Die Auswirkungen dieses Gesetzes auf Handel, Gastronomie und Dienstleistung sind zum Teil gravierend. Die GoBD in Kombination mit dem Schreiben „BMF 2010“ greifen umfangreich in die organisatorischen Prozesse der Unternehmen ein. Der Staat hat ein hohes Interesse an der wirksamen Umsetzung, um Steuerschlupflöcher zu schließen. Wirtschaftsprüfer gehen von empfindlichen Strafen bei Verstößen gegen die Bestimmungen aus.
Der Gesetzgeber stellt klar, dass durch Registrierkassen erstellte Kassenbelege automatisch der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht unterliegen. Das betrifft vor allem Regelungen zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften und damit besonders Unternehmen des Einzelhandels. Außerdem spezifiziert das Gesetz die bereits vorher festgelegte Anforderung an die Unveränderbarkeit der Daten. Sie sind während der 10-jährigen Aufbewahrungsfrist vollständig, jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufzubewahren: „Die Reduzierung einer bereits bestehenden maschinellen Auswertbarkeit, beispielsweise durch Umwandlung des Dateiformats oder der Auswahl bestimmter Aufbewahrungsformen, ist nicht zulässig.“
Um die vom Gesetzgeber geforderte technische Unveränderbarkeit zu gewährleisten, ist ein Archivsystem nötig. Ein lokaler Kassenspeicher reicht dafür nicht aus, weil er kein Langzeitarchiv ist. Darüber hinaus muss auch das Archiv, in dem die Daten aufbewahrt werden, die gleichen Auswertungsmöglichkeiten wie das laufende Kassensystems vorhalten – ebenfalls über den gesamten Aufbewahrungszeitraum. Es geht dabei nicht nur um die Auffindbarkeit. Es müssen auch alle vorhandenen Kassendaten auswertbar sein. Das hat weitreichende Konsequenzen für Handelsunternehmen.
Die Datenlogistik vom POS-System bis ins Archiv werde häufig unterschätzt, sagen Wirtschaftsprüfer. Herausforderung Nummer eins dabei sei es, die Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit bei der Verarbeitung vieler Millionen Datensätze sicherzustellen. Diese Erfahrung musste auch ein Tankstellenpächter machen. Er hatte seine Kassentransaktionen archiviert – außer denen, die keine steuerliche Relevanz haben wie zum Beispiel Schulungsbons. Die verworfenen Transaktionen legte der Betriebsprüfer als nicht nachvollziehbare „Lücke“ in der Archivierung aus, was dem Unternehmer einen Strafbescheid in erheblicher fünfstelliger Höhe erbrachte.
Die Kassendaten-Verordnung ist nicht neu, sie gilt bereits seit November 2010. Eine Schonfrist ergab sich aus der Regelung, dass Kassensysteme, die den Anforderungen nicht genügen, längstens bis zum 31. Dezember 2016 eingesetzt werden dürfen. Das ist in wenigen Wochen. Nicht zuletzt durch die GoBD von 2014, mit der der Gesetzgeber seine Anforderungen weiter konkretisiert, wurde die gesamte Tragweite deutlich: maschinelle Auswertbarkeit, Verfahrensdokumentation, internes Kontrollsystem und elektronische Archivierung sowie Datenzugriff der Finanzbehörden.
Verfahrensdokumentation
Damit wird nun auch eine Verfahrensdokumentation zur Pflicht: „Die Verfahrensdokumentation beschreibt den organisatorisch und technisch gewollten Prozess, zum Beispiel bei elektronischen Dokumenten von der Entstehung der Informationen über die Indizierung, Verarbeitung und Speicherung, dem eindeutigen Wiederfinden und der maschinellen Auswertbarkeit der Absicherung gegen Verlust und Verfälschung und der Reproduktion.“ Die Formulierung gibt einen „kleinen Vorgeschmack“ auf den organisatorischen Aufwand, der für eine ordnungsgemäße Erfüllung des Gesetzes zu erwarten ist.
