Mit dem neuen kassenlosen Format „avec box“ bietet der Schweizer Convenience-Spezialist Valora Mobile Commerce in jeder Hinsicht: Der Mini-Shop, entwickelt für eilige Kunden an hochfrequenten Standorten bietet rund um die Uhr Getränke und Snacks „to go“. Zutritt, Einkauf und Payment erfolgen mobil per Smartphone-App. Wer den QR-Code am Eingang scannt und in der App eine gültige und belastbare Kreditkarte hinterlegt hat, wird eingelassen. Und auch die rund 50 qm große Container-Box selbst ist mobil. Per LKW lässt sie sich jederzeit an einen anderen Standort versetzen und dort binnen weniger Stunden wieder in Betrieb nehmen. Seit April 2019 ist die erste „avec box“ in der Schweiz auf Tour: Vom Hauptbahnhof Zürich ist sie im September auf den Campus der ETH Zürich umgezogen. Bis Jahresende seien zwei weitere Standorte geplant, so CIO Roberto Fedele, der das kassenlose Format auf den EHI Technologie Tagen präsentierte.

Ganz ohne Menschen kommt die Container Box allerdings nicht aus: Speziell geschulte Store-Manager sind während der Stoßzeiten anwesend, um Ware aufzufüllen und die Kunden zu unterstützen: „Der Checkout-Prozess ist für uns sehr bedeutsam“, so Fedele, es müsse einfach, bequem und vor allem sehr schnell gehen.

Einen innovativen Mix aus persönlichem Service und vollautomatisiertem SB-Store stellte auch Marina Burmistrow aus dem Bereich Niederlassungsexpansion bei Würth in Künzelsau vor. Um seinen ausschließlich gewerblichen Kunden verlängerte Öffnungszeiten zu bieten, will der Spezialist für Befestigungs- und Montagetechnik seine Filialen schrittweise auf den Hybridbetrieb mit und ohne Personal umrüsten. In aktuell 11 von bundesweit 520 Märkten können Handwerker auf dem Weg zur Baustelle bereits außerhalb der Öffnungszeiten mit dem Smartphone als digitalem Ladenschlüssel einchecken, die benötigte Ware im Checkout-Bereich per Tunnelscanner erfassen und per Rechnung bezahlen. 2020 sollen weitere 16 Märkte umgestellt werden. Die Investitionskosten seien zwar hoch, aber wirtschaftlicher als zusätzliches Personal einzustellen, so Burmistrow auf den Technologie Tagen.

KI unterstützt Bestandsmanagement

Bei nahezu allen IT-Anwendungen, die auf den EHI Technologie Tagen vorgestellt wurden, spielt die Künstliche Intelligenz eine tragende Rolle. Die CBR Fashion Holding mit den Marken Street One und Cecil setzt KI-Applikationen ein, die den Händlern Vorschläge für ein optimales Bestandsmanagement und die dynamische Preisgestaltung liefern. Die Herausforderung: Monatlich neu erscheinende Kollektionen führen unter Umständen zu hohen Restbeständen. Mit der neuen Software „Retail Outlet Leading Fast Fashion by Innovation“ (ROLLFI) hat CBR Fashion ein neues Lagerverwaltungssystem eingeführt, das die Waren zentral steuern und zwischen den Filialen umlagern kann. Darüber hinaus werden Preisabschriften zentral gemanagt und so eine Übersicht der Lagerbestände und Abverkaufszahlen ermöglicht. Die Software nutzt sowohl historische Sales Reports (saisonale Effekte und Abverkaufskurven) als auch aktuelle Daten („Renner“- und „Penner“-Bestände), um via KI Verkaufsprognosen zu erstellen. Auf Basis dieser Vorhersagen erstellt die Software Vorschläge zur Preisreduktion und Verteilung der Restbestände. Noch fehlen genügend Daten, um genaue Prognosen treffen zu können. Mit einer Qualität von 20 Prozent sind die Vorhersagen jedoch schon präziser als das menschliche Bauchgefühl, so Michael Doms von CBR Fashion beim EHI-Kongress.

Innovationen für den Retail

Im „Innovationsblock“ präsentierten vier Start-ups ihre Unternehmensideen. Mit „BLVRD“ (Boulevard) hat Gründer und Geschäftsführer Ari Berzenjie eine händlerübergreifende, lokale Produktsuchmaschine entwickelt, die den POS stärken soll, indem sie vor allem digital-affine Konsumenten in die Stores führt. Nutzer der Plattform erfahren online, welcher Händler in ihrer Umgebung ein gewünschtes Modeprodukt führt und werden via BLVRD direkt dorthin navigiert. Im Frühjahr 2020 soll die Online-Plattform für 6 Monate in Hannover pilotiert werden.

Das Start-up Dialouge Tech erlaubt es Händlern mit Hilfe einer „Dialogue Engine“, Konsumenten im Online-Shop individuell anzusprechen. So können der Kunde und der Webshop ein natürliches Gespräch führen. Während der Konsument via Voice agiert, beantwortet die Engine alle Fragen via Textnachricht oder stellt personalisiert Gegenfragen.

„AI or die“ lautet das Motto von Panther Solutions, deren Cloud-basierte Price Engine automatische Preisempfehlungen für den Handel generiert. Auf Basis von Transaktionsdaten, Artikelstammdaten und Bestandsdaten aus dem ERP-System, den Zielparametern des Händlers sowie externen Daten wie dem Wetter und Standort werden mithilfe von KI Preiselastizitäten und Prognosen ermittelt und daraufhin die idealen Preisempfehlungen erstellt. Ziel ist es, so die Erträge zu steigern.

Das Berliner Start-up Storemoods stellt Händlern ein intelligente Audiolösung zur Verfügung – standortspezifisch und mit einheitlicher Lautstärke. Dabei werden Instore-Analysedaten wie die Besucherfrequenz des POS, demografische Kundenmerkmale, Lagerbestände und Kassendaten mit einer intelligenten Audiotechnologie verknüpft. Das Audio-Management der einzelnen Standorte erfolgt zentral über ein Kundenportal.

Self-Checkouts nehmen Fahrt auf

Neue Erkenntnisse zur Marktdurchdringung und Akzeptanz von Selbstbedienungskassen in Deutschland brachte das „Self-Checkout-Special“ am zweiten Veranstaltungstag. Nach einer aktuellen Erhebung des EHI waren stationäre SB-Kassen per Ende Juni 2019 in etwas mehr als 900 Märkten installiert. Zwei Jahre zuvor waren es noch 488 Märkte. Prozentual noch stärker, von allerdings niedrigem Niveau ausgehend, legte Mobile Scanning zu. Nach 41 Märkten in 2017 wird diese Checkout-Technik inzwischen von 96 Märkten angeboten. Diese Zahl könnte in den kommenden Monaten deutlich ansteigen, weil sich zwei große Handelsfilialisten derzeit intensiv mit der Einführung dieser Technik beschäftigen. Der Warenhaus-Betreiber Real testet Mobile Scanning seit Mai 2019 in einem Markt in Mönchengladbach. Und auch Ikea hat in seinem Möbelhaus in Frankfurt seit Juli 2019 einen Proof of Concept aufgelegt. Dort erreichte der Anteil der über „Scan & Go“ abgewickelten Käufe innerhalb von drei Monaten schon 4 Prozent. „Das Scannen beansprucht zwei Drittel der Abwicklungszeiten an traditionellen Kassen, und durch Mobile Scanning versprechen wir uns hier eine deutliche Entzerrung“, sagte Dirk Rummel, Country Payment Leader bei Ikea, auf dem EHI-Kongress.   

Die EHI Technologie Tage 2020 finden am 03./04. November 2020 in Köln statt.