RFID, die Technologie zur Verfolgung und Identifikation von Einzelartikeln entlang der Wertschöpfungskette, funktioniert und rechnet sich – und zwar auch in mittelständischen Unternehmen des Einzelhandels. Diese Schlussfolgerung zieht ein halbes Jahr nach Einführung von RFID Ute Guse, die Geschäftsleiterin von „Sigi“, einem 120 qm großen DOB-Fachgeschäft in Minden (Umsatz: ca. 750.000 Euro). „Sigi“ ist eine vermietete Fläche im Gebäudekomplex des Modehauses Hagemeyer. Der Platzhirsch im Ostwestfälischen (18.000 qm Verkaufsfläche) prüft Projekte wie RFID auf Umsetzbarkeit im eigenen Hause und agiert als Technologie- und Logistikpartner von „Sigi“.

Die RFID-Etiketten funktionieren einwandfrei.

Martin Heinzmann

Geschäftsleitung, Modehaus Hagemeyer, Minden

Laut Martin Heinzmann von der Hagemeyer-Geschäftsleitung ist bei „Sigi“ die Ware mit einem Durchschnittsbestand von 2.500 Teilen mittlerweile komplett mit RFID-Chips ausgestattet. „Die Etiketten funktionieren einwandfrei. Bislang gab es keinen Funktionsausfall“, so Heinzmann. Auch bei „Sigi“ ist RFID mit der Warensicherung verknüpft, der RFID-Chip übernimmt auch die Funktion von Sicherheitsetiketten. Die Integration von Warensicherung in RFID garantiert laut Heinzmann einen schnellen Return on Investment, den der Fachmann aktuell auf drei Jahre beziffert. Weitere wichtige Ergebnisse der Anwendung bei „Sigi“:

  • Bestandsaufnahmen werden jetzt wöchentlich durchgeführt und dauern maximal zehn Minuten.
  • Inventurdifferenzen, die durch Fehlbuchungen entstehen, werden durch RFID aufgedeckt.
  • Die Bestandsgenauigkeit wurde erhöht. Die wöchentlichen Korrekturen liegen zwischen 0,2 und 0,3 Prozent.
  • Versorgungslücken konnten minimiert werden, „weil man mit RFID schneller Sortimentslücken erkennt“.
  • Der Kassiervorgang geht mit dem RFID-Reader schneller als mit Scanning. „Die Mitarbeiter haben jetzt mehr Zeit zum Verkauf und für den persönlichen Kundenkontakt“, so Heinzmann.
  • Trotz des Einsatzes modernster Technologie entstehe kein „Supermarkt-Effekt“. Im Gegenteil: Die Technik, so Heinzmann, trete aus Kundensicht sogar in den Hintergrund.

Und so sind bei „Sigi“ die Prozesse rund um den Einsatz von RFID organisiert:

Artikelanlage

Im Logistikzentrum von Hagemeyer erfolgt während der Erfassung der Bestellung vom Orderformular des Einkäufers oder während der Abwicklung des Wareneingangs die manuelle Artikelanlage in der Warenwirtschaft „RetailFlow Enterprise“ von Höltl Retail Solutions, Bad Hersfeld. Möglich wäre auch die Artikelanlage durch die Übernahme von elektronisch übermittelten Daten (EDI), die vom Lieferanten gesendet werden in der Nachrichtenart Pricat. Die Lieferanten von „Sigi“ sind jedoch bislang nur zu einem kleinen Teil EDI-fähig, sodass man bei „Sigi“ noch kein EDI nutzt.

Wareneingang mit EPC-Vergabe

Beim Aktivieren bzw. Verbuchen eines Wareneingangsbelegs generiert das Warenwirtschaftssystem für jedes einzelne Teil pro Kombination von Artikelnummer, Farbe und Größe eine Einzel-Identnummer, den elektronischen Produkt-Code (EPC). „Die EPCs könnten auch vom Lieferanten über die EDI-Nachricht Desadv stammen“, erklärt Jos Schols, Projektmanager bei Höltl Retail Solutions.

Etikettendruck

Anschließend werden die Etiketten gedruckt und der integrierte Tag mit dem EPC beschrieben. Dieser Vorgang kann entweder direkt aus der Warenwirtschaft initiiert werden oder – wie bei „Sigi“ – über eine Schnittstelle zum Etikettendruck-Modul „detego Suite“ des Anbieters Enso Detego erfolgen. Hierdurch ist die Unabhängigkeit von einem Drucker gewährleistet. Die Ansteuerung des Druckers erfolgt über das Etikettendruck-Modul. Gleichzeitig werden die Einzelartikel auch im „Edetego Data StoreE“, der zentralen RFID-Datenbank, angelegt. Die Ware wird im Logistikzentrum mit den RFID-Etiketten ausgezeichnet.

Übergabe der Artikelstammdaten aus der Warenwirtschaft

Entsprechend der Daten der Wareneingangsbelege werden diese Belege inklusive der Artikelstammdaten und EPCs, mit denen jeder Einzelartikel identifiziert wird, über eine Schnittstelle von der Warenwirtschaft an den „detego Data Store“ übermittelt. Der gesamte Artikelstammdaten-Export bzw. -Import erfolgt nachts. Diese Artikelstammdaten werden zur schnellen Identifikation von Artikeln bei Alarmen oder bei Preisänderungen verwendet.

Verkauf an der Kasse

Die Etiketten werden auf den Ladentisch gelegt, wo die Daten von einem POS-Reader (Anbieter: Nedap) erkannt und an das POS-Modul der „detego Suite“ übermittelt werden. Die Höltl-Kassensoftware „POSFlow“ prüft, ob das Detego-Modul Daten der RFID-Tags vom POS-Reader erhalten hat und registriert anschließend alle Artikel EPC-genau. Beim Abschluss des Kassiervorgangs werden die EPCs der gekauften Ware oder der Auswahl-Artikel als „bezahlt“ bzw. als „Auswahl-Mitnahme“ gekennzeichnet und anschließend wird diese Information an die „detego Suite“ übergeben.

Elektronische Artikelsicherung (EAS)

Über die EAS-Deckenantenne von Nedap am Ausgang der Boutique werden die RFID-Tags gelesen und an das EAS-Modul der „detego Suite“ zur Überprüfung übermittelt. Hier wird geprüft, ob die gelesene Ware auch tatsächlich verkauft wurde bzw. als „Auswahl-Mitnahme“ registriert ist. Gegebenenfalls wird ein Alarm ausgelöst. Die Alarmmeldung erfolgt bei „Sigi“ momentan als stiller Alarm auf dem iPod der Mitarbeiter. Optional kann dieser auch an der Kasse oder an einem beliebigen anderen im Netz befindlichen PC angezeigt werden.

Bestandserfassung

Bestandsaufnahme mit dem iPod

Mit Handheld-Scanner von Nedap wird bei „Sigi“ in kurzer Zeit der Bestand der gesamten Fläche aufgenommen. Die Daten auf Einzelartikelebene werden über eine Bluetooth-Verbindung zum iPod der Mitarbeiterin übertragen. Dort wird die Mitarbeiterin über den Erfassungsfortschritt informiert. „Durch den intensiven Dialog mit den Anwendern und deren wertvolle Anregungen konnten wir die Applikationen besonders benutzerfreundlich gestalten. Davon werden auch weitere Mittelständler profitieren können“, so Eva Brückler von Enso Detego. Ist die Bestandsaufnahme abgeschlossen, werden die Daten über WLAN an den „detego Data Store“ übermittelt. Von dort werden die aufgenommenen Bestandsdaten an das Warenwirtschaftssystem exportiert, das sofort einen Soll-Ist-Vergleich auf EPC-Ebene bereitstellen kann.

Als Konsequenz des RFID-Projektes bei „Sigi“ soll nun die nächste Generation des Warenwirtschafts- und Kassensystems bei Hagemeyer RFID beherrschen. „Wir wünschen uns, dass die Zahl der Lieferanten, die ihre Ware mit RFID-Chip auszeichnet, weiter wächst. Denn RFID kann die Flächenkooperationen mit der Industrie einen weiteren Schritt nach vorne bringen“, ist Martin Heinzmann überzeugt. Denn der Einsatz von RFID im Rahmen von Flächenkooperationen könne zeigen, wessen System die korrekten Bestände führt, wie hoch der tatsächliche, physisch vorhandene Bestand ist, wann die Ware auf der Verkaufsfläche ist, ob sie auf einer Stammfläche oder einer Sonderfläche liegt und auf welcher Fläche sie verkauft wurde.  

Weitere Informationen: www.hagemeyer.de