Übereinstimmend bewerten Handel und Industrie Logistik-Kooperationen für die Handelslogistik als wichtig oder sehr wichtig, die Hersteller mit einem Anteil von 87 Prozent sogar noch stärker als die Händler mit 60 Prozent. Von den Kooperationen verspricht man sich zusätzliche Ertrags-
potenziale. Die Hersteller messen auch der Verschärfung kartellrechtlicher Rahmen-
bedingungen eine höhere Bedeutung bei. Konkret umgesetzt werden entsprechende Projekte von beiden Seiten allerdings eher zurückhaltend. Hier sollte eine genauere Betrachtung der verschiedenen Kooperations-Möglichkeiten erfolgen. Beim Outsourcing von Lagerstandorten ist der Umsetzungsgrad – die Planungsphase mit einbezogen – bei den Herstellern mit 74 Prozent deutlich höher als im Handel mit 45 Prozent. Ähnliches gilt für horizontale Kooperationen in Form einer gemeinsamen Nutzung von Lagerstandorten. Vertikale Kooperationen zwischen Herstellern und Handel weisen den geringsten Umsetzungsgrad auf. Im Rahmen der zunehmenden Ausrichtung auf Multichannel-Konzepte ist aber aus Kosten- und Flexibilitätsgründen in den nächsten Jahren mit einer weiteren Öffnung des Handels für den Einsatz von Dienstleistern zu rechnen.  

Kaum ein Unternehmen kommt heute noch ohne Nachhaltigkeitsstrategie aus, da Kunden, Partner, Lieferanten und die Öffentlichkeit diese einfordern. Ähnlich wichtig bzw. sehr wichtig wird von Händlern (65 Prozent) und Industrie (73 Prozent) das Problem der zunehmenden Rohstoffknappheit gesehen, auch wenn dies im Moment noch als wenig kritisch für die Handelslogistik eingeschätzt wird. Ansatzpunkte, um dem Aspekt Ökologie Rechnung zu tragen, liegen für beide Seiten im Lager- und im Transportbereich. Den höchsten Umsetzungsgrad erreicht die Durchführung von Fahrerschulungen (Hersteller: 87 Prozent in der Durchführungs- oder Planungsphase, Handel: 76 Prozent). Es folgen der Einsatz spezieller Laderaumtechnik zum Beispiel in Form von Doppelstock-Aufbauten. Einem verstärkten Einsatz von alternativen Antriebstechnologien stehen zurzeit noch technische Hürden entgegen, denn die Entwicklung von Hybrid- und Elektroantrieben steckt noch in den Kinderschuhen. Eine Umstellung auf regenerative Energiequellen im Lager ist fast nur bei Neuerrichtung oder Umbau wirtschaftlich sinnvoll, sodass noch nicht so viele Hersteller und Händler diese einsetzen. Energieeffiziente Technik, zum Beispiel für Heizung, Beleuchtung und Belüftung, nutzen heute aber bereits 77 Prozent der befragten Hersteller und 62 Prozent der befragten Händler.

Herausforderung Urbanisierung

Die Städte werden heute für Menschen aller Altersklassen zum Leben und Arbeiten wieder attraktiver. Dies führt zu logistischen Herausforderungen wie überlasteten Infrastrukturen und Lärm- und Luftbelastungen. Dies zieht gesetzliche Restriktionen bei der Innenstadtbelieferung nach sich. Hinzu kommen das steigende Verkehrsaufkommen und der demografische Wandel. Dieser letzte Punkt wird von den Herstellern als wichtigste und vom Handel immerhin als viertwichtigste aller Rahmenbedingungen für die Handelslogistik bewertet. In der Folge arbeitet gerade der Handel mit neuen Transportzeit-Modellen (69 Prozent) oder bereitet sie zumindest vor, gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um immerhin 12 Prozent.

Allerdings sieht sich der Handel dabei mit einer Reihe von strikten Regelungen wie zum Beispiel zur Einhaltung bestimmter Lärmschutzgrenzen besonders in der Nacht oder rechtskonformer Warenübergabe bei nicht besetzter Warenannahme konfrontiert. Der Einsatz von KEP-Dienstleistern oder leichten Lkw bis 7,5 Tonnen scheinen dagegen eine Frage der Wirtschaftlichkeit zu sein, denn der Anteil von Leichtfahrzeugen am Gesamtfuhrpark des Handels hat sich im Vergleich zu den beiden Vorjahren zum zweiten Mal verringert (knapp 20 Prozent in 2011 gegenüber unter 15 Prozent in diesem Jahr).

Im Zusammenhang mit dem Trend zum Wohnen in der Stadt entwickeln sich die Verbraucher immer mehr zu Erlebnis- und Event-Shoppern. Die Konsequenzen sind ein stark schwankendes, sich fragmentierendes Nachfrageverhalten und eine zunehmende Artikelvielfalt. Soziale Medien gewinnen für die Vermarktung eine wachsende Bedeutung. Inwieweit soziale Medien eine Rolle in der Handelslogistik spielen werden, bleibt im Moment noch abzuwarten.

Der wachsenden Bedeutung des Online-Handels allerdings muss die Handelslogistik auch heute schon Rechnung tragen. Bei den Versandarten geht es nicht mehr nur um Vollpaletten, sondern zunehmend auch um Paketsendungen. Hersteller und Händler gehen mit dieser Veränderung unterschiedlich um, ergab die Studie. Die Hersteller planen mehrheitlich (59 Prozent), die Paket-Logistik in ihre bestehenden Lagerstandorte zu integrieren. Von den Händlern hingegen bevorzugt die Mehrheit (55 Prozent) ein Outsourcing dieser Dienstleistung an Dritte. Auf beiden Seite eher die Ausnahme ist die Lösung, für den E-Commerce separate Lagerbetriebe einzurichten.

Suche nach guten Mitarbeitern

Die gute Beschäftigungsquote und der Mangel an Fachkräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben auch Auswirkungen auf die Handelslogistik. Insbesondere der Mangel an qualifiziertem Personal und die demografische Entwicklung zählen sowohl für den Handel als auch für die Industrie zu den wichtigsten genannten Rahmenbedingungen für die Handelslogistik. Beide Seiten reagieren darauf mit ähnlichen Maßnahmen, an erster Stelle mit der unternehmensinternen Aus- und Weiterbildung (95 Prozent der befragten Händler, 96 Prozent auf Industrieseite). Bei der Durchführung zusätzlicher Recruiting-Aktionen und der Schaffung weiterer Lohnanreize hat sich der Anteil der Unternehmen, die diese Maßnahmen noch nicht verfolgen (45 Prozent im Handel bzw. 36 Prozent in der Industrie) gegenüber dem Vorjahr (55 bzw. 42 Prozent) merklich verringert. Der Wettbewerb um gute Logistiker wird also härter.  

Auch die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze gehört zu den wichtigsten Maßnahmen. 64 Prozent der befragten Händler und sogar 83 Prozent der Hersteller sind hier aktiv und setzen unter anderem auf eine Automatisierung oder Teil-Automatisierung, um die Mitarbeiter zu unterstützen bzw. zu entlasten. Ähnliche Werte weist die Etablierung von Gesundheitsprogrammen auf.

Die zunehmende Dynamik der Märkte erfordert mehr und mehr eine Flexibilisierung der Arbeit, was bereits 86 Prozent der Händler und 91 Prozent der Hersteller verwirklichen. Der Faktor Arbeit wird sich in der Logistik weiter verteuern, sodass saisonale Spitzen, extreme Wetterlagen oder aktionsbedingte Peaks nicht ausschließlich mit einer Stammbelegschaft bewältigt werden können.

Was die für die Handelslogistik relevanten IT-Technologien betrifft, wurde in der Studie speziell nach Smartphone-Anwendungen in der Supply Chain, den AutoID-Technologien inklusive RFID und Cloud-Computing gefragt. Während Smartphones zurzeit allenfalls für die Hersteller einen Einfluss auf die Supply Chain zu haben scheinen, haben beide Seiten nach wie vor RFID im Blickfeld, denn 78 Prozent der befragten Hersteller und 76 Prozent der befragten Händler planen den Einsatz immerhin, warten aber nach wie vor auf technische Weiterentwicklungen, die die Technologie wirtschaftlicher gestalten. Interessant dagegen, dass sich nach eigenen Angaben 83 Prozent der befragten Hersteller und 71 Prozent der teilnehmenden Händler in der Planungs- bzw. Pilotphase für Cloud-Computing-Anwendungen befinden, obwohl 61 bzw. 74 Prozent dieser Technologie für die Supply Chain keine so hohe Bedeutung beimessen. Hier wird man die Bewertungen in den künftigen Befragungsrunden im Hinblick auf mögliche Korrekturen abwarten müssen.

Für einen tieferen Einblick in die Ergebnisse der Studie wird auf die veröffentlichte Studie hingewiesen. EHI und Fraunhofer IML werden künftig Trenduntersuchungen in größeren Zeitabständen durchführen, geplant ist ein Dreijahres-Rhythmus, und sich zwischendurch mit vertiefenden Untersuchungen zu speziellen Themen innerhalb der Handelslogistik beschäftigen. So ist für 2013 eine Studie zum Thema Filiallogistik vorgesehen. Logistiker aus dem Handel, die bisher noch nicht an den Befragungen teilgenommen haben, können sich jederzeit bei den beiden Autoren dieses Artikels für eine Teilnahme registrieren lassen.

Quelle Abbildungen: EHI Retail Institute / Fraunhofer IML

Trends in der Handelslogistik

Welche Rahmenbedingungen, Trends und Zukunftsperspektiven beherrschen aktuell die Handelslogistik? – Ergebnisse einer gemeinsamen Befragung von EHI und Fraunhofer IML in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aktualisierung der erstmals 2010 durchgeführten Studie.

Weitere Informationen: www.ehi.org/gb/verlag/shop-seiten

Format: 21 x 21 cm, Klebebindung

ISBN: 978-3-87257-384-1

Preis: 395,00 € (inkl. MwSt. und Versand)

Mail: vertrieb@ehi.org

Fon: +49-221.57993-64

Exzellent vernetzt

„Exzellent vernetzt“ lautet das Leitthema des diesjährigen Deutschen Logistik-Kongresses, der vom 17. bis 19. Oktober 2012 in Berlin im Hotel Intercontinental/Schweizerhof stattfindet. Es geht darum, dass Supply Chain Manger heute gut vernetzt sein müssen, um ihre Aufgaben bewältigen zu können: Warenverfügbarkeit ohne überflüssige Warenströme, bestmögliche Nutzung von Ressourcen, keine Verschwendung sowie sensibler Einsatz menschlicher Arbeit, so die wichtigen Herausforderungen, auf die der Kongress Antworten gibt.

Weitere Informationen: www.bvl.de