Im September stieg der Anteil der deutschen Industriefirmen, die dem ifo-Institut über Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten berichten, auf das Rekordniveau von 74 Prozent. „Der Flaschenhals auf der Beschaffungsseite wird immer enger“, sagt der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Auch den Handel erreicht der Chipmangel. „Ja, die POS-Branche ist ebenfalls betroffen“, so Christoph von Lingen, Country Sales Leader für die Retail-Lösungen von Toshiba in Deutschland. Neben der Kostensteigerung auf Seiten der Zulieferer wiegen die massiv gestiegenen Logistikkosten fast noch höher. Von Lingen: „Luftfracht ist de facto unbezahlbar geworden, Schifffracht ebenfalls teilweise fünf Mal so teuer wie noch vor Jahresfrist.“ Um das Schlimmste abzufedern, setzt Toshiba auf eine konsequente Dual-Vendor-Strategie bei den Zulieferern sowie langfristige Verträge mit Logistikern.

Überall fehlten Materialien, auch für POS-Systeme und Drucker, bestätigt Jörk Schüßler, Marketing Director EMEA bei Citizen Systems Europe: „Wir können teilweise neue Produkte nicht launchen, damit wir bestehende Drucker in ausreichender Menge weiter produzieren und den Fluss am Laufen halten können.“ Preisanpassungen seien unumgänglich, weil fast alle Vorprodukte teurer geworden sind. Die um ein Mehrfaches gestiegenen Logistikkosten und der Rückstau an Ware ziehen laut Schüßler nach sich, „dass die Preise dauerhaft höher sein werden, damit wir als Hersteller planbar einkaufen können“.

Auf absehbare Zeit wird die Verfügbarkeit neben dem Preis ein neues, wichtiges Kriterium in allen Vertragsverhandlungen sein.

Christoph von Lingen

Toshiba

Projekt-Stau

Im Handel ist mit der Corona-Krise noch ein ganz eigener Engpass entstanden. Für viele Händler rückte plötzlich eine integrierte Omnichannel-Strategie in den Fokus. Hier sind aber keine POS-, sondern Labeldrucker notwendig. Deren Nachfrage ist laut Citizen „enorm gestiegen“, gleichzeitig dauert der Vorlauf der Produktion und Lieferung aus oben genannten Gründen länger. „Daher gibt es einen hohen, kaum zu stillenden Bedarf in den Projekten, der auch im nächsten Jahr noch anhalten wird“, berichtet Jörk Schüßler.

Jennifer Loose, Mitglied der Geschäftsleitung bei Lodata Micro Computer, bezeichnet die Situation bei den POS-Systemen des Handels als „dramatisch“. Für die Kunden von Lodata, einem Value-Added-Distributor für den POS, bedeute dies, dass Lieferengpässe, Teuerungszuschläge und dauerhafte Preisanpassungen in Zukunft „leider unumgänglich“ seien. Auch wenn kurzfristig noch keine Normalisierung der Lieferzeiten in Sicht ist, versucht Lodata, den Schaden für die Kunden zu begrenzen. Loose: „Wir beraten unsere Kunden ausführlich hinsichtlich der Anpassung der Forecasts, der Bestellmomente und auch der Mengen.“ Um hier keinen „Bullwhip-Effekt“ zu verursachen, überwache man täglich die Entwicklungen am Markt.