Auch der Begriff der „Unveränderbarkeit“ wird angesprochen. Im Hardwarebereich müssen unveränderbare Datenträger verwendet werden. In die Software müssen Sicherungen, Sperren, Festschreibungen und automatische Protokollierungen integriert sein, die durch Zugriffsbeschränkungen seitens der Betriebsorganisation flankiert werden. Allein die Ablage der Daten in einem Dateisystem erfüllt diese Anforderungen nicht. Deshalb genügt auch die Ablage der Daten im Kassensystem selbst nicht. Sollte das Kassensystem im Aufbewahrungszeitraum abgelöst werden, müssen die Originaldaten unter transaktionaler Absicherung in einem dokumentierten Verfahren in ein Archivsystem migriert werden – einfaches Umkopieren ist nicht erlaubt.
Große Unternehmen nutzen für die Archivierung ihrer Daten in der Regel Enterprise-Content-Management-Systeme (ECM-Systeme). Die Archivierung von Daten zu Bargeschäften auf Positionsebene war davon bisher meist ausgenommen. Aus gutem Grund: Das jährliche Datenvolumen bei der Dokumentation aller Informationen von Kassentransaktionen auf Positionsebene ist enorm groß und kann bei national tätigen Handelskonzernen schnell zu Milliarden von Datensätzen anwachsen. Mit den vorhandenen ECM-Systemen ist das nicht darstellbar, zum einen, weil das benötigte Speichervolumen zu teuer ist, und zum anderen, weil aufgrund des klassischen ECM-Datenmodells diese Systeme technisch gar nicht in der Lage sind, die potenziell geforderten Auswertungen bereitzustellen.
Viele Unternehmen des Einzelhandels wähnen sich auf der sicheren Seite, weil sie Kassendaten in ihren vorhandenen ECM-Systemen ablegen. Allerdings können die Einzelbelege lediglich über bestimmte Kopfdaten aufgefunden werden. Das reicht aber nicht. Darauf wurde die zentrale IT eines renommierten Handelsunternehmens durch ihren Wirtschaftsprüfer hingewiesen. Denn der Gesetzgeber fordert im Prinzip, alle auf dem Kassenbeleg aufgedruckten Daten (per line item) vollständig auswertbar im Archiv zu halten. Das damit verbundene Datenvolumen überfordert klassische ECM-Syseme, denn Kopfdaten stellen von allen Belegdaten einen Bruchteil dar.
Aus diesem Grund wurden inzwischen Archivlösungen auf der Basis von Big-Data-Technologien entwickelt, die auch mit etablierten ECM- und EIM-Systemen kompatibel sind und den neuesten gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Auf diese Weise werden nicht nur Archivierungsprobleme gelöst. Handelsunternehmen bekommen über diese Form der Kassenbelegarchivierung auch Optionen für die Unternehmenssteuerung, da die Rohdaten aller Kassenbons für weitere Analysen verfügbar sind.
Michael Brünker ist General Manager, Falk Borgmann Senior Project Manager bei der Nextevolution AG.
Fotos (1): Tegut
Weitere Informationen: www.nextevolution.de/whitepaper-kd
Datenvolumen: Exemplarische Kalkulation
- 5 Milliarden € Umsatz pro Jahr
- Ø 20 € Umsatz pro Transaktion
- Ø 6 Line-items pro Transaktion
- Ø 50 kB pro Transaktion
- = 250.000.000 Transaktionen pro Jahr
- = ca. 9,6 TB Datenvolumen pro Jahr
- = 1.500.000.000 Datensätze pro Jahr
- = 15.000.000.000 Datensätze über die gesetzliche Aufbewahrungsfrist
Kassenarchivierung: Typische Lücken und Irrtümer
- Die Archivierung von Kassendaten aus bestehenden ERP-Systemen und WWS sei ausreichend.
- Eine Suche über Kopfdaten von Originalbelegen sei ausreichend für die Datentiefe.
- Das Vorhandensein einer GoBD-konformen Kasse und eines GoBD-konformen Archivs bedeute automatisch, dass auch ein GoBD-konformer Gesamtprozess inklusive entsprechender Datenlogistik vorliegt.
- Eine Datenüberlassung aus dem Archiv (Z3) sei optional.
- Eine spezifische Verfahrensdokumentation sei unnötig, da ausreichend Unterlagen vorliegen. Bei Bedarf könne sie jedoch ohne großen Aufwand erstellt werden.