Mit dem Ausbau seiner Plattform reagiert Youtube auf den ständigen Wandel in der Plattform-Ökonomie.

Auf den ersten Blick nicht erkennbar, sind Marktplätze wie Amazon und Videoportale wie Youtube oder Tik Tok von gänzlich unterschiedlichem Charakter. So gibt es bei Amazon keine Katzenvideos und bei Youtube wird die Ware nicht per LKW am nächsten Tag geliefert. Gemein haben beide Konzepte die Bereitstellung einer Infrastruktur, um Konsument:innen und Produzent:innen zueinander zu bringen. Zudem monetarisieren beide ihre Reichweite.

Für Handelsunternehmen von Interesse ist auch die Atomisierung der Reichweite, die Social Media-Größen erreichen. Es entstehen Micro-Netzwerke rund um Influencer und Broadcaster. Diese sind inhaltlich teilweise so fein, dass man in ihnen die eigene Ware sehr zielgruppengetreu ausspielen kann – bei Amazon und co. ist dies nur begrenzt möglich und kann zur Folge haben, dass Marken in der Menge untergehen und sich nur mühselig und kostenintensiv über Retail Media zur Traffic-Oberfläche bewegen.

Hintergrund: Die 5 Entwicklungsstufen des E-Commerce

  1. Einführung: Aus den USA erreichen Deutschland Plattformen wie Ebay und Amazon. Offene Marktplätze wurden auch hierzulande salonfähig. Das Sortiment: einfache Warengruppen.
  2. Deutsche Versandhäuser: Ab Mitte der 2000er-Jahre entwickelten sich die klassischen Versandhändler Quelle, Neckermann, und Otto (existent ist nur noch Otto). Das Sortiment: überwiegend Mode, aber auch Möbel, Einrichtungsgegenstände und Textilien.
  3. Pure Player: Onlineshops mit einem einzigen klaren Fokus erobern das Internet. Zalando, About You und Mytoys haben eine starke Modeausrichtung und öffnen sich schon bald für die Sortimente Dritter. Spezialisten wie Wayfair betreten in anderen Branchen den deutschen Markt.
  4. Stationärer Handel im E-Commerce: Große Filialisten wie P&C, Galeria, Görtz oder Breuninger eröffnen ihre Onlineshops als Marktplätze. Die Sortimentsvielfalt steigt.
  5. Social Commerce: Noch steckt er in den Kinderschuhen, wächst jedoch dynamisch. Die Handelsmöglichkeiten in großen sozialen Netzwerken wie Instagram oder Tik Tok nehmen zu. Youtube-Shopping reiht sich hier ein.

Erfolgsfaktoren Social Media

Social Media-Commerce und klassischer E-Commerce haben eines gemeinsam: Beide benötigen einen Warenbereitstellungs- und Belieferungsprozess. Ein gravierender Unterschied: Während Marktplatz-Business ein sogenanntes Long-Tail-Geschäft ist – man verkauft wenig Exemplare von sehr vielen Artikeln – wird Social Media eher ein Short-Tail-Business sein – man verkauft sehr viele Exemplare von wenigen, kuratierten Produkten. Beispiele aus früheren Zeiten dafür sind das Geschäft über Versandkataloge oder das Teleshopping, heute sind es aktionsgetriebene Live-Shopping-Konzepte.

Verschieden sind demnach auch die Anforderungen im Social Commerce: Der Content sollte so zeitgemäß und zielgruppengerecht wie möglich bei Social Media und so kostengünstig und genau wie möglich im Marktplatzgeschäft sein. Im Bestandsmanagement ergeben sich ebenfalls Unterschiede, z. B. zwischen einem einmaligen Bereitstellen eines Bestandes und permanenten Aktualisierungszyklen.

Auch die Frage, wann ein Artikel erfolgreich ist, wird im Social Commerce anders beantwortet: Die Angebote müssen muss sich auf Youtube keinem harten Produktvergleich stellen. Vielmehr kaufen Follower auch das Image mit, etwas bei ihrem favorisierten Youtuber zu bestellen. Das Erlebnis und der Moment sind entscheidend. Auf Amazon sind hingegen eher das Ranking und „Prime“ ausschlaggebend.

Vorteile und Gefahren für Marken

Marken können mit Social Media-Shopping einen neuen Vertriebsweg erkunden, der zeitgleich als Werbekanal funktionieren kann und damit auch dem Branding zuträglich ist – etwas, das auf Amazon und co. weniger einfach funktioniert. Diese Vorteile kann die Marke in Eigenregie nutzen, ohne die Zustimmung der Marktplätze, zumal der:die Kund:in in einem derartigen Fall der Marke gehören sollte und nicht z. B. Youtube.

Social Shopping ersetzt nicht das klassische Marktplatzbusiness, da es nur punktuell funktioniert. Marken können möglicherweise nicht jeden Tag ein neues Produkt per Video an ihre Anhänger verkaufen. Daher gilt: Der Mix ist entscheidend. Youtube und Co. ergänzen das D2C-Geschäft der Marken.

Der Autor Marcel Brindöpke ist Marktplatzexperte und Gründer des Plattform-Providers Heyconnect.