Eine Befragung des EHI von 63 Handelsunternehmen mit insgesamt 33.000 Filialen zum Status quo des Themas „Ladesäulen im Handel“ ergab, dass bereits an 54 Prozent mindestens eine Ladesäule filialnetzweit steht, weitere 19 Prozent sind in der Planungsphase.

„Geht man davon aus, dass pro Jahr etwa ein Zehntel der Verkaufsstellen im Lebensmittelhandel umfassend renoviert wird und ein weiteres Zehntel neu gebaut wird, ergeben sich daraus 6.000 Verkaufsstellen im Lebensmitteleinzelhandel mit mehr als zehn Stellplätzen, die kurzfristig mit Ladepunkten ausgestattet werden müssen“, bilanzierte Claudia Horbert vom EHI Retail Institute die Perspektive.

Ob und wie aus der Pflicht, Ladesäulen zu installieren, ein Geschäftsmodell entwickelt werden kann, damit beschäftigte sich auf dem Themenworkshop Jan Wollesen von E.on. Wollesen wies auf die künftig zu erwartenden starken Veränderungen des Mobilitätsverhaltens hin, und dass hier auch neue Konzepte für den stationären Handel gefragt sind. „Kunden kommen wegen gut durchdachter Serviceleistungen in den Laden“, stellte Wollesen fest, und dazu gehöre das Angebot von Auflademöglichkeiten für Elektroautos. Die Ladesäule könne in Zukunft der erste Berührungspunkt mit einer Marke sein. So sei es durchaus denkbar, diese als „digitale Billboards“ zu nutzen, die sich zudem mit Apps oder der Kundenkarte verbinden lassen.

Kostenlos oder kostenpflichtig? 

Sven Meder von Charge Point erläuterte am Beispiel eines amerikanischen Händlers, wie Ladestationen dem Händler einen Mehrwert bieten könnten. Er gab an, dass die durchschnittliche Ladezeit eine Stunde und 8 Minuten betrage, die Fahrzeuge aber durchschnittlich eine Stunde 25 Minuten an den Ladestationen stehen, der Fahrer also mehr Zeit im Markt verbringt. Der durchschnittliche Umsatz pro Minute Verweildauer liegt laut Meder bei einem US-Dollar. Aus Handelssicht wichtig ist natürlich die Frage, ob das Aufladen von Elektrofahrzeugen kostenlos oder kostenpflichtig angeboten werden soll. Die meisten Ladestationen im Handel sind zurzeit kostenfrei. Das Argument ist oft der hohe bürokratische Aufwand, den es für den Händler mit sich bringt, sich das Angebot bezahlen zu lassen. Meder empfahl, die Ladesäulen nur für einen begrenzten Zeitraum kostenlos anzubieten und danach auf ein kostenpflichtiges Modell umzusteigen.

Ziel muss es sein, die Lade-Infrastruktur in Zukunft intelligent in das Gebäude und in das Netz zu integrieren, meinten Manuel Roddelkopf vom Anbieter von Elektromobilitätslösungen Inno2grid und Konstantin Elstermann von Schneider Electric. Derzeit seien viele Ladesäulen nur zu 25 Prozent oder weniger ausgelastet. Gleichzeitig werden immer mehr E-Fahrzeuge in Europa zugelassen.

Eine erfolgreiche E-Mobilitätswende erfordere vom Einzelhandel „integrierte dezentrale Energiekonzepte“ sowie die Erhöhung der Kundenakzeptanz der Ladesäulen mittels attraktiver Ladetarife und Services. Entscheidend ist es nach Meinung der beiden Experten, ganzheitliche Konzepte zu erstellen und Energie und Mobilität mithilfe intelligenter IT-Systeme zu verknüpfen. Der Planungsprozess, zum Beispiel Abrechnungsmodelle, sei zunächst wichtiger als die technische Realisierung.

Von Minimallösung bis Geschäftsmodell 

Die Referenten des EHI-Themenworkshops E-Mobilität
Foto: EHI

Wie individuell E-Mobilitäts-Lösungen aussehen können, zeigte Gunnar Lantin, Projektentwickler bei Digital Energy Solutions anhand verschiedener Fallbeispiele – von der Minimallösung, die im Rahmen eines Neubaus oder einer umfangreichen Sanierung lediglich einen Ladeplatz vorsieht und „nur die Auflage erfüllen“ möchte über Geschäftsmodelle von E-Car-Sharing bis hin zum elektrischen Lieferverkehr im urbanen Raum. Lantin will den Handel motivieren, einen ersten Schritt zu wagen. Das werde sich langfristig wirtschaftlich auszahlen.

„Futuredrive“ nennt sich das Elektromobilitätskonzept der Wisag, die auch den Handel vom Konzept bis zum Betrieb der Anlage unterstützt. Die Entscheidung darüber, welche Ladesysteme, Ladesäulenund Ladetechnik sich für einen Händler eignet, erfolgt erst, wenn die Strategie des Händlers definiert und die Aufenthaltsdauer seiner Kunden am POS ermittelt wurden, erklärten Markus Flaßhoff und Oliver Mohn von Wisag. Für den Endnutzer sei es wichtig, dass die Ladepunkte einfach zu finden, verlässlich, jederzeit verfügbar und komfortabel zu bedienen seien. Das schließt auch eine bequeme Bezahlung ein und die Möglichkeit, sich per App oder Navigationssystem zum nächstgelegenen Ladepunkt führen zu lassen.

Wie sich E-Mobilität in die Gebäudetechnik sinnvoll integrieren lässt, zeigten schließlich Bernd Aichele und Julian Sitter von Digitronic Automationsanlagen anhand der ersten Erfahrungen aus dem kürzlich erweiterten eigenen Firmengebäude.

Information und Diskussion: EHI-Initiative E-Mobilität

Von der „Dekarbonisierung“ des Verkehrssektors und damit dem Trend zu mehr Elektromobilität ist natürlich auch der Handel betroffen – nicht nur hinsichtlich Fuhrpark und Logistik, sondern auch beim Gebäudemanagement, denn der Gesetzgeber spricht nicht nur Dieselfahrverbote aus, sondern verlangt ab Anfang 2020 E-Ladesäulen auf den Parkplätzen aller neuen oder großflächig renovierten Nichtwohngebäude.

Um für mehr Transparenz im Markt zu sorgen, hat das EHI zusammen mit den Partnern Chargepoint, Digital Energy Solutions, Digitronic, Inno2grid, Schneider Electric, Viessmann und Wisag die EHI-Initiative E-Mobilität im Handel gegründet. Ziel ist es, Händlern Investitionsentscheidungen zu erleichtern, indem wichtige Daten, Fakten und Erkenntnisse zum Markt der E-Mobilität erhoben und in die Branche kommuniziert werden. Außerdem soll die EHI-Initiative den Partnern eine Plattform für Austausch und Dialog bieten, um gemeinsam Stärken oder Schwächen einzelner Lösungen zu diskutieren.

Weitere Infos über Laura Fleischmann, fleischmann@ehi.org