Schlank und steil streckt sich der Glasturm Richtung Himmel. Die von kreisförmigen Motiven überzogene Fassade kündigt schon an, dass hier etwas grundsätzlich anders läuft als anderswo. Dem vierstöckigen Gebäude wohnt mit dem 10 Corso Como ein ziemlich einzigartiges Storekonzept inne, das schon vielen Läden als Vorbild diente. In seiner Heimat Mailand seit über 20 Jahren eine Institution, gilt 10 Corso Como als Begründer der Gattung Concept Store.

Nicht weniger „spacig“: die Damenabteilung

Nicht weniger „spacig“: die Damenabteilung

Die einzelnen Etagen beherbergen eine muntere Mischung von Versatzstücken, die für einen 10 Corso Como-Store so typisch sind: Im ersten Geschoss eine Multifunktionsfläche für Design, Kosmetik, Bookstore und Café mit einer von Pflanzen umrankten Außenterrasse. Ein gläserner Aufzug führt in die Etage darüber, auf der die Menswear ausgewählter internationaler Designer sowie Design-Objekte und Accessoires präsentiert werden. Hier findet sich auch die Maßanfertigung, in der der italienische Herrenschneider Salvatore Scarpa jeden Monat eine Woche lang seine Schneiderkünste demonstriert. Die dritte Etage präsentiert internationale Womenswear zwischen Klassik und Avantgarde – immer „Cutting Edge“. Im obersten Geschoss findet man Restaurant und Lounge, ausgestattet mit Sternekoch, nächtlichen Öffnungszeiten und einem Blick auf den buddhistischen Jin’An-Tempel. In dieser Etage, die übrigens „Die Fünfte“ genannt wird, weil vier auf Chinesisch „böse“ bedeutet, finden das ganze Jahr über Fotografie-, Kunst- und Design-Ausstellungen statt.

Prinzip Wundertüte

Die ebenso eklektische wie extrovertierte Mischung ausgewählter Objekte aus Fashion, Musik, Design, Küche und Kultur folgt ausschließlich den ästhetischen Vorlieben der Inhaberin. Und diesen entspricht ganz Kris Ruhs’ Geschmacksexplosion aus Mustern, Farben und Texturen. Der amerikanische Künstler und Designer, der seit Jahrzehnten geschäftlich und privat mit der Inhaberin Carla Sozzani verbunden ist und auch bereits die gestalterische Linie der anderen 10CC-Objekte verantwortet, entwarf die gesamte Innenraumgestaltung bis hin zu den metallenen Deckenleuchten und den Vorhängen aus 22.000 kreisrunden Glasscheiben, die in italienischen und chinesischen Werkstätten in Handarbeit angefertigt wurden. Auch das signifikante kreisförmige Logo des Stores stammt von Ruhs.

Auch ein „Bookshop“ gehört zu dem Concept Store.

Auch ein „Bookshop“ gehört zu dem Concept Store.

Das Prinzip Wundertüte verfolgt Carla Sozzani seit Anfang der Neunziger-Jahre. Die ehemalige Moderedakteurin und Herausgeberin betrieb 1990 eine Galerie mit angeschlossenem Buchladen und Café. Mit der Idee, die Grenzen zwischen Kultur und Kommerz aufzuheben und beides synergetisch zu verschmelzen, baute sie 1991 ihr Galerie-Konzept zur Shopping-Destination aus. Als Concept Store bezeichnete im selben Jahr der Soziologe Francesco Morace diesen Laden und prägte damit den Terminus für die nach wie vor aktuelle Marketing-Idee, klassische Sortimente durch unerwartete Sujets, Dienstleistungen und Service-Themen anzureichern.

Die Welt der Carla Sozzani, die ihre Unternehmensphilosophie Slow-Shopping nennt, eroberte im Laufe der Jahre immer neue Themen. 2003 eröffnete innerhalb des Gebäudes sogar ein kleines Hotel. Das 3Rooms besteht aus nur drei buchbaren Appartments, mit Gucci-Sofa und Kris Ruhs-Teppichen exklusiv als Private Homes eingerichtet. Die üppig bepflanzte Dachterrasse, die 2010 am Mailänder Stammsitz eingerichtet wurde, würdigte der italienische Vogelschutzbund als wichtige Schutzzone. Sozzanis Reich kennt keine Grenzen.

Fotos (3): 10 Corso Como

Weitere Informationen: www.10corsocomo.com

10 Corso Como, Schanghai

Eröffnung: September 2013

Adresse: 1717 Nanjing West Road, Schanghai

Inhaberin: Carla Sozzani

Store-Planung und Innenarchitektur: Kris Ruhs

Partner: Trendy International Group, China

Größe: 2.500 qm

Etagen: 4

Abteilungen: Café, Bookshop, Menswear, Womenswear, Design-Objekte, Galerie, Restaurant

Weitere Filialen: Mailand (Stammhaus), Tokio, Seoul (2)