Avantgarde-Appointment am Dover Street Market Paris

Das Dover-Street-Market-Konzept ist ein Leuchtturm-Projekt der japanischen Designerin und Modeikone Rei Kawakubo und ihres südafrikanischen Partners Adrian Joffe – nach London, Tokio, New York, Singapur, Los Angeles und Peking.Lange haben sie über ein Invest in Paris nachgedacht. War es ihnen früher zu bourgeois, ist die Seine-Metropole heute mit ihren jungen Kreativen deutlich attraktiver für derartige Angebote. Schließlich hat die Initiative der Stadt Paris, sie in ihrer Politik der Redynamisierung der Stadt einzubeziehen, Kawakubo und Joffe überzeugt. Mit einem 10-jährigen Pachtvertrag für das Hôtel de Coulanges, in dem im 17. Jahrhundert die französische Literatur-Ikone Madame de Sévigné residierte, hat Paris dem Dover Street Market den roten Teppich ausgerollt. Im Umfeld der Location können die Ladenmieten pro Jahr und Quadratmeter durchaus 1.500 Euro erreichen.

Avantgarde-Status

Dover Street Market hat international einen besonderen Spitzenplatz. Er hat Avantgarde-Status, ist gleichermaßen Kunstforum und ein Labor für spannende Jung-Designer. In dieser Mischung ist er ein Ort für Neugierige, die das Außergewöhnliche suchen. DSM gibt der Rue Francs Bourgeois einen Uplift. Bisher stark von konsumorientierteren Modebrands besetzt, haben vor kurzem auch Chanel und Courrèges in der Nähe Stores eröffnet.

Bei der Eröffnung begleitete die Fotoausstellung „Comme des Garçons pour et par Paolo Roversi“ das Event.
Foto: Dover Street Market Paris

Der um einen Innenhof gruppierte Gebäudekomplex des DSM aus dem 17. Jahrhundert hat den Charakter einer bourgeoisen Residenz mit klassischen Fassaden und stilvoller Diskretion. Das passt zu DSM, der in all seinen Dependancen auf plakative Kundenansprache verzichtet.

So wird neben Außenwerbung selbst auf ein Türschild verzichtet. Hinter dem Eingangstor werden auf drei Etagen 1.100qm bespielt. Die Innenausstattung verbindet klassische Elemente wie die historische Treppe im Eingangsbereich Warenträger aus verzinktem Metall und weißem Lack.Neonleuchten an der Decke, offen sichtbare Röhren und Versorgungsleitungen sorgen für den unfertigen Kontrapunkt. Auch die Böden zeigen vielerorts ihren „time-aged“ Charakter. Eine überraschende Design-Symphonie, für die Rei Kawakubo verantwortlich zeichnet.

Es gibt kein sichtbares Orientierungssystem, viele Nischen und hinter gerundeten Wänden intimistisch präsentierte Angebote. „Get lost and enjoy“, sagt ein Verkäufer. Inder Vielzahl der Räume wiederholen sich die geschwungenen Raumelemente, sie werden jedoch farblich und gestalterisch differenziert. Verzinkte Metallelemente oder Metallgittersetzen Akzente. Statt auf Tischen inszeniert der Dover Street Market Accessoires und Small Pieces auf futuristisch anmutenden, weiß lackierten Kuben, die Rei Kawakubo wie das Interieur exklusiv für DSM entwickelt hat.

Beautiful Chaos

Adrian Joffe beschreibt das DSM-Konzept als „beautiful chaos“. Neben den Avantgarde-Kollektionen von Comme des Garçons, Junya Watanabe und Noir Kei Ninomiya featured DSM finden sich dort sowohl etablierte Brands wie Prada, Miu Miu, Sacai, Rick Owens oder Balenciaga als auch Labels der Gegenkultur. DSM ist seit Jahren bekannt als Fashion-Inkubator. So übernimmt Comme des Garçon für vielversprechende Jungdesigner Produktion und Vertrieb. Auf der größten Etage, dem ersten Stockwerk, wird auch Shoewear ein prominenter Platz eingeräumt. Hier werden exklusive Sneaker-Colabs mit Nike oder Salomon, aber auch besondere Styles von Hoka oder Adidas präsentiert, ebenso ein Jewellery-Space – ein Thema, das auch in Departmentstores immer wichtiger wird.

Experimentelle junge Brands werden im Untergeschoss gefeatured. Hier wird mit Gerüstbau-Elementen und farbigen Neons Streetappeal in alten Gewölben inszeniert. Im Fokus stehen kalifornische Skatelabels wie ERL, japanische Punk-Inspiration von Kidill oder das russische Skaterlabel Rassvet, dem eine besondere Verkaufsausstellung in den Archivräumen gewidmet ist. Das palestino-israelische Modelabel Adish plädiert mit traditionellen Handstickereien auf Streetwear für mehr Völkerverständigung. Die Message kam an: Das Angebot war fast ausverkauft. Mit Preisen zwischen 50 und 10.000 Euro erreicht DSM eine breite Zielgruppe.

Kunst und Kultur

DSM Paris ist auch eine kulturelle Anlaufstelle. Bei der Eröffnung im Mai begleitete die Fotoausstellung „Comme des Garçons pour et par Paolo Roversi“ das Event, die parallel zur Ausstellung „Paolo Roversi“ im Pariser Modemuseum stattfand. Die Rose Bakery im Erdgeschoss lädt mit Terrasse in einem intimen Garten zur Shopping-Pause ein. „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich die Menschen zu Hause fühlen, an den sie oft zurückkehren und an dem die Qualität der Speisen stimmt“, sagt Rose Carrarini, die Schwester von Adrian Joffe. Restaurants von Rose Bakery mit einer weitgehend vegetarischen Küche finden sich in Paris u. a. auch im Bon Marché, im Musée de la Vie Romantique oder seit Neuestem in der renovierten Bibliotheque Nationale.

„Es wird nicht nur ein weiterer Shop sein“, sagt Adrian Joffe in einem Wallpaper-Interview. „Wir erhoffen uns, in diesem Gebäude einen neuen Weg zu eröffnen, der auf allem aufbaut, was wir erreicht haben, und es wagt, ins Unbekannte vorzustoßen. Ein Gebäude, das bereits eine Markenentwicklungsabteilung und Räume für alle Arten von Maßnahmen zur Schaffung starker Energien und Synergien zu einer neuen Syntax enthält.“