Stationäre Händler investierten im Jahr 2012 rund 6,8 Mrd. Euro in Ladenbau und Ladeneinrichtung – 700 Mio. mehr als im Jahr 2009. Der Anteil der Einrichtungskosten am gesamten Investitionsbudget stieg in diesem Zeitraum von 23 Prozent auf knapp 26 Prozent, so eine Untersuchung des EHI.

Die Händler stecken also mehr Geld in ihre Läden. Dass sie von der Zukunftsfähigkeit des stationären Geschäfts überzeugt sind, zeigt auch eine Studie des Marktforschers Pierre Audoin Consultants über den „Omnichannel-Commerce in Deutschland“. 98 Prozent der befragten Verantwortlichen aus dem Handel sagen, dass die stationäre Filiale ihr auf Dauer wichtigster Verkaufskanal bleibt.

Neue Anforderungen am POS

Klar ist den Händlern aber auch, dass sie ihre Läden konzeptionell neu aufstellen müssen. Der Veränderungsbedarf betrifft drei Bereiche: Der Store ist nicht mehr nur Point of Sale, sondern wird zum Point of Emotion. Es geht zweitens nicht nur um Product-Selling, sondern verstärkt um Solution-Selling. Und es geht schließlich um die mediale und operative Einbindung des Online-Kanals in das stationäre Geschäft.

1. Point of Emotion. „Retail muss Geschichten erzählen, muss Erlebnis schaffen, kurz: Retail muss sexy sein“, sagt Karl Schwitzke, Ladenplaner mit Sitz in Düsseldorf. Laut Schwitzke werden sich die Händler künftig noch stärker darum bemühen müssen, dem Kunden Inspirationen und Erlebnisse zu vermitteln – und zwar nicht irgendwelche, sondern ausgerichtet auf die individuelle Positionierung des Geschäfts. „Der Store entwickelt sich immer mehr zum Kommunikationspunkt für Marken und Händler“, so Schwitzke. Also: Wie lautet die zentrale Botschaft des Händlers, wie positioniert er sich als Retail Brand? „Bevor über Raum- und Einrichtungsplanung, über die Einbindung von Online-Medien überhaupt nur nachgedacht wird, muss diese Frage überzeugend beantwortet sein“, so der Ladenplaner.

2. Point of Solution. Im Online-Zeitalter braucht der Kunde für seine Versorgung mit Alltagsprodukten im Prinzip keinen stationären Laden. Dort sucht er somit verstärkt nach Lösungen, nicht nach Einzelprodukten. Beraten und vergleichen, vorführen und testen, betreuen auch nach dem Kauf – „Mit solchen Leistungen schafft der stationäre Händler nicht nur eine tiefere Wertschöpfung, sondern auch ein Vertrauensverhältnis, das ihm die Treue des Kunden sichert“, meint Dr. Johannes Berentzen, Senior Manager bei der Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner. Solche Solution-Selling-Ansätze lassen sich auf viele Branchen und Produkt-Service-Kombinationen übertragen – ob es um den Aufbau eines Gartenhäuschens, das perfekte Dinner im eigenen Haus oder um eine optimale Einrichtung im italienischen Design geht.

3. Point of Communication. Die Kommunikation wird anspruchsvoller. Im Gespräch mit ihren online vorinformierten Kunden brauchen die Mitarbeiter künftig eine hohe fachliche, insbesondere aber soziale, verkaufspsychologische, kommunikative Kompetenz. Und sie müssen die Online-Welt in das stationäre Geschäft bringen, indem sie die digitalen Instore-Medien in den Kundenservice einbinden.

„Der Store entwickelt sich immer mehr zum Kommunikationspunkt für die Retail Brand.”

Karl Schwitzke

Geschäftsführender Gesellschafter Schwitzke Gruppe, Düsseldorf

Auf der Referenzliste von Ladenplaner Karl Schwitzke steht unter anderem der polnische Fashion-Händler answear.de als Beispiel für ein gelungenes Multichannel-Konzept. Das Unternehmen wurde im Jahr 2010 als Onliner gegründet und eröffnet inzwischen auch stationäre Geschäfte. Answear führt ein breites Sortiment – neben Mode auch Bücher, Alben, Kosmetik, Gadgets, Uhren, Schmuck und sogar Fahrräder. Das Wenigste davon ist in dem „Showroom“ Laden zu sehen, auf der Fläche sind lediglich ausgewählte Teil-Sortimente gekonnt inszeniert. Der Rest ist digital. Kioskterminals bieten den Zugriff auf das Gesamtsortiment, Tablets an der Ware vermitteln spezielle Infos und geben Kombinations- und Styling-Tipps.

„An jedem realen und digitalen Touchpoint werden Anlässe geschaffen, Entdeckungen ermöglicht, Inspirationen geweckt“, sagt Schwitzke. Eine eigene Handschrift, eine einheitliche Gestaltungssprache und damit eine stringente Positionierung als Marke – dies sind für Schwitzke die zentralen Anforderungen an den Ladenplaner, auch bei der Umsetzung von Multichannel-Stores.

Adidas arbeitet in seinen Flagshipstores mit „Virtual Walls“, an denen der Kunde seinen Schuh aus „virtuellen Regalen“ aussuchen, drehen und zoomen kann. (Foto: Adidas)

Adidas arbeitet in seinen Flagshipstores mit „Virtual Walls“, an denen der Kunde seinen Schuh aus „virtuellen Regalen“ aussuchen, drehen und zoomen kann. (Foto: Adidas)

Wie die digitalen Medien auf der Verkaufsfläche eingebunden werden, lässt sich inzwischen bei verschiedenen Händlern besichtigen (siehe auch Seite 52). In einigen Adidas-Shops etwa steht eine interaktive Shopping-Wall ebenso wie beim japanischen Händler Uniqlo. Manor in der Schweiz experimentiert mit einem digitalen Spiegel zur virtuellen Kleider-Anprobe. Terminals und Tablets zur Bestellung, Beratung, Information und Animation gehören für immer mehr Händler zum Standard. Bei C&A in Düsseldorf zum Beispiel ist sogar ein spezieller Click & Collect-Raum mit mehreren Terminal-Plätzen eingerichtet. 

Black Box im Food-Handel

Click & Collect ist eine Multichannel-Anwendung, mit der auch Händler aus dem Bereich der Fast Moving Consumer Goods (FMCG) experimentieren. In Frankreich haben Lebensmittelketten wie Intermarché und Système U jeweils schon über 500 Abholstationen für online bestellte Ware eingerichtet. Ob extern wie bei Globus im Saarland oder in den Markt integriert wie bei einigen Rewe-Händlern – in Deutschland sind solche Abholstationen noch nicht über die Testphase hinausgekommen.

Ob Click & Collect-Stationen, Kundenterminals, Displays an den Regalen, freies Wlan oder andere Anwendungen – für Ladenbauer stellen Multichannel-Konzepte in den FCMG-Branchen „keine besonderen Herausforderungen dar“, so Martin Gaber, Geschäftsführer der Jos de Vries Retail Company (siehe Interview). Als Gegenstrategie zum Online-Kanal beschäftigen sich die Ladenplaner eher mit Erlebniskonzepten. „Die Lebensmittel-Märkte von morgen und übermorgen sind Orte der Begegnung, für Essen und Genuss, für Einkaufserlebnisse und für unbeschwertes Bummeln“, entwirft Ingo Meckbach, Projektleiter bei Linde Ladenbau, das Szenario.

Fotos: Runners Point (1), Adidas (1), Karl Schwitzke (1)

Lösungsorientiertes Shopping

Martin Gaber, Geschäftsführer der Jos de Vries Retail Company, über Multichannel-Anwendungen im Food-Handel.

Wird Multichannel-Retailing auch im Food-Handel eine Rolle spielen?

Multichannel ist nicht Zukunft, es ist Realität. Wir sprechen von einer Verschiebung des Foodhandels in Richtung Convenience. Der Händler muss sich zum Beispiel überlegen, was er gegen den Pizzaservice oder den Sushi-Lieferanten bieten kann. Also wird in der Zukunft viel mehr Wert auf das lösungsorientierte
Shopping gelegt. Der Kunde, der auch Hobbykoch ist, wird weiterhin in den Store gehen und sich die frische Ware vor Ort anschauen. Aber viele Kunden könnten durch den Multichannel-Service entlastet werden. Daher wird dieses System in Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen.

Welche Regeln gelten für die Integration von Multichannel-Anwendungen?

Dies hängt sehr stark von dem Entwicklungsstadium des Händlers ab. Wie weit ist er? Was möchte er anbieten? Aus Sicht der Ladenplanung sehe ich keine besonderen Herausforderungen. Natürlich gilt es, Multichannel-Anwendungen intelligent und logisch zu integrieren. Multimedia-Terminals zum Beispiel sollten logischerweise nicht in einer hoch frequentierten Zone platziert werden.

Wie wird ein Click & Collect-Service integriert?

Wir sehen zum Beispiel bei Tesco in England, dass die Click & Collect-Logistik meist aus dem Laden heraus, über Store-Picking organisiert ist. Also wird kein zusätzliches Lager benötigt, damit halten sich auch die Auswirkungen auf die Ladenplanung in Grenzen. Gegebenenfalls muss man im Lager eine besondere Kühlzone für die Zwischenlagerung von Click & Collect-Ware bereitstellen.