Je nach Blickwinkel sei die IT auch stets ein Synonym für Kosten, leitete Moderator Olaf Schrage, Geschäftsführer der Douglas Informatik & Service GmbH die mit Spannung erwartete Podiumsdiskussion im Rahmen der EHI-Technologietage 2012 ein. Auch 2013 dürften diese Kosten weiter ansteigen, so die mehrheitliche Einschätzung der mehr als 500 Kongressteilnehmer: 56 Prozent der nach Köln angereisten Handels- und IT-Manager gehen für das kommende Jahr von steigenden IT-Ausgaben aus, ergab eine Publikumsumfrage im Vorfeld der CIO-Diskussionsrunde. Und das liegt nicht allein an den Projekten, die 2013 bei Unternehmen wie Markant, Metro, Globus oder Puma auf der Agenda stehen, sondern auch an steigenden Preisen.

Die zunehmende Konzentration auf Anbieterseite treibe für den Handel die IT-Kosten zum Teil in ungerechtfertigte Höhen, kritisierte Podiumsgast Markus Tkotz: Fast 500 Firmenübernahmen gingen weltweit in den letzten fünf Jahren alleine auf das Konto der fünf Branchenriesen (EMC, IBM, Microsoft, Oracle und SAP), rechnete der Geschäftsführer der Markant AG vor. Kleine Perlen, zum Teil von Kunden aus dem Handel selbst mit aufgebaut, verschwänden vom Markt. „Das ist keine gute Entwicklung“, so Tkotz. Denn mangels Alternativen könnten mächtige Anbieter ihren Anwendern umso leichter immer neue Releases oder steigende Wartungskosten aufzwingen. Markant versuche, sich dagegen zu wehren und schließt selbst kartellrechtliche Prüfungen nicht mehr aus, so Tkotz. Um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, bündelt die Handelskooperation zudem über einen internen IT-Beschaffungskreis wenn möglich IT-Projekte der Partner. Außerdem will das Unternehmen künftig verstärkt den IT-Einkäufern Argumente gegen unangemessene Preistreiberei an die Hand geben. Ähnlich wie beim Einkauf von Lebensmitteln lohne auch vor IT-Verhandlungen vorab ein Blick auf die Entwicklung der Lohnkosten und andere Rahmenbedingungen der IT-Branche, um Preiserhöhungen der Hard- und Softwarelieferanten gegebenenfalls kritisch zu hinterfragen, so Markus Tkotz.

Wir versuchen, uns in der IT so aufzustellen, dass wir immer wieder einen Anbieterwechsel durchführen könnten.

Dr. Werner Stein

Leiter IT Globus SB-Warenhaus Holding

Die Kritik des Markant-Geschäftsführers gut nachvollziehen konnte Werner Stein von der Globus SB-Warenhaus Holding: „Wir versuchen, uns in der IT so aufzustellen, dass wir immer wieder einen Anbieterwechsel durchführen könnten“, erläuterte der Globus-IT-Chef seine Sourcing-Strategie. Mit der Drohung, bestehende Verträge notfalls zu kündigen, ließen sich nach seiner Erfahrung auch bei den Big Five durchaus wettbewerbsfähige Preise aushandeln. Hoffnungen setzt Stein zudem auf den technologischen Wandel, der immer wieder ganz neue Spieler auf den Markt bringt. „Auf der Anbieterseite kann sich keiner sicher sein, dass er in fünf oder zehn Jahren noch die gleiche Marktposition wie heute hat“, so der Globus-Manager.

Bemerkenswert: Selbst ein international aufgestellter Branchenriese wie die Metro denke trotz seiner starken Verhandlungsposition über sinnvolle Kooperationen beim IT-Sourcing nach, so Silvester Macho, CIO der Metro Systems GmbH: „Wir müssen uns positionieren – das tun wir intern, aber ein bisschen extern würde auch gut tun“, sagte er auf dem Podium.  

Als Alternative zum Kauf von Hard- und Software besteht heute die Möglichkeit, Dienste in die Cloud zu geben, um die Investitionen zu begrenzen. Ob und wo dies sinnvoll sei, wollte Olaf Schrage gerne von seinen Podiumsgästen wissen. Schnell wurde deutlich, dass der Handel seine IT-Kernkompetenzen nicht aus der Hand geben will. Externe Dienstleister werden aber in Randbereichen genutzt.

In den letzten Jahren habe beispielsweise Puma standardisierte Prozesse wie First Level Support oder Hardware-Management ausgelagert, berichtete Markus Birkel, Leiter der Handels-IT bei dem international ausgerichteten Sportlifestyle-Unternehmen – aus seiner Sicht ein voller Erfolg: „Wir konzentrieren uns heute auf Prozesse und Applikationsbetreuung und sind jetzt viel näher am Geschäft dran.“ Die freigesetzten Ressourcen könnten bei Puma heute für zusätzliche Projekte genutzt werden.

Eine ähnliche Linie verfolgt Globus. Outsourcing kommt hier in Randprozessen in Betracht, um die IT-Abteilung zu entlasten und in ihrer Rolle als Business-Enabler zu stärken. Die IT müsse sich stärker auf die Fachabteilungen zubewegen und deren Sprache sprechen, lautet die Zielvorgabe von Werner Stein an seine Truppe: „Wer das Geschäft nicht versteht, der kann auch keine IT dafür entwickeln“, so der IT-Leiter der SB-Warenhaus-Gruppe. Gleichzeitig räumte er ein, „sehr hart“ an den Schnittstellen zu arbeiten. Um die interne Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg zu fördern, hat Globus unter anderem eine neue Kommunikations-Software eingeführt.

Wir müssen uns stärker gegen die drohende Anbieterkonzentration in der IT-Branche wehren.

Markus Tkotz

Geschäftsführer Markant AG

Auch bei der Metro zieht sich Positionierung der IT als Partner und Unterstützer des Business als roter Faden durch die Organisation. Das Unternehmen hat in den letzten drei Jahren eine 3-Säulen-Struktur etabliert: Die Einheit Business Process Engineering bildet heute die Schnittstelle zu den internen Kunden, nachgelagert folgen Anwendungsentwicklung und Anwendungsbetrieb. Als reine „Technie-Company“ sei die IT nicht länger überlebensfähig, sagte Macho. Metro nutzt als international ausgerichtetes Unternehmen mit Standorten in fast 30 Ländern verstärkt eigene Near-Shore-Einheiten. So wurde die IT-Abteilung in Rumänien in den letzten Jahren zum Near-Shore-Center ausgebaut.  

Die moderne Rolle der IT als Business-Enabler bedeutet allerdings nicht, dass sich die IT-Profis den ganzen Tag lang nur mit heißen Trendthemen beschäftigen – ganz im Gegenteil: Um im Geschäft fit für zukünftige Anforderungen zu bleiben, müssen die IT-Abteilungen vor allem für eine stabile Basis sorgen und unterstützende Aufgaben erledigen. So bildet beispielsweise die Implementierung globaler Standards bei Puma nach wie vor einen wichtigen Aufgabenschwerpunkt der Retail-IT. In der Region Europa habe man zum Beispiel ein Prozessmodell erarbeitet und mit einer passenden IT-Architektur unterlegt. Diese diene als Referenzmodell für andere Regionen, wo die Retail-Kompetenz noch nicht so stark ausgeprägt ist wie in den etablierten Märkten. Als Best-Practice-Ansatz helfe die Enterprise-Architektur dabei, weltweit Lücken oder mögliche Probleme aufzuspüren und dafür dann optimale IT-Lösungen zu entwickeln.

Das Thema Stammdaten tut vorne und hinten weh.

Silvester Macho

CIO und Geschäftsführer Metro Systems GmbH

Bei der Metro steht 2013 dagegen der Dauerbrenner Stammdaten- Management auf der Agenda – „auch wenn das für einige nicht so sexy ist“, so Silvester Macho. Das Master-Data-Management beschäftige Handelsunternehmen durchgängig in allen Prozessen: „Das tut vorne und hinten weh“, formulierte es der Metro-CIO ganz plastisch. Gerade bei Zukunftsthemen wie RFID, Mobile Commerce oder Multi-Channel-Strategien sei die Qualität der Stammdaten entscheidend. Neu in 2013: Anders als bei zurückliegenden Projekten gehe es diesmal nicht allein um fallbezogene Korrektur- und Säuberungsmaßnahmen der Daten. Erstmals sollen auch organisatorische Fragen nachhaltig geklärt werden, also: Wem gehören die Daten und wer trägt die Verantwortung dafür?

Auch bei Markant wird man sich 2013 mit Stammdaten befassen. Markus Tkotz nannte politische Vorgaben wie die neue Lebensmittel- oder Kosmetikverordnung als Treiber für das Thema. Die neuen Vorschriften zwingen den Handel dazu, eine Vielzahl zusätzlicher Attribute zu pflegen – teilweise mit erheblichen Unterschieden von Land zu Land. Und auch bei der Globus SB-Warenhausgruppe, die derzeit ein neues Warenwirtschaftssystem einführt, sieht man sich gezwungen, sich mit der Qualität der Stammdaten auseinanderzusetzen: „Wenn man am Anfang – also bei den Stammdaten – Qualitätsprobleme hat, wird es auch hinten sehr schwierig“, so Walter Stein.

Selbst ein Markenartikelhersteller wie Puma steht vor der Herausforderung, IT-Fachkräfte für seine deutsche Firmenzentrale in Herzogenaurach zu gewinnen.

Markus Birkel

Leiter IT Bereich Retail Puma SE

Trendthemen wie Bezahllösungen mit NFC oder Smartphone-Applikationen beobachten die Unternehmen aufmerksam – nicht zuletzt, weil sich über spannende neue Projekte auch gute Leute für die IT-Abteilungen gewinnen lassen. „Selbst ein Markenartikelhersteller wie Puma steht vor der Herausforderung, IT-Fachkräfte für seine deutsche Firmenzentrale in Herzogenaurach zu gewinnen“, sagte Markus Birkel. Das gilt erst recht für Handelsunternehmen, die weder mit internationalen Marken noch mit glamourösen Standorten aufwarten können.

Das Employer Branding im IT-Umfeld zu stärken nannte Markus Tkotz denn auch als einen wichtigen Punkt auf seiner Agenda 2013. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, bilden die Unternehmen selbst aus. Puma bietet neben den IT-Berufsausbildungen auch die Möglichkeit des dualen Studiums an und stellt beispielsweise Hochschulabsolventen ein, darunter auch solche mit kaufmännischem Studium. Auch Markus Tkotz von Markant bezeichnete die Ausbildung in Zeiten knappen Personals „als besten, aber auch härtesten Weg.“ Das eigene Mitarbeiter-Potenzial noch besser auszuschöpfen, lautet die aktuelle Strategie der Metro – in puncto Employer Branding sicherlich eines der sehr gut aufgestellten Handelsunternehmen. Gute Leute würden im Rotationsprinzip weltweit verschickt, so Silvester Macho, der in seinem Team unter anderem IT-Kräfte aus Pakistan beschäftigt: „Für die Mitarbeiter ist es sehr reizvoll, solche internationalen Herausforderungen anzunehmen.“  

Foto: Hauser/EHI

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