Covid-19 hat das Bezahlverhalten an den Kassen des Einzelhandels verändert. Bargeldlose Verfahren haben während der Pandemie einen regelrechten Schub erfahren. Besonders nachgefragt ist hier das kontaktlose Bezahlen mit der Girocard: 42,4 Prozent des Einzelhandelsumsatzes entfielen 2021 laut EHI-Erhebung auf das Girocard- Verfahren, wobei bereits drei Viertel aller Girocard-Transaktionen ohne physischen Kontakt zum EFT-Terminal durchgeführt wurden. Bis zu einem Umsatzlimit von 50 Euro lassen sich Girocard-Bezahlungen am Checkout kontaktlos über Tab & Go abwickeln, bei höheren Beträgen ist eine PIN-Eingabe zur Authentifizierung erforderlich.

Anteil SEPA-Lastschrift

Anteil SEPA-Lastschrift
Foto: EHI

Bietet der Händler das SEPA-Lastschriftverfahren als bargeldlose Bezahlart an, muss der Kunde oder die Kundin eine Unterschrift zur Authentifizierung leisten, unabhängig von der Höhe des Zahlbetrags. Trotz des im Vergleich zur smarten Girocard- Zahlung eher umständlichen und vergleichsweise zeitaufwendigen Zahlverfahrens behauptet sich die SEPA-Lastschrift im Mix der Bezahlverfahren, wenngleich deren Umsatzanteil am Gesamtumsatz mit zuletzt 6,0 Prozent in den letzten Jahren leicht rückläufig war.

Das tut der Beliebtheit der Lastschrift aber keinen Abbruch: Heute nutzen rund zwei Drittel aller großen Handelsunternehmen dieses bereits Mitte der 1980er Jahre entwickelte, bankenunabhängige Verfahren in Kombination mit dem PIN-basierten Girocard-Verfahren. Handelsunternehmen, die das SEPA-Lastschriftverfahren in ihrem Portfolio anbieten, schätzen die Kostenvorteile im Vergleich zu anderen Zahlarten, auch wenn diese nach der EU-Interchange- Deckelung nicht mehr so stark ins Gewicht fallen.

Mehrfachmandat: Rechtliche Einordnung

Dr. Matthias Terlau , Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten, Köln

Aus rechtlicher Sicht ist der besondere Vorteil des Mehrfachmandats, dass der Kunde nur eine Unterschrift für zahlreiche Zahlungen leisten muss. Beim SEPA-Lastschriftverfahren ist dieses Mandat sowohl gegenüber dem Zahlungsdienstleister des Kunden als auch gegenüber dem Händler zu erteilen. Das macht es schwierig, ein Mehrfachmandat auf andere Händler zu übertragen. Zahlungsdienstleister garantieren dem Händler häufig auch beim Mehrfachmandat die Einlösung bei Zahlungsausfall des Kunden und für den Fall des Widerrufs.

Hier sollte sich der Händler die AGBs anschauen. Denn auch beim Mehrfachmandat hat der Kunde die Acht-Wochen-Frist für den Widerruf. Beim Lastschriftverfahren muss – anders als bei Girocardund Kreditkartenzahlungen – selbst bei Beträgen über 50 Euro keine Zwei-Faktor-Authentifizierung verlangt werden. Nach der ersten Unterschrift kann der Kunde also jede weitere Lastschrift- Zahlung kontaktlos und ohne Unterschrift autorisieren. Das bedeutet auch eine erhöhte Missbrauchsgefahr. Dem Kunden ist aber häufig der Unterschied zwischen kontaktlosen Girocard- Zahlungen und Lastschrift nicht klar. Er sollte deshalb gefragt werden, ob er per Lastschrift oder per Girocard bezahlen will. Die Zahlungsdienstleister behalten sich vor, eine erneute Authentifizierung zu verlangen, wenn ungewöhnliche Aktivitäten festgestellt werden. Die Kriterien hierfür stimmt der Zahlungsdienstleister in der Regel mit dem Händler ab.

Revolution an der Kasse

Die rasche Marktdurchdringung des kontaktlosen Bezahlens hat die Zahlungsdienstleister auf den Plan gerufen, Produkte anzubieten, die eine erweiterte Nutzung des SEPA-Lastschriftverfahrens für Tap & Go-Zahlungen ermöglichen. Payone, marktführender Zahlungsdienstleister in Deutschland, hat gerade den Rollout seines Produkts „Payone RevOLV“ gestartet. Ein signifikantes Merkmal ist die Anhebung der Obergrenze, bis zu der rein kontaktlose Verfahren im Tap & Go-Verfahren ohne Authentifizierung abgewickelt werden können. Für die SEPA-Lastschrift gilt die gesetzlich zulässige Höchstgrenze von 50 Euro nicht, sodass die Betragsgrenze, bis zu der die Zahlung im Tap & Go erfolgen kann, vom Händler individuell bestimmt werden kann.

Wenn diese Grenze auf 70, 80 oder 90 Euro erhöht wird, dann lässt sich die Anzahl an kontaktlosen Transaktionen deutlich erhöhen und die Geschwindigkeit des Kassiervorgangs steigern, argumentiert Payone. Die eigentliche „Revolution“, wie sie der Produktname verspricht, betrifft das Mehrfachmandat: Der Kunde oder die Kundin leistet nur noch einmal eine Unterschrift an der Kasse und kann fortan bei allen Handelsunternehmen, die ihre Lastschrifttransaktionen über Payone abwickeln und am sogenannten Zentralmandat teilnehmen, Tap & Go bis zu einem bestimmten Höchstbetrag nutzen.

Das Mehrfachmandat ist die Zukunft für das Bezahlen am POS.

Christian Jung

Director Product Management, Concardis

Payone stellt den Händlern Kosteneinsparungen in der Größenordnung von 20 bis 30 Prozent bei Nutzung des neuen Bezahlverfahrens in Aussicht. Diese resultieren zum einen aus den nach wie vor günstigeren Gebühren beim Lastschriftverfahren, zum anderen aus den niedrigeren Prozesskosten als Folge der schnelleren Abwicklung des Checkoutvorgangs durch den Wegfall des Unterschriftsvorgangs. Auch der Paymentdienstleister Concardisermöglicht neuerdings das elektronische Lastschriftverfahren mit Mehrfachmandat.

„Aktuell nutzen branchenübergreifend sowohl große als auch kleine Händler die Funktionserweiterung ‚Mehrfachmandat‘ zu unserem Produkt CLV+“, heißt es bei Concardis. Zusätzliche Hardware und ein weiterer Akzeptanzvertrag seien nicht nötig. Der Netzbetreiber setzt das neue Verfahren zurzeit noch ausschließlich auf Händler- Kunden-Ebene ein, also nicht netzbetriebsübergreifend für alle angeschlossenen Händler, nachdem das Mandat einmal erteilt wurde.

Am Checkout informieren

Kann der Kunde das Mehrfachmandat ablehnen? Ulrich Binnebößel, Experte beim HDE – Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, hierzu: „Mit Hilfe der sogenannten Anwendungsauswahl behalten die Zahler jederzeit die Möglichkeit, dem Händler kein ELV-Mandat zu erteilen und können auf andere Zahlarten beziehungsweise die Girocard- Funktion ausweichen.“ Payone empfiehlt den Händlern, die sich im Netzbetrieb des Dienstleisters befinden und „RevOLV“ anbieten, den Kunden mittels eines Aufklebers im Kassenbereich darüber zu informieren, dass er ein Mehrfachmandat unterschreiben wird, welches auch bei anderen im Payone-Netzbetrieb angeschlossenen Händlern zum Einsatz kommen kann.

Das Zentralmandat wird für einen festgelegten Zeitraum erteilt (z. B. 220 Tage) und kann jederzeit widerrufen werden. Die Gültigkeit eines Mandats sollte sich u. a. auch nach dem branchenüblichen Einkaufszyklus (z. B. im LEH einmal pro Woche) ausrichten, empfiehlt Concardis. Wird dieser Zyklus in unüblicher Weise überschritten, so erlischt das Mandat und muss ggfs. neu erteilt werden. Zusätzlich erlischt das Mandat bei Rücklastschriften sowie bei Kartenmissbrauch.

Haftung und Risiko

Das SEPA-Lastschriftverfahren, ob einfach oder mehrfach erteilt, bietet den Händlern heute die gleiche Sicherheit wie bei Zahlungen mit der Girocard, versichern die Zahlungsdienstleister. Der Händler kann sich vom Risiko von Zahlungsausfällen befreien, wenn er auftretende Rücklastschriften an den Paymentdienstleister abtritt. Die Gebühr, die der Händler für diese „Versicherung“ bezahlt, wird individuell verhandelt und hängt ab von Branche, Produktportfolio und durchschnittlicher Bonhöhe.

Auch der Kunde müsste sich keine Sorgen machen, sollte die Karte gestohlen und für den Einkauf in einem der legitimierten Märkte eingesetzt werden, da er Widerspruch bei seiner Bank einlegen kann. Letztlich trägt das Restrisiko bei diesem Verfahren also der Zahlungsdienstleister. Die Resonanz auf die Vorstellung von „RevOLV“ ist durchweg positiv, gibt Payone an. Die Händler würden neben den direkten Kostenvorteilen gegenüber anderen Zahlungsarten insbesondere die prozentualen Vorteile wie die höhere Kontaktlosquote und den damit verbundenen Zeitvorteil schätzen.

Christian Jung, Director Product Management bei Concardis, ist vom Erfolg des Zahlverfahrens überzeugt: „Durch das Mehrfachmandat für das elektronische Bezahlen sehen wir hier eine klare Trendumkehr. Das ist die Zukunft für das Bezahlen am POS.“

Konform mit geltenden SEPA-Vorgaben

Führende Zahlungsdienstleister starten derzeit mit dem Angebot eines Mehrfachmandats beim SEPA-Lastschriftverfahren durch. Welchen Nutzen der Einzelhandel von diesem Zahlverfahren hat und wie es um die Sicherheit bestellt ist, erläutert Ulrich Binnebößel, Zahlungsexperte beim HDE und Sprecher des ELV-Forums.

Was bringt das SEPA-Verfahren mit Mehrfachmandat dem Einzelhandel?

Aus Handelssicht ergeben sich deutliche Handlings- und damit Effizienzvorteile. In Summe kann eine deutlich schnellere Kassenabwicklungszeit erreicht werden, da Händler und Kunden, die bereits einmalig ein Mandat gezeichnet haben, beim Wiederkauf darauf verzichten können. Insgesamt kann damit das abgesicherte Lastschriftverfahren im Mischbetrieb seine Stärken auch im kontaktlosen Umfeld ausspielen. Beim SEPA-Lastschriftverfahren erteilt der Kunde oder die Kundin einem Händler per Unterschrift die einmalige Einwilligung des Zahlungstransfers.

Darf der Zahlungsdienstleister ein Mandat ohne Einwilligung des Zahlers auf andere Handelsunternehmen erweitern?

Das ELV-Mandat wird zweiseitig gegenüber dem Zahlungsempfänger und zugleich auch gegenüber seinem ELV-Dienstleister erteilt. Im Ergebnis wird das Mandat nicht auf weitere Unternehmen erweitert. Vielmehr fragen die teilnehmenden Unternehmen innerhalb eines Netzverbunds ihrerseits an, ob bereits ein unterzeichnetes ELV-Mandat für die gerade präsentierte Karte vorliegt. Dazu bedarf es explizit keiner Bereitstellung von Kunden- oder Kartendaten an die im Netzverbund teilnehmenden Unternehmen. Die im ELV notwendigen Kartendaten werden so wie bisher vom Unternehmen je Transaktion über das Terminal ausgelesen und per ELV-Anfrage an den ELV-Netzbetreiber übermittelt. Liegt ein Mandat vor, sodass Tap & Go zur Anwendung kommen kann, werden lediglich die Mandats-Referenzdaten zum Andruck auf dem Beleg zurückgegeben.

Wie sicher ist dieses Bezahlverfahren für den Handel?

Im ELV-Verfahren können Händler seit jeher Zahlungsausfälle an den Dienstleister abtreten, der dazu im Rahmen eines Mischverfahrens fallbezogen entscheidet, ob eine Abwicklung über ELV oder Girocard erfolgt. Mit der nun erfolgten Einführung der SEPA-ELV-Mandatsverwaltung entspricht ELV weiterhin den geltenden SEPA- Vorgaben und der Natur des SEPA-Mandats, sodass sich aus dieser Umstellung die Grundlagen für Unternehmen im Hinblick auf das ELV-Zahlungsversprechen des Dienstleisters nicht nennenswert verändern.

Gibt es Empfehlungen für die Festsetzung des Betragslimits, über das hinaus eine PIN-Abfrage oder Unterschrift erfolgt?

Das ELV-Verfahren basiert auf der SEPA-Lastschrift. Für diese gilt die gesetzlich zulässige Höchstgrenze von 50 Euro nicht, sodass die Betragsgrenze, bis zu der die Zahlung im Tap & Go erfolgen kann, vom Händler individuell bestimmt werden kann, soweit dies sein ELV-Dienstleister unterstützt. Der über die ELV-Lastschrift erzielte Anteil am Gesamtumsatz des Einzelhandels war über die letzten Jahre rückläufig und liegt nach EHI-Erhebungen aktuell bei sechs Prozent.

Erwarten Sie im Zuge des Mehrfachmandats nun eine Renaissance?

Mit Einführung eines abgesicherten Tap & Go-Mechanismus auch für ELV-Transaktionen kann ELV auch die Anforderungen nach einem bequemen und schnellen Zahlverfahren abdecken, sowohl auf Basis der klassischen Karte als auch der digitalen Karte im Smartphone. Insofern bietet ELV auch weiterhin eine Alternative zur Girocard-Abwicklung.