anpassungen, die sich durch den Wechsel des Ankermieters ergeben können, die Anpassung des Branchenmixes oder neue Angebote rund um das Thema „Shoptainment“.
Als Best Practice für den „Shoptainment“- Ansatz nennt Fisher das Shopping-Center MyZeil in Frankfurt, in dem die ECE erst vor kurzem im vierten Stock die Gastronomie- und Entertainment-Etage „Foodtopia“ eröffnet hat. Die Mieterstruktur zeichnet sich durch hochwertige Angebote aus. So ist es den Betreibern beispielsweise als erstes Shopping-Center überhaupt gelungen, Poké You, das hawaiianischen Bowl-Konzept des Hamburger Zwei-Sterne-Kochs Karlheinz Hauser und seines Sohnes Tom Hauser als Mieter zu gewinnen. Im Sommer soll die türkische Marke Big Chefs mit dem ersten Standort in Westeuropa folgen. Außenterrassen mit Blick auf die Frankfurter Skyline unterstreichen das urbane Konzept. Geplant sind außerdem noch eine „Film Lounge“ sowie eine Fläche für größere Events.
Wenn Revitalisierung Kompletterneuerung bedeutet
Manchmal allerdings reicht die Erweiterung der bestehenden Struktur nicht aus, dann muss eine komplette Überarbeitung her. Bereits im Jahr 2011 zeigte die empirische Studie „Center Erfolgs-Check“ der GMA Beratung und Umsetzung und Sonae, dass nahezu die Hälfte – konkret 199 von seinerzeit 414 Einkaufszentren – potenziell revitalisierungsbedürftig waren.
Bereits abgeschlossen ist dieser Prozess im Kaufpark Eiche. In rund anderthalb Jahren haben die HLG Gesellschaft zur Entwicklung von Handelscentern aus Münster, die New Yorker Investmentgesellschaft Madison International Realty und ihr deutscher Joint-Venture-Partner, die Redos Gruppe aus Hamburg, zusammen das alte Shopping-Center im Osten Berlins komplett revitalisiert. Die größte Herausforderung lag im Ankermieterwechsel, sagt Christine Hager, Managing Director bei Redos und Vorstandsvorsitzende des GCSC. Die Aufgabe sei es gewesen, aus einem ehemaligen Baumarkt innenstadtrelevanten Einzelhandel zu entwickeln. Die Lösung lag in der kompletten Umwidmung der Fläche zu einem „bunten Branchen und Mietermix“. Formen- und Bildsprache des alten Centers wurden erhalten, aber mit neuen, hochwertigeren Materialien umgesetzt. Ein solches Vorgehen erfordert mitunter nennenswerte Investitionen, die sich aus Sicht von Hager aber unbedingt lohnen.
Praxisbeispiele dieser Art zeigen: Allen Unkenrufen zum Trotz ist der Abgesang auf die deutschen Shopping-Center verfrüht. Aktuell listet der EHI Shopping-Center Report 44 im Umbau befindliche Einkaufzentren auf, das Investitionsvolumen summiert sich auf gut 887 Mio. Euro. Rund die Hälfte der Investoren bzw. Center-Manager machte keine Angabe zum konkreten Investitionsvolumen. Die tatsächlich zu erwartenden Summen dürften also deutlich höher liegen.