Sie sind Kolosse aus Eisen und Stahl, die sich mit leistungsstarken Motoren ihren Weg durch die Weltmeere bahnen. In bunten Containern befördern sie laut Umweltbundesamt nahezu 90 Prozent der weltweiten Waren über den Seeweg in unsere Häfen. Containerschiffe spielen eine zentrale Rolle im globalen Handel. Aktuell häufen sich Angriffe auf Frachter im Roten Meer durch Huthi-Rebellen. Um die Besatzung zu schützen, umfahren viele Schiffe den Suezkanal, was Lieferverzögerungen für Händler und Verbraucher zur Folge hat.

Kosten und Lieferverzögerungen

Größte Risiken

Größte Risiken
Foto: Kinaxis

Internationale Konflikte werden sich auch in den nächsten fünf Jahren am stärksten auf die Lieferketten auswirken – das haben ein Drittel der Unternehmen in Deutschland (37 %) in einer aktuellen repräsentativen Umfrage von Kinaxis angegeben (zur Methodik siehe Kasten). Weitere Auswirkungen sind die daraus resultierenden, angestiegenen Energiepreise (37 %) und die allgemeine Rohstoffknappheit (32 %). Derartige Risiken und Unterbrechungen können für Unternehmen gravierende Folgen haben und wirken sich vor allem im Einzelhandel als der Branche, die den Verbraucher:innen am nächsten steht, in Echtzeit aus.

Für fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland (49 %) stellen erhöhte Kosten und Verzögerungen bei der Auslieferung von Produkten an Kund:innen (47 %) die größte Auswirkung einer Lieferkettenunterbrechung dar. So warnte kurz vor Weihnachten 2023 der Möbelhändler IKEA vor Lieferengpässen aufgrund der Huthi-Angriffe und appellierte an Konsument:innen, sich nach Alternativen umzusehen. Wenn ein Einzelhändler ein Produkt nicht vorrätig hat, führt das zu Umsatzeinbußen. Aktuell brauchen 33 Prozent der Unternehmen mehrere Stunden und 28 Prozent sogar mehrere Tage, um Informationen im Falle einer Lieferkettenstörung zusammenzutragen. Dadurch verlängert sich die Zeitspanne zwischen den Auswirkungen und der Reaktion deutlich.

Sinnvolles Störungsmanagement

Problembestimmungszeiten

Problembestimmungszeiten
Foto: Kinaxis

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sollten Händler Prozesse schaffen, die es ihren Mitarbeitenden ermöglichen, schneller von Störungen zu erfahren. Der erste Schritt kann sein, Silos abzubauen, sodass im Falle einer Unterbrechung alle im Unternehmen darüber informiert sind und so schnell wie möglich reagieren können. Neben einer zentralen Lieferkettenplanung gilt es außerdem ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, wie sich das Tool am besten einsetzen lässt, um einen strategischen Planungsvorteil zu erzielen.

Um effektiv zu sein, reicht Sichtbarkeit jedoch allein nicht aus. Die Mitarbeitenden sollten nicht nur in der Lage sein, Probleme zu erkennen (Sichtbarkeit), sondern auch deren Konsequenzen zu verstehen (Transparenz). Im Einzelhandel kann das bedeuten, die Komplexität vieler Standorte, Artikel, Werbeaktionen und Bestände zu managen, was eine komplexe Entscheidungsfindung erfordert. Transparenz bedeutet, sowohl alle Daten zu überblicken als auch genau zu wissen, wie diese sich auf das Liefernetzwerk auswirken. Sobald ein Händler von einer verspäteten Bestellung erfährt, weiß er unmittelbar, welche Filiale am stärksten betroffen ist und welche Verteilerzentren die Verspätung ausgleichen können.

Verschränkte Planung zur Krisenvorbereitung

Vertrauen der Unternehmen in KI

Vertrauen der Unternehmen in KI
Foto: Kinaxis

Laut der Umfrage von Kinaxis schätzen die meisten Lieferkettenverantwortlichen in Deutschland, dass Künstliche Intelligenz dazu beitragen wird, Überraschungen durch proaktives Risikomanagement einzudämmen (73 %). Fortgeschrittene Analysen und die Fähigkeit, die Nachfrage mithilfe von KI und maschinellem Lernen vorherzusagen, können im Einzelhandel einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der riesigen Datenmengen leisten. Dennoch bleibt es wichtig, dass Händler solche Technologien unter Berücksichtigung ihrer Mitarbeitenden und Prozesse einführen. Menschen bringen Kontext, Zusammenarbeit und Bewusstsein mit, die KI nicht ersetzen kann.

Eine effektive Kombination bildet ein Zusammenspiel von Mensch und KI. Für Händler und ihre Lieferketten wird es weiterhin von entscheidender Bedeutung sein, den Anforderungen an eine höhere Geschwindigkeit, größere Mengen und sich schnell ändernden Kundenpräferenzen gerecht zu werden. Robuste Prozesse stellen hierbei die Grundlage, um schnell auf Störungen reagieren zu können. Mit Sichtbarkeit, Transparenz und einer KI-unterstützten verschränkten Planung, bei der jedes einzelne Element in der Lieferkette mit allen anderen Elementen verknüpft ist, können sich Einzelhändler rüsten. Auf diese Weise schaffen sie Lieferketten, die sich nicht nur finanziell auszahlen, sondern auch auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und der Kundschaft bedienen.

Gastautor Martin Bilstein ist Regional Vice President D-A-CH bei Kinaxis.

Methodik

Die Umfrage wurde unter 200 Lieferkettenverantwortlichen in deutschen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 200 Mio. Euro durchgeführt. Die Befragungen führte Sapio Research im Oktober 2023 online durch, wobei eine Einladung per E-Mail und eine Online-Umfrage verwendet wurden.