Herr Schneider, Sie haben den Handel mit gebrauchter Software erfunden. Ist das Geschäftsmodell in Zeiten von Cloud und SaaS noch zukunftstauglich?

Vor einigen Wochen wurden die Märkte von einer interessanten Nachricht überrascht. Microsoft kündigte an, seinen Standardsoftware-Bestseller „Office“ auch in Zukunft zum Kauf anzubieten. Dabei hatte der Software-Multi lange Zeit mitgeteilt, die aktuelle Version „Office 2019“ werde die letzte Kauf-Version sein. Anschließend sollte die weltweit führende Office-Software nur noch per Miet-Modell erhältlich sein. Für Unternehmen ist das eine gute Nachricht. Bedeutet es doch, dass es auch langfristig weiter echten Wettbewerb in diesem Markt geben wird: in Form des Software-Gebrauchthandels. Software darf nämlich nur dann gebraucht gehandelt werden, wenn sie zuvor im Wege des Verkaufs in den Markt gebracht wurde.

Seit wann ist der rechtssichere Erwerb gebrauchter Software-Lizenzen überhaupt möglich?

Eigentlich schon immer, aber der Europäische Gerichtshof hat erst im Jahr 2012 den Handel mit gebrauchter Software für grundsätzlich rechtmäßig erklärt. Dem sind viele Jahre der Unsicherheit und eines intensiven Rechtsstreites vorangegangen. Wir haben mit einem Team engagierter Anwälte lange für dieses Recht gekämpft. Seitdem hat sich der Gebrauchtsoftware- Handel als fester Bestandteil des Software-Marktes etabliert. In vielen Unternehmen wird vor jeder Investitionsentscheidung der Markt für gebrauchte Lizenzen standardmäßig geprüft. Die Preisvorteile sind attraktiv und wir garantieren die Eigentumsrechte unserer Lizenzen.

Der Web-Shop von Usedsoft wurde durch das EHI als „Geprüfter Online- Shop“ zertifiziert, als erster der Branche. Welche Bedeutung hat der digitale Vertrieb heute?

Die Zeiten des persönlichen Verkaufs sind weitgehend Vergangenheit. Das Modell gebrauchter Software- Lizenzen ist bekannt und erprobt. Wir müssen unsere Kunden heute nicht mehr im persönlichen Gespräch von unserem Angebot überzeugen. Daher fokussieren wir schon seit vielen Jahren auf konsequente Digitalisierung über unseren Onlineshop. Wir betreiben dafür einen professionellen und voll automatisierten Shop, den das Unternehmen kontinuierlich ausbaut und weiterentwickelt. Die Funktionen und das Angebot werden ständig verbessert und erweitert. Die Unternehmensgruppe tätigt dafür Jahr für Jahr beträchtliche Investitionen. Dabei fließen auch die Ergebnisse der umfassenden Kundenbefragungen mit ein. Unser Onlineshop ist natürlich auch mehrsprachig. Neben Deutsch bieten wir Englisch, Französisch und Italienisch. Die Transparenz des Bestellvorgangs, der Schutz persönlicher Daten und andere wichtige Kriterien lässt Usedsoft jedes Jahr vom EHI überprüfen und zertifizieren.

Welche Produkte eignen sich für den Gebrauchtsoftwaremarkt? Im Prinzip kann hier alles gehandelt werden. Unsere Kunden können heute im Onlineshop das volle Sortiment aller gängigen Microsoft-Standard- und Serversoftware erwerben, außerdem – je nach Verfügbarkeit – auch Software anderer Hersteller, z. B. Coreldraw. Der Bestellprozess läuft dabei voll automatisiert ab: Bestellung, Zahlung, Lizensierung und Lieferung geschehen in einem Arbeitsgang. Bestellt werden kann nur, was auch in der gewünschten Stückzahl auf Lager ist. Das erwarten unsere Kunden. Schließlich sind unsere Kunden Unternehmen, da sind die Ansprüche sehr hoch und wir müssen uns darauf einstellen.

Sind Groß- und Einzelhandel auch Käufer von gebrauchten Softwarelizenzen?

Oh ja. Die Handelsbranche war von Beginn an eine unserer wichtigsten Kundengruppen. Supermarkt- und Kaufhausketten gehören ebenso zu unserer Klientel wie renommierte Onlineshops, darunter moebel.de oder notebooksbilliger.de. Aber auch zahlreiche internationale Markenartikelunternehmen, wie Montblanc, Allude, Iris von Arnim oder die Champagnermarke Roederer. Insgesamt zählt unsere Gruppe über 15.000 Unternehmen und Behörden im In- und Ausland zu ihren Kunden. Und wir sind sehr froh, dass die Zahl weiter wächst.

Wie sehen Sie die Entwicklungen in den kommenden Jahren?

Unser Digitalisierungskurs ist auch die Grundlage für die weitere Internationalisierung des Geschäfts innerhalb der Europäischen Union. Wir haben von Anfang an auf internationales Wachstum gesetzt, haben aber in 2019 unsere Gesellschaften in Asien und Afrika verkauft, weil wir uns stärker auf die EU-Staaten konzentrieren wollten. Neben dem Hauptsitz Schweiz und dem Stammland Deutschland sind Österreich, Frankreich, Italien und Benelux unsere wichtigsten Märkte. Die Strategie ist aufgegangen. Der Online-Vertrieb ist heute der entscheidende Wachstumstreiber unseres Geschäftsmodells. Seit dem Go-Live des Shops im Jahr 2015 sind die Online-Umsätze jedes Jahr um rund 50 Prozent gestiegen. Inzwischen werden jedes Jahr mehr als die Hälfte der Neukunden über den Internet-Handel gewonnen. Tendenz steigend. In unserem Marketing setzen wir weiterhin auf Sport-Sponsoring. Mit Fallon Sherrock, Vincent van der Voort und Michael van Gerwen unterstützen wir drei Super-Stars der internationalen Dart-Szene. Das passt gut zu uns: Pioniergeist und Spitzenleistungen sind auch unsere DNA.

Das Interview führte Michael Gerling.

Usedsoft: Ohne Abnutzungs-Erscheinungen

Die Dart-Champions Vincent van der Voort, Michael van Gerwen und Fallon Sherrock werden von Usedsoft unterstützt.

Die Dart-Champions Vincent van der Voort, Michael van Gerwen und Fallon Sherrock werden von Usedsoft unterstützt.
Foto: Usedsoft/Modus Sport

Die Firma Usedsoft wurde 2003 gegründet. Die Geschäftsidee basiert auf der Erkenntnis, dass der Kauf bereits benutzter Lizenzen Preisvorteile von bis zu 50 Prozent gegenüber dem Neupreis bietet. Dabei hat eine gebrauchte Lizenz für den Käufer den gleichen Wert wie eine neue, da sich Software im Gegensatz zu den meisten anderen Produkten nicht abnutzt.

Unternehmen und Behörden können auf dem Gebrauchtmarkt aber nicht nur günstig Software einkaufen, sondern auch ihre überschüssigen Lizenzen verkaufen. Verwaltungsräte des Unternehmens sind u. a. der ehemalige IBM-Europachef Hans-Olaf Henkel und der ehemalige Bayer-Chef Manfred Schneider